Klassiker im Strafrecht: Die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug - Jurafuchs


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: Dealer D gibt dem als Wissenschaftler verkleideten D eine Amphetamin-Tablette.
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Klassisches Klausurproblem

S trifft sich mit Dealer D und lässt sich eine Amphetamin-Tablette aushändigen, angeblich um die Qualität zu prüfen. Anstatt es zurückzugeben, steckt S das Amphetamin ohne zu bezahlen ein und haut ab.

Einordnung des Falls

Der BGH beschäftigt sich hier erneut mit einem Klassiker im Strafrecht: der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug. Maßgeblich kommt es auch hier auf die Gewahrsamslockerung an. Eine Vermögensverfügung im Sinne eines Betrugs liege hingegen vor, wenn der Getäuschte auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen will. Ein Diebstahl liege hingegen vor, wenn die Täuschung lediglich dazu dienen soll, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat S D durch die Behauptung, er wolle die Qualität des Amphetamins prüfen, zu einer Vermögensverfügung (§ 263 Abs. 1 StGB) veranlasst?

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Tun oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 263 RdNr. 70). Bei Fällen der Gewahrsamslockerung stehen Verfügungsbewusstsein und Unmittelbarkeit in Frage. Der BGH: Eine Vermögensverfügung liege vor, "wenn der Getäuschte auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen will. In diesem Fall wirkt sich der Gewahrsamsübergang unmittelbar vermögensmindernd aus."Hier habe D durch Übergabe zu "Prüfzwecken" zwar eine Wegnahmesicherung aufgegeben. Er habe jedoch Mitgewahrsam behalten.

2. Was das Amphetamin für S eine fremde bewegliche Sache (§ 242 Abs. 1 StGB)?

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Ja!

BGH: Fremd ist eine Sache, wenn sie verkehrsfähig ist, daher überhaupt in jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im Alleineigentum des Täters steht. Der Produzent hat durch Verarbeitung (§ 950 BGB) das Eigentum an den Drogen erlangt. BGH: Die Eigentums- und Verkehrsfähigkeit einer Sache entfällt nicht automatisch, weil eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung unwirksam ist (§ 134 BGB). Das Amphetamin ist verkehrsfähig und steht im Eigentum des Herstellers. Dass dieser nicht ermittelt werden kann, steht dem nicht entgegen.Die Anerkennung der Eigentumsfähigkeit illegaler Drogen ist stark umstritten.

3. Hat S das Amphetamin weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB), indem er D zur Aushändigung zu "Prüfzwecken" veranlasst hat?

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Nein, das ist nicht der Fall!

Wegnahme setzt voraus, dass sich die Sache im Gewahrsam eines anderen befindet, dass dieser Gewahrsam vom Täter durch Wegnahme gebrochen und dass neuer Gewahrsam begründet wird (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 242 RdNr. 8). Durch die Aushändigung zu "Prüfzwecken" trat vorliegend nur eine Gewahrsamslockerung ein.

4. Hat S D das Amphetamin weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB), indem er das Amphetamin nicht zurückgab, sondern einsteckte?

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Ja, in der Tat!

Dadurch habe S das Amphetamin in seinen Alleingewahrsam gebracht. S hat sich nach § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
      2. Absicht rechtswidriger Zueignung
    2. Objektiver Tatbestand
      1. Fremde bewegliche Sache
      2. Wegnahme
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

Wie prüfst Du den objektiven Tatbestand des Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB)?

  1. Täuschung über Tatsachen
  2. Irrtum (kausal durch Täuschung)
  3. Vermögensverfügung (kausal durch Irrtum)
  4. Vermögensschaden oder Vermögensgefährdung (kausal durch Vermögensverfügung)

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