Strafrecht

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Klassiker im Strafrecht: Die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug

Klassiker im Strafrecht: Die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug

26. Juli 2023

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: Dealer D gibt dem als Wissenschaftler verkleideten D eine Amphetamin-Tablette.
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Klassisches Klausurproblem

S trifft sich mit Dealer D und lässt sich eine Amphetamin-Tablette aushändigen, angeblich um die Qualität zu prüfen. Anstatt es zurückzugeben, steckt S das Amphetamin ohne zu bezahlen ein und haut ab.

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Einordnung des Falls

Der BGH beschäftigt sich hier erneut mit einem Klassiker im Strafrecht: der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug. Maßgeblich kommt es auch hier auf die Gewahrsamslockerung an. Eine Vermögensverfügung im Sinne eines Betrugs liege hingegen vor, wenn der Getäuschte auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen will. Ein Diebstahl liege hingegen vor, wenn die Täuschung lediglich dazu dienen soll, einen gegen den Willen des Berechtigten gerichteten eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat S D durch die Behauptung, er wolle die Qualität des Amphetamins prüfen, zu einer Vermögensverfügung (§ 263 Abs. 1 StGB) veranlasst?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Tun oder Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 263 RdNr. 70). Bei Fällen der Gewahrsamslockerung stehen Verfügungsbewusstsein und Unmittelbarkeit in Frage. Der BGH: Eine Vermögensverfügung liege vor, "wenn der Getäuschte auf Grund freier, nur durch Irrtum beeinflusster Entschließung Gewahrsam übertragen will. In diesem Fall wirkt sich der Gewahrsamsübergang unmittelbar vermögensmindernd aus."Hier habe D durch Übergabe zu "Prüfzwecken" zwar eine Wegnahmesicherung aufgegeben. Er habe jedoch Mitgewahrsam behalten.
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2. Was das Amphetamin für S eine fremde bewegliche Sache (§ 242 Abs. 1 StGB)?

Ja!

BGH: Fremd ist eine Sache, wenn sie verkehrsfähig ist, daher überhaupt in jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im Alleineigentum des Täters steht. Der Produzent hat durch Verarbeitung (§ 950 BGB) das Eigentum an den Drogen erlangt. BGH: Die Eigentums- und Verkehrsfähigkeit einer Sache entfällt nicht automatisch, weil eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung unwirksam ist (§ 134 BGB). Das Amphetamin ist verkehrsfähig und steht im Eigentum des Herstellers. Dass dieser nicht ermittelt werden kann, steht dem nicht entgegen.Die Anerkennung der Eigentumsfähigkeit illegaler Drogen ist stark umstritten.

3. Hat S das Amphetamin weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB), indem er D zur Aushändigung zu "Prüfzwecken" veranlasst hat?

Nein, das ist nicht der Fall!

Wegnahme setzt voraus, dass sich die Sache im Gewahrsam eines anderen befindet, dass dieser Gewahrsam vom Täter durch Wegnahme gebrochen und dass neuer Gewahrsam begründet wird (Fischer, StGB, 64. Aufl. 2017, § 242 RdNr. 8). Durch die Aushändigung zu "Prüfzwecken" trat vorliegend nur eine Gewahrsamslockerung ein.

4. Hat S D das Amphetamin weggenommen (§ 242 Abs. 1 StGB), indem er das Amphetamin nicht zurückgab, sondern einsteckte?

Ja, in der Tat!

Dadurch habe S das Amphetamin in seinen Alleingewahrsam gebracht. S hat sich nach § 242 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
      2. Absicht rechtswidriger Zueignung
    2. Objektiver Tatbestand
      1. Fremde bewegliche Sache
      2. Wegnahme
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld

Wie prüfst Du den objektiven Tatbestand des Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB)?

  1. Täuschung über Tatsachen
  2. Irrtum (kausal durch Täuschung)
  3. Vermögensverfügung (kausal durch Irrtum)
  4. Vermögensschaden oder Vermögensgefährdung (kausal durch Vermögensverfügung)
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JSAUE

Jonas Sauer

9.2.2020, 12:50:51

Schön aufbereitet! Ich hätte mir bei der ersten Frage nur ein wenige mehr Erläuterungen zur Eigentumsfähigkeit von Drogen gewünscht.

GEL

gelöscht

29.3.2021, 14:58:11

Hallo Jonas, da Du Dir das gewünscht hast, haben wir den Hinweis überarbeitet. Wenn du noch Fragen oder einen Ergänzungsvorschlag hast, gehen wir gerne darauf ein! 🙂 Viele Grüße Adrian, für das Jurafuchs-Team 🦊

DEGE

Der Gerechte

18.2.2020, 11:46:59

Ich hätte tatsächlich an eine Unterschlagung gedacht.. Wieder was gelernt! Ich nehme an, dass der Diebstahl vollendet ist, sobald das BtM in der Tasche verschwunden ist.

REBE

Rebekka

25.6.2020, 14:07:06

Ich hätte bei der letzten Frage angenommen, dass die Wegnahme erst durch das Wegrennen und noch nicht durch das Einstecken vorliegt.

Marcus

Marcus

27.6.2020, 14:38:27

Beim Einstecken kleiner Gegenstände wie hier des Amphetamins wird Gewahrsam bereits dadurch begründet, dass sich der Gegenstand nun im Tabu-Bereich befindet und Dritte keinen Zugriff mehr haben.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

28.6.2020, 11:25:12

Genau, Stichwort: Körpergewahrsam

FH

Florian Hierl

1.7.2020, 09:31:40

Der Examensklassiker:

Gewahrsamsenklave

, das ist ein Problem, welches unbedingt bekannt sein muss!

ZAV

Zavviny

19.9.2020, 15:24:12

Wie sieht es mit der Frage aus, ob Rauschgift überhaupt ein geeignetes

Tatobjekt

ist?

MIC

Michael

7.8.2024, 09:24:05

Bei Drogen bzw. Illegalen Gegenständen muss immer an die Fremdheit gedacht werden, da man Drogen nicht dinglich erwerben kann, (

Fehleridentität

mit Rechtsgeschäft). Es kann jedoch vom Hersteller (Drogen durch Vermischung, Verbindung, §§ 946 ff. oder auch durch

Universalsukzession

erworben) weggenommen werden, in solchen Fällen ist Rauschgift ein geeignetes

Tatobjekt

. (Ich weiß die Frage ist alt, aber vielleicht hilft es ja jemandem)

Juliaaaaaaaaaaaa

Juliaaaaaaaaaaaa

10.9.2024, 17:10:36

Müsste man hier nicht an den wirtschaftlichen und juristischen

Vermögensbegriff

denken?

rlaw

rlaw

14.10.2024, 14:10:00

Gerade nicht, weil der Diebstahl anders als der Betrug kein Vermögensdelikt, sondern ein Eigentumsdelikt ist. Geschützt ist daher durch §§ 242 (ff.) auch das Eigentum an vollkommen wertlosen oder eben illegalen Sachen. Vertiefung: Sofern in einem Fall eine illegale Sache übereignet wurde (von Dealer 1 an Dealer 2) so problematisiert eine mM. iRd.

Vorsatz

es, dass es aufgrund der Illegalität wegen §

134 BGB

iVm. BTMG nie zu einer

Übereignung

kam. Es könnte daher dann ein Tatbestandsirrtum vorliegen da noch der erste Dealer Eigentümer ist, nicht der zweite. Einen solchen Fall haben wir hier aber gerade nicht da es keine versuchte

Übereignung

der Sache gab. Ferner wäre dies mit der (absoluten) hM. auch egal, weil der

Vorsatz

sich nur auf die Fremdheit der Sache beziehen muss, es aber egal ist, wem sie tatsächlich gehört. Vgl auch: https://www.ferner-alsdorf.de/strafrecht-drogen-und-diebstahl-an-drogen/

Juliaaaaaaaaaaaa

Juliaaaaaaaaaaaa

14.10.2024, 15:49:01

Dankeschön rlaw !! :)


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