Zivilrecht
Sachenrecht
Negatorischer Abwehr- und Unterlassungsanspruch
Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch – Faktischer Duldungszwang wegen tatsächlicher Unmöglichkeit (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)
Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch – Faktischer Duldungszwang wegen tatsächlicher Unmöglichkeit (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)
4. Juli 2025
17 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E ist Eigentümerin einer Produktionshalle. Auf dem angrenzenden Nachbargrundstück der N möchte N Parkplätze errichten. Dafür lässt N durch Bauarbeiterin B einen zu tiefen Graben an der Grundstücksgrenze graben. Infolgedessen stürzt die Produktionshalle ein.
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Einordnung des Falls
Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch – Faktischer Duldungszwang wegen tatsächlicher Unmöglichkeit (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Besteht ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 2 iVm 909 BGB gegen N?
Nein, das ist nicht der Fall!
2. Die Aushebung des Grabens stellt eine rechtswidrige Beeinträchtigung dar (§ 909 BGB). Steht E der Sache nach ein Abwehranspruch gegen N aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB zu?
Ja, in der Tat!
3. Die Voraussetzungen des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs sind hier gegeben (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB).
Nein!
4. Es kommt eine analoge Anwendung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB) in Betracht.
Genau, so ist das!
5. Die Beeinträchtigung ist für E unzumutbar.
Ja, in der Tat!
6. Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung ist gegen B als Handlungsstörer zu richten (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB).
Nein!
7. E kann von N einen angemessenen Ausgleich für die Schädigung verlangen (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Im🍑nderabilie
24.1.2023, 15:37:45
Ich verstehe nicht ganz - woran scheitert denn der Anspruch aus 1004, die Störung hält ja noch an und nach der von der Rspr. vertretenen Theorie kann der Geschädigte auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands verlangen.. Dementsprechend würde
906 II analogdann ja zurücktreten, oder?
Paul
29.1.2023, 14:59:40
Nach der hier angesprochenen Theorie der Rspr. kann neben der Beseitigung auch die Wiederherstellung der Benutzbarkeit verlangt werden (vgl. Wenzel, NJW, 2005, 241, 243). Ein Beispielsfall ergibt sich in folgender Fallgestaltung: Wir haben einen X und dieser kontaminierten das Grundstück seines Nachbarn Y mit einer toxischen Substanz. In der Folge hat Y einen Anspruch gegen X auf Beseitigung der Störung aus 1004 I 1 BGB. Eine solche Beseitigung hätte zwangsläufig zur Folge, dass der Boden ausgebaggert werden müsste. Nach der Rspr. könnte der Y neben dem Ausbaggern auch das anschließende Aufschütten mit neuem Boden verlangen (also die Beseitigungsfolgen, vgl Wenzel, NJW, 2005, 241, 243). In dem vorliegenden Fall hätte die E zunächst einen Anspruch auf Beseitigung der Störung gehabt. An der Verwirklichung des Anspruchs ist sie jedoch tatsächlich gehindert, da in dem Zeitpunkt, wo dieser Anspruch besteht sich auch schon die Folgen der Störung realisiert haben. Der Substanz
schadenan der Produktionshalle als Folge der Störung ist über 1004 I 1 nicht ersatzfähig (vgl. Wenzel, NJW, 2005, 241, 243). Anders als in dem Beispielsfalls ist dieser
Schadenkeine Folge der Beseitigung. Folglich kommt eine analoge Anwendung des 906 II 2 BGB in Betracht.

Im🍑nderabilie
31.1.2023, 14:21:53
Danke dir! :)

CR7
5.8.2023, 12:41:29
Aber hier käme jetzt auch noch ein Anspruch aus § 823 I gegen B in Betracht? Und wenn E gegen N vorgeht, B aber
schuldhaft den Boden zu tief ausgehoben hat, besteht ein vertraglicher SE-Anspruch des N gegen B.
hardymary
16.1.2025, 11:12:56
Könnte nicht auch ein Vertrag mit Schutzwirkung Dritter entstanden sein? Also dass in dem Vertrag zwischen dem Bauherrn und dem D der Nachbarn eingezogen wird? Weiter finde ich auch, dass ein Anspruch aus § 823 I zumindest gegen den B durchgeht, scheitert es dann nicht für den § 906 II 2 an der Subsidarität?
Niro95
3.3.2025, 17:09:28
@[hardymary](202321) Zur Subsidiarität: Nein, denn der Anspruch richtet sich ja in diesem Fall gegen jemand anderen. Ich denke die Subsidiarität gilt nur gegen denselben Anspruchsgegner.

Wesensgleiches Minus
7.3.2025, 15:16:31
@[hardymary](202321) ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des E scheitert an der
Gläubigernäheoder?
Amelie7
21.3.2025, 09:40:01
Ich versteh leider immer noch nicht ganz wieso ein Anspruch aus § 1004 I S. 1 auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands ausscheidet. :/ Hier wird ja argumentiert weil die Beeinträchtigung schon eingetreten ist, aber das ist doch Inhalt des§ 1004? Es geht ja darum eine Beeinträchtigung zu beseitigen.
hardymary
24.3.2025, 19:30:55
meinst du Leistungsnähe?

Wesensgleiches Minus
25.3.2025, 08:27:48
@[hardymary](202321) Nein, ich meine das Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, das bei
Vertragsauslegungeine Ausdehnung des Vertrags rechtfertigt.

Steinfan
4.5.2024, 12:57:39
Auch der Bauherr kann Anspruchsgegner bei einem Anspruch aus
§ 823 II BGBiVm
§ 909 BGBsein. Problematisch ist dann nur oftmals das Ver
schulden. Vgl. hierzu BeckOGK/Vollkommer, 1.2.2024, BGB § 909 Rn. 72: „Das Verbot des § 909 richtet sich an jedermann, der ein Grundstück vertieft oder daran mitwirkt.“ MüKoBGB/Brückner, 9. Aufl. 2023, BGB § 909 Rn. 40: „Der Eigentümer/Bauherr genügt im Grundsatz jedoch den ihm obliegenden Sorgfaltspflichten, wenn er die Bauarbeiten auf seinem Grundstück einem sorgfältig ausgewählten, fachkundigen Architekten, Ingenieur oder Bauunternehmer überträgt.“
Kind als Schaden
11.7.2024, 22:47:43
Danke für die Arbeit, ich kam auch ins Stocken bei den Ausführungen an dieser Stelle und habs aber nicht nachschlagen wollen.
Niro95
22.4.2025, 14:06:01
Sollte mal dringend anpassen, sonst lernt man das falsch
Katharina
8.6.2025, 13:31:58
Könnte man nicht auch an einen Anspruch aus § 831 I denken und B als
Verrichtungsgehilfevon N subsumieren?
philipp0907
13.6.2025, 09:39:58
Also grds. könnte man schon darüber nachdenken. Selbst bei einer Bejahung des B als
Verrichtungsgehilfen würde ich das Ver
schulden verneinen, weil mangels abweichender Angaben im Sachverhalt davon auszugehen ist, dass N den B sorgfältig ausgewählt hat (§ 831 I 2).

Sebastian Schmitt
13.6.2025, 16:55:28
Hallo @Katharina, hallo @[philipp0907](306188), nachdenken kann man darüber natürlich. In dem unserer Entscheidung zugrunde liegenden Urteil des BGH (NJW 2001, 1865, 1866) heißt es dazu: "Für eine Eintrittspflicht nach
§ 831 BGBfehlt es an der Feststellung, dass Architekt oder Bauunternehmer bei der Durchführung der Vertiefungsarbeiten - was ohnehin nur ausnahmsweise in Frage kommen kann - als weisungsabhängige
Verrichtungsgehilfen des Bauherrn tätig geworden sind." Das entspricht in der Tat der stRspr des BGH (s zB auch BGH NJW 1994, 2756). Selbstständige Unternehmen und deren eventuelle Subunternehmer sind danach grds keine
Verrichtungsgehilfen des Auftraggebers, weil es an der dafür nötigen Weisungsgebundenheit fehlt (näher MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl 2024, § 831 Rn 18 mwN). Um das wirklich abschließend beurteilen zu können, bräuchten wir nähere Angaben darüber, in welchem rechtlichen Verhältnis N und B hier konkret stehen. Im Ernstfall (also Prüfungsaufgabe/Klausur/mündliche Prüfung) würde Ihr dazu sicherlich mehr Anhaltspunkte bekommen. Hier liegt aber zumindest nahe, dass B bei einem größeren Bauunternehmen angestellt ist und die Arbeiten im Auftrag ihres Arbeitgebers erfüllt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Katharina
13.6.2025, 20:22:02
Vielen Dank für hilfreiche Antwort @[Sebastian Schmitt](263562). 😇