Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Relativität der Schuldverhältnisse

Relativität schuldrechtlicher Ansprüche I, P3: Diebstahl

Relativität schuldrechtlicher Ansprüche I, P3: Diebstahl

20. Mai 2025

23 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft K einen Jugendstil-Schrank. V soll am nächsten Tag liefern und K bezahlen. In der Nacht stiehlt D den Schrank. D beschädigt ihn beim Transport. D überlässt ihn dann dem B. V entdeckt den Schrank bei B. B weiß von alledem nichts.

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Einordnung des Falls

Relativität schuldrechtlicher Ansprüche I, P3: Diebstahl

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann von B Herausgabe des Schrankes verlangen (§ 985 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 985 BGB kann Herausgabe der Sache des (1) Eigentümers (2) vom Besitzer verlangt werden, dem (3) kein Besitzrecht zusteht (§ 986 BGB). K müsste Eigentümer des Schranks geworden sein. Zwar geht das Eigentum nicht schon durch Abschluss eines Kaufvertrages über (Trennungsprinzip). Allerdings könnte V den Schrank an K übereignet haben (§ 929 S. 1 BGB). Voraussetzung wäre (1) eine dingliche Einigung, (2) die Übergabe der Sache und (3) die Berechtigung des V zur Übereignung. V und K haben sich über den Kauf, nicht jedoch über den Übergang des Eigentums an K geeinigt. Dieses sollte erst am nächsten Tag übergehen. K steht kein Herausgabeanspruch zu.
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2. K hat gegen D einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Beschädigung seines Eigentums (§ 823 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Dazu müsste D (1) ein absolut geschütztes Recht des K (2) schuldhaft, (3) kausal und (4) rechtswidrig verletzt haben, wodurch K ein (5) kausaler Schaden entstanden sein müsste. K ist nicht Eigentümer des Schranks geworden. Der schuldrechtliche Übereignungsanspruch des K gegen V stellt kein absolut geschütztes Recht dar. Rein schuldrechtliche Forderungen gelten nur zwischen den Parteien und nicht gegenüber jedermann.

3. V kann von B Herausgabe des Schrankes verlangen (§ 985 BGB).

Ja!

Nach § 985 BGB kann (1) der Eigentümer Herausgabe der Sache (2) vom Besitzer verlangen, wenn diesem (3) kein Besitzrecht zusteht (§ 986 BGB). Zunächst war V Eigentümer des Schranks. Allerdings könnte B gutgläubig Eigentum von D erworben haben (§§ 929. S.1, 932 BGB). Bei einer gestohlenen Sache ist jedoch kein gutgläubiger Erwerb möglich (§ 935 Abs. 1 BGB). V bleibt Eigentümer. Neben seinem Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat V zudem Herausgabeansprüche gegen B aus § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB.

4. V kann von D Schadenersatz wegen Beschädigung seines Eigentums verlangen (§ 823 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Dazu müsste D (1) ein absolut geschütztes Recht des V (2) schuldhaft, (3) kausal und (4) rechtswidrig verletzt haben, wodurch V ein (5) kausaler Schaden entstanden sein müsste.D hat das Eigentum des V vorsätzlich durch Sachentzug und fahrlässig durch Substanzbeeinträchtigung verletzt, wodurch V ein Schaden entstanden ist. Diesen kann V von D gem. § 251 Abs. 1 BGB bzw. § 249 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen. Weitere Schadenersatzansprüche des V gegen D ergeben sich aus §§ 687 Abs. 2, 678 BGB; §§ 989, 990 BGB; § 823 Abs. 2 BGB iVm § 242 StGB; § 826 BGB; §§ 1007 Abs. 3 S. 2, 989, 990 BGB.

5. K kann von V Übergabe und Übereignung des Schranks verlangen (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich hat K gegen V einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des Schranks aus dem Kaufvertrag. Dieser Anspruch könnte jedoch aufgrund Unmöglichkeit erloschen sein (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB. Unmöglichkeit ist die dauerhafte Nichterbringbarkeit des Leistungserfolgs durch den Schuldner.Derzeit ist V nicht im Besitz der Sache, sodass eine Übereignung durch Übergabe nach § 929 S. 1 BGB ausscheidet. Allerdings kann V den Schrank durch Abtretung des Herausgabeanspruchs übereignen (§ 931 BGB). § 985 BGB ist nicht abtretbar. Die Herausgabeansprüche aus § 1007 Abs. 2 S. 1 BGB und § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB sind abtretbar. V ist die Übereignung der Sache nicht unmöglich.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PLA

PlanetSirius

24.1.2020, 23:13:57

Reicht die Möglichkeit eines Eigentumübergangs durch Abtretung des Herausgabeansprüchs wirklich aus, wenn die

Leistungspflicht

(und auch die Frage) gerade die Übergabe und

Übereignung

meint? Abgemacht haben V und K zudem sogar explizit Übergabe und Lieferung.

NO

Nordisch

27.12.2020, 01:24:05

Das habe ich nich auch gefragt.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.11.2021, 13:11:16

Hallo ihr beiden, das ist eine sehr gute Frage. Grundsätzlich empfiehlt es sich aber, bei der Annahme der

Unmöglichkeit

(

§ 275 BGB

) eher zurückhaltend vorzugehen. Denn in diesem Fall beschneidet man unmittelbar die Handlungsoptionen der Parteien und verweist sie auf Sekundäransprüche (

Schaden

sersatz /

Rücktritt

). Aber natürlich hätte hier K die Möglichkeit die

Erfüllung

durch bloße Abtretung des Herausgabeanspruches zu verweigern, wenn Lieferung des Kaufgegenstandes ge

schuld

et war. Dann käme es tatsächlich auf die Frage an, ob V hier an D noch herankommt oder nicht. Im letzteren Fall liegt dann persönliche

Unmöglichkeit

vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MAT

Matschegenga

17.11.2021, 09:40:54

Laut Sachverhalt entdeckt V den Schrank bei B. Da wäre es doch keine lebensferne Auslegung, dass es ihm möglich und zumutbar wäre, die bestehenden Herausgabeansprüche ggü. B geltend zu machen und dann vertragsgemäss an K zu liefern?

GEL

gelöscht

1.10.2020, 13:57:36

Wie verhält es sich hier, dass der Schrank beschädigt ist? Der Verkäufer kann also hier nicht mehr mangelfrei leisten. Führt dies nicht zu einem Ausschluss nach 275?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

1.10.2020, 14:39:16

Hallo Adam, danke für die gute Frage. Der Käufer erhält hier tatsächlich einen beschädigten Schrank. Dies stellt einen Sachmangel nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB als Abweichung von der gewöhnlichen

Beschaffenheit

dar. Dementsprechend kann der Käufer vom Verkäufer Nach

erfüllung

nach §§ 437 Nr. 1,

439 BGB

verlangen. Falls die Nach

erfüllung

unmöglich ist, kann der Käufer die anderen Mängelrechte aus § 437 BGB geltend machen. Also entweder nach §§ 437 Nr. 2,

326 V BGB

vom Vertrag zurücktreten oder (bei Ver

schuld

en des Verkäufers) nach §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB

Schaden

sersatz fordern. Eine

Unmöglichkeit

der im Kaufvertrag ge

schuld

eten Übergabe und

Übereignung

kann man nur bei der (vollständigen) Zerstörung der Kaufsache vor Gefahrübergang annehmen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

1.10.2020, 14:41:49

Und auch nur dann, wenn es sich um eine

Stückschuld

(wie hier) handelt, bzw. um eine konkretisierte

Gattungsschuld

. Ein anderes Ergebnis würde dem Vorrang der Mängelgewährleistung und dem Interesse der Parteien entsprechen, denn der Käufer hätte dann gar keine Möglichkeit mehr zu entscheiden, ob er den Schrank auch in beschädigter Form bekommen möchte. Dem Verkäufer würde wiederrum die Möglichkeit zur Nach

erfüllung

(falls diese möglich ist) genommen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

1.10.2020, 18:41:49

gemeint war natürlich: "Ein anderes Ergebnis würde dem Vorrang der Mängelgewährleistung und dem Interesse der Parteien NICHT entsprechen"!

CLA

chuck lawris

4.9.2021, 09:08:57

Ein Jugenstil-Schrank ist nach SV-naher Auslegung antik. Wenn dieser beschädigt wird, ist die

Erfüllung

der Leistung nach KV mE nach unmöglich.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.11.2021, 13:00:21

Hallo chuck lawris, hier musst Du etwas aufpassen, dass Du die

Unmöglichkeit

nicht vorschnell bejahst. Die bloße

Beschädigung

führt ja lediglich dazu, dass eine

Schlechtleistung

vorliegt und nicht, dass der Anspruch überhaupt nicht erfüllt werden kann (

Unmöglichkeit

). Es besteht dann zum einen die Möglichkeit der Reparatur. Schließlich kann auch bei

Stückschuld

en die

Erfüllung

durch ein Äquivalent in Betracht kommen (häufig im Bereich des Gebrauchtwagenhandels). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ROAD

roadrunnert

28.12.2023, 09:12:45

Der Dieb ist ja gar kein Besitzer, d.h. es besteht keine

Vindikationslage

.

Bubbles

Bubbles

28.12.2023, 13:13:08

Der Dieb war aber zum Zeitpunkt der

Beschädigung

un

mittelbarer Besitz

er der Sache. Es ist nicht

erforderlich

, dass die

Vindikationslage

fortbesteht – sie muss nur zur Zeit des haftungsbegründenden Ereignisses bestanden haben.

LELEE

Leo Lee

30.12.2023, 21:11:43

Hallo roadrunnert, wie Bubbles richtigerweise anmerkt, kann auch ein Dieb unmittelbare Besitzer einer Sache sein. Beachte stets, dass der Besitz possessorisch ist. Hier kommt es nur auf die tatsächlichen Verhältnisse an – wer übt die Gewalt hierüber aus – und nicht darauf, wer das Recht hierzu hat (dies sind die

petitorisch

en Rechte). Somit kann auch ein Dieb Besitzer einer Sache sein, weshalb auch eine

Vindikationslage

vorliegen kann :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!


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