Grundlegende Wertungskritierien

24. Oktober 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

A verkauft und liefert eine Waschmaschine an B. B verkauft und liefert diese Waschmaschine weiter an C. A ficht den Kaufvertrag mit B berechtigt an.

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Einordnung des Falls

Grundlegende Wertungskritierien

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat A hat gegen C einen Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?

Nein!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Bereicherungsgläubiger etwas ohne rechtlichen Grund an den Bereicherungsschuldner geleistet hat. Eine Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens.A hat die Waschmaschine (=etwas) an B geliefert und damit bewusst und zweckgerichtet Bs Vermögen vermehrt. Folglich lag nur eine Leistung an B, nicht aber an C vor.
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2. Hat A gegen C einen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, Alt. 2 BGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Rückabwicklung fehlgeschlagener Vertragsbeziehungen geschieht grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien (Vorrang der Leistungskondiktion). Dies wird gestützt von unterschiedlichen Wertungskriterien: (1) Die Einwendungen innerhalb des Kausalverhältnisses sollen erhalten bleiben. (2) Umgekehrt soll jede Partei vor Einwendungen aus Rechtsverhältnissen mit Dritten geschützt werden. (3) Jede Partei soll nur das Risiko der Zahlungsunfähigkeit (Insolvenzrisiko) desjenigen tragen, den sie sich selbst als Partner ausgesucht hat.B hat durch die Lieferung der Maschine ziel- und zweckgerichtet Cs Vermögen gemehrt, mithin eine Leistung erbracht. Diese vorrangige Leistungsbeziehung sperrt einen Bereicherungsanspruch des A gegen C aus Nichtleistungskondiktion (Subsidiaritätsgrundsatz).

3. Hat A hat gegen B einen Anspruch aus Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?

Ja, in der Tat!

Die Leistungskondiktion setzt voraus, dass der Bereicherungsgläubiger etwas ohne rechtlichen Grund an den Bereicherungsschuldner geleistet hat. A hat an B Besitz und Eigentum an der Waschmaschine übertragen und damit einen vermögenswerten Vorteil (=etwas). Dies erfolgte bewusst und zweckgerichtet, mithin durch Leistung. Der zugrundeliegende Kaufvertrag ist infolge der Anfechtung nichtig (§ 142 BGB), somit erfolgte die Leistung ohne Rechtsgrund.

4. Kann A von B die Rückübereignung und den Besitz der Waschmaschine verlangen?

Nein, das trifft nicht zu!

Kann das Erlangte, die Nutzungen oder das Surrogat nicht (mehr) so, wie es erlangt worden sind, herausgegeben werden, ist nach § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. Nach ganz h.M. erfasst die Herausgabepflicht aus § 818 Abs. 1 BGB nicht das, was der Bereicherungsschuldner durch ein von ihm abgeschlossenen Rechtsgeschäft (z.B. Kauf, Tausch) anstelle des Bereicherungsgegenstands erworben hat (sog. commodum ex negotiatione). Der Gläubiger soll nicht von dem Verkaufsgeschick des Schuldners profitieren.Eine Herausgabe des Eigentums und Besitzes an der Waschmaschine ist B derzeit nicht möglich, da B beides bereits an C übertragen hat. B ist deshalb lediglich verpflichtet A hierfür Wertersatz zu leisten.Umgekehrt kann B aber auch den gezahlten Kaufpreis zurückverlangen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

§🗿

§🗿

6.2.2024, 21:55:31

Nach h.M. soll der Gläubiger nicht vom Verkaufsgeschick des Schuldners profitieren (

commodum ex negotiatione

) und hat mithin kein Anspruch auf Meherlös vom Schuldner durch Verkauf. Wie ist allerdings dem Argument zu begegnen, dass der Gläubiger durch einen lediglichen Wertersatz gar keine Möglichkeit mehr hat, sein "eigenes Verkaufsgeschick" unter Beweis zu stellen? Sind hier Schadensersatzansprüche analog denkbar? Im Kauftecht ist es ja üblich, dass wenn jemandem wegen Pflichtverletzung die Möglichkeit genommen wird eine Sache profitabel zu veräußern, dies als Schaden statt der Leistung ersetzt wird.

Falsus Prokuristor

Falsus Prokuristor

3.6.2024, 16:01:32

Bei Bestehen eines Vertrages wäre diese Möglichkeit tatsächlich nicht einmal auf das Kaufrecht beschränkt. Wird beispielsweise die Rückgewähr aufgrund eines Rücktritts geschuldet und es dieser unmöglich, steht neben dem Schadensersatz statt der Leistung (§§ 346 IV, 280 I, III, 283 BGB) alternativ der Anspruch aus § 285 BGB zu. Diese weitergehende Verpflichtung des Schuldnersrechtfertigt sich aber auch dadurch, dass der Schadensersatz verschuldensabhängig ist. liegt wie hier kein EBV vor, ist neben dem Bereicherungsrecht auch das Deliktsrecht anwendbar. Die Verfügung des Nichtberechtigten stellt auch eine Eigentumsverletzung dar, § 823 I. Geschieht. Diese schuldhaft besteht der Anspruch auf Schadensersatz, welcher dein richtigerweise auch das

commodum ex Negotiatione

umfasst. Insofern besteht auch kein Wertungswiderspruch in Abhängigkeit zur Wirksamkeit des Vertrages.

Niklas3461

Niklas3461

31.3.2024, 20:31:59

Grundsätzlich muss doch das erlangte herausgegeben werden und kein Wertersatz oder ? Finde dann die letzte Frage mit dem Aufgabentext nicht kongruent, da müsste es ergänzend heißen zu einer Rückgabe ist B nicht bereit.

Amelie

Amelie

13.5.2024, 13:26:50

Die Waschmaschine wurde ja bereits an C geliefert. B hat also schon rein faktisch keine Rückgabemöglichkeit.

Paulah

Paulah

11.6.2024, 10:52:16

Mir leuchten die Wertungskriterien ein. Aber muss ich die in einer Klausur diskutieren und wenn ja, wo?

STE

Stella2244

26.6.2024, 15:03:09

Unter Umfang des Bereicherungsanspruch

CR7

CR7

16.8.2024, 15:17:00

Du sprichst es an, wenn es darum geht, dass jemand etwas von jemandem herausverlangt, der zuvor grundsätzlich nichts mit dem Bereicherungsschuldner zu tun hatte. Hier hatte bspw. C nichts mit A vorher zu tun. Du sprichst es dann regelmäßig bei § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB an, denn den § 812 I S. 1 Alt. 1 wirst du meistens schon mangels Leistung abgelehnt haben oder direkt den § 812 I S. 1 Alt. 2 BGB prüfen. Also würde ich es beim Punkt "in sonstiger Weise" ansprechen.


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