Öffentliches Recht

Verwaltungsrecht AT

Der Verwaltungsakt

Polizeilicher Platzverweis mit anschließendem Vollzug

Polizeilicher Platzverweis mit anschließendem Vollzug

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Feuerwerkliebhaber F probiert seine neuen Raketen in der gut besuchten Fußgängerzone aus. Polizistin P erkennt die Gefahr und spricht dem F einen Platzverweis für die Fußgängerzone aus. Als F dem nicht nachkommt, trägt die P den F aus der Fußgängerzone.

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Einordnung des Falls

Polizeilicher Platzverweis mit anschließendem Vollzug

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Platzverweis und die Anwendung unmittelbaren Zwangs (wegtragen) sind "hoheitliche Maßnahmen" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Genau, so ist das!

Eine hoheitliche Maßnahme ist jedes einseitige öffentlich-rechtliche Handeln im Über-/ Unterordnungs-Verhältnis. Keine hoheitliche Maßnahme ist der öffentlich-rechtliche Vertrag oder privatrechtliches Verwaltungshandeln.Der Platzverweis und die Anwendung unmittelbaren Zwangs sind einseitige Maßnahmen auf Grundlage des Polizei-/Ordnungsrechts, die die Polizei im Über-/Unterordnungsverhältnis gegenüber dem Bürger anwendet. Hoheitliche Maßnahmen liegen vor. Ist dies der Fall, ist auch die Voraussetzung „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ erfüllt.
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2. Der Platzverweis und die Anwendung unmittelbaren Zwangs sind Maßnahmen "einer Behörde" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja, in der Tat!

Eine Behörde ist jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (§ 1 Abs. 4 VwVfG).Hier hat die Polizei in Person des Polizisten P, mithin eine Behörde, gehandelt.

3. Der Platzverweis enthält eine "Regelung" (§ 35 S. 1 VwVfG).

Ja!

Eine Maßnahme besitzt Regelungscharakter, wenn sie darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. unmittelbar Rechte und Pflichten des Betroffenen zu begründen, zu ändern, aufzuheben, festzustellen oder zu verneinen. Maßnahmen mit Regelungscharakter sind abzugrenzen von schlichtem Verwaltungshandeln, Auskünften und anderen Maßnahmen, die keine Rechtsfolge setzen.Der Platzverweis begründet unmittelbar die Pflicht des F, sich vorübergehend von der Fußgängerzone fernzuhalten. Somit enthält der Platzverweis eine „Regelung“ (§ 35 S. 1 VwVfG).

4. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs enthält nach hM eine „Regelung“ (§ 35 S. 1 VwVfG).

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine Maßnahme besitzt Regelungscharakter, wenn sie darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen, d.h. unmittelbar Rechte und Pflichten des Betroffenen zu begründen, zu ändern, aufzuheben, festzustellen oder zu verneinen. Die Anwendung unmittelbaren Zwangs enthält nach hM keine „Regelung“ (§ 35 S. 1 VwVfG). Sie setzt keine verbindliche Rechtsfolge, sondern verleiht der verbindlichen Rechtsfolge einer vorangehenden "Regelung" tatsächliche Wirkung. Sie hat damit rein tatsächlichen Charakter. Folglich handelt es sich hierbei um schlichtes Verwaltungshandeln.Nach aA enthält unmittelbarer Zwang eine konkludente Duldungsverfügung, also eine Regelung den Zwang zu dulden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

REL

Relieh

29.2.2020, 20:04:10

Wäre es nicht zu vertreten, in der Anwendung körperlichen Zwanges jedenfalls

konkludent

eine Regelung des Inhaltes "sich diesem nicht zu wiedersetzen" zu erkennen?

GEL

gelöscht

18.3.2020, 00:31:34

Früher wurde es vertreten, in solchen Handlungen einen

konkludent

en

Duldung

s-VA zu sehen, da es keinen Rechtsschutz gegen

Realakt

e gab. Da man aber jetzt zB die Fortsetzungs

feststellungsklage

hat, vertritt kaum noch einer diese obige Meinung.

CH

Chrissy

4.5.2020, 17:12:18

Die Fortsetzungs

feststellungsklage

ist aber eine "Fortsetzung" von Klagen die sich gegen VA's richten, welche sich aber erledigt haben. Daher kann die FFK auch nicht

statthafte Klageart

bei

Realakt

en sein, sondern allenfalls die

Feststellungsklage

oder die

allgemeine Leistungsklage
JO

Johnny

22.5.2020, 11:02:05

Im Gegensatz zur hier vertretenen aktuell h.M., stellt UZ nach der (älteren) Rspr. des BVerwG sehr wohl einen VA dar. Dieser erledigt sich insbesondere im Bereich polizeilicher Gefahrenabwehr meist bereits vor Klageerhebung. Für solche Fälle ist kein explizites Rechtsmittel vorgesehen. Da Art 19 IV GG aber umfassenden Rechtsschutz garantiert, wurde (und wird) hier die FFK nach §113 I s.4 VwGO analog angewendet. Geht man wie die aktuell hM von einem

Realakt

aus ist Ihre Ausführung absolut zutreffend.

SARA

sarahxx

13.12.2020, 20:31:26

Stellt der „unmittelbare Zwang“ hier das Heraustragen des F von P dar? Oder war damit was anderes gemeint?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

13.12.2020, 23:13:21

Hallo Sarah, so ist es!

JANA

janaro

28.4.2022, 08:47:19

Bei lebensnaher Auslegung des Sachverhalts wäre der unmittelbare Zwang hier aber wohl noch zuvor angedroht worden, was ja einen Verwaltungsakt darstellt, könnte das vielleicht noch als Hinweis ergänzt werden? Wie es sich mit der Festsetzung von Zwangsmitteln verhält, weiß ich dagegen nicht, weil es diese in Bayern nicht gibt…

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.5.2022, 16:53:12

Hallo janaro, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat stellen sowohl die An

drohung

als auch die Festsetzung des Zwangsmittels jeweils eigene Verwaltungsakte dar. Hier in dieser Aufgabe ging es uns aber in erster Linie darum zu klären, dass der unmittelbare Zwang nach heute ganz hM eben kein eigener Verwaltungsakt ist (im Hinblick auf eine "

konkludent

en

Duldung

des Wegtragens"), sondern ein schlichter

Realakt

. Dies werden wir auch noch in der Einheit zum Verwaltungsvollstreckungsrecht einmal aufgreifen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

CR7

CR7

8.3.2023, 20:46:50

Gibt es eigentlich schon eine Einheit zum Vollstreckungsrecht?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

9.8.2024, 15:48:50

Die Einheit zum Vollstreckungsrecht findet ihr hier: https://applink.jurafuchs.de/C4o9ObXoTLb

EVA

evanici

9.9.2023, 19:47:10

Wäre der unmittelbare Zwang dann nach hM ein

Realakt

?

Paulah

Paulah

10.9.2023, 08:59:48

Mit dem Wegtragen wird kein rechtlicher, sondern ein tatsächlicher Erfolg herbeigeführt = schlichtes Verwaltungshandeln =

Realakt
JCF

JCF

24.1.2024, 16:14:51

großartige Illustration 😂

Nora Mommsen

Nora Mommsen

28.1.2024, 18:40:39

Hallo JCF, danke für das Lob! Das leiten wir direkt an unseren Illustrator weiter :) Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

VALA

Vanilla Latte

9.8.2024, 02:59:40

In NRW sind diese aber doch wegen

112 JustG

NRW ein VA oder?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

9.8.2024, 15:46:53

Hallo @[Vanilla Latte](217055), danke für Deine Nachfrage. §

112 JustG

NRW trifft lediglich die prozessuale Regelung, dass Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung generell keine aufschiebende Wirkung haben. §

112 JustG

NRW ist daher eine Ausnahmeregelung von § 80 Abs. 1 VwGO gemäß § 80 Abs. 2 S. 2 VwGO. Sie trifft allerdings keine Aussage über die rechtliche Qualität der Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung und hilft daher auch nicht bei der Klärung, ob die Anwendung des unmittelbaren Zwangs als

Realakt

oder als Verwaltungsakt eingeordnet werden muss. §

112 JustG

NRW ist einschlägig, wenn ein Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung erhoben wird, die Verwaltungsakt-Qualität haben. Also z.B., wenn die An

drohung

eines Zwangsmittel angefochten wird. Gegen Maßnahmen, die keine Verwaltungsakte sind, sind von vornherein keine Rechtsbehelfe statthaft, die die aufschiebende Wirkung von § 80 Abs. 1 VwGO auslösen würden. (Es gibt ja auch gerade keinen Verwaltungsakt, dessen Vollzug gehemmt werden könnte). Teilt man also die Ansicht, dass un

mittelbarer Zwang

reines Realhandeln ist, kommt man nicht zur Anwendung des §

112 JustG

NRW. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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