Zivilrecht
Sachenrecht
Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Rückerwerb durch den Nichtberechtigten 2
Rückerwerb durch den Nichtberechtigten 2
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V vermietet M sein Fahrrad für 2 Tage. M veräußert das Fahrrad an den gutgläubigen K. Da das Fahrrad einen unbehebbaren Sachmangel hat, tritt K wirksam vom Kaufvertrag zurück. K erhält das Geld, M das Fahrrad zurück.
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Einordnung des Falls
Rückerwerb durch den Nichtberechtigten 2
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat zunächst Eigentum am Fahrrad nach § 929 S. 1 BGB erworben.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. K hat zunächst gutgläubig Eigentum nach §§ 929 S. 1, 932 BGB erlangt.
Genau, so ist das!
3. Durch den Rücktritt vom Kaufvertrag entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis, das K zur Rückübereignung des Rads an M verpflichtet.
Ja, in der Tat!
4. Bei einer rein formalen Anwendung des § 929 S .1 BGB erlangt M durch die Rückabwicklung Eigentum.
Ja!
5. Dieses Ergebnis bedarf nach der hL einer wertenden Korrektur.
Genau, so ist das!
6. V kann von M nach hL Herausgabe des Fahrrads aus § 985 BGB nach Ablauf der Leihzeit verlangen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Christian
3.9.2020, 06:18:22
Ergebnis ist für nicht nachvollziehbar. Das Eigentum des V geht mit dem gutgläubigem Erwerbs Ks unter. Die Rechtsfolgen des gutgläubigen Erwerbs würden so unterlaufen. Der Vermieter ist auf Sekundaransprüche usw. zu verweisen, da eine Anwendung von z.B. § 242 (Rechtsmissbräuche Anwendung der Gewährungsrechte) hier nicht erkennbar ist.
Eigentum verpflichtet 🏔️
3.9.2020, 15:02:48
Hallo Christian, danke für deine Frage. Deine Ansicht wird von Teilen der Literatur vertreten (prominent: MükoBGB/Oechsler §
932Rn. 25f.) und ist sicherlich dogmatisch korrekt. Die wohl h.L. nimmt aber, wegen der Systematik der §§ 929 und
932 BGBund deren Sinn und Zweck nur gutgläubigen Dritten einen Erwerb vom Nichtberechtigten zu ermöglichen, eine teleologische Reduktion des §
929 BGBvor. Zumindest wenn sich der Rückerwerb als Rückabwicklung des Rechtsverhältnisses, das zum gutgläubigen Erwerb geführt hat darstellt, soll das Eigentum automatisch an den ursprünglichen Eigentümer zurückfallen. In der Klausur muss das Problem erkannt und erörtert werden um Punkte zu erzielen. Wir ergänzen in der Antwort, dass eine andere Ansicht aber gut vertretbar ist.
Vulpes
23.1.2021, 09:27:17
In der Erklärung steht es gäbe noch keine Rechtsprechung dazu. Der BGH hat sich gegen einen automatischen Eigentumsrückfall ausgesprochen vgl. BGH NJW 2003, 170 (171).
Lukas_Mengestu
11.5.2021, 11:51:32
Hallo Adrian, kann es sein, dass Du die folgende Entscheidung meinst: BGH NJW-RR 2003, 170? Hier hat sich der BGH nach meinem Verständnis nicht für einen automatischen Eigentumsrückfall im Fall des gesetzlichen Rückerwerbs geäußert. Vielmehr hat er den auch in der Literatur unstreitigen Fall dargestellt, dass der veräußerende Nichteigentümer von dem gutgläubigen Erwerber grundsätzlich das Eigentum zurückerwerben kann. Allerdings ist er in diesem Fall dann vertraglich / deliktisch / bereicherungsrechtlich verpflichtet, es an den ursprünglichen Eigentümer herauszugeben. Der unberechtigte Veräußerer wird hier also mit jedem anderen Erwerber gleichgestellt. Von diesem Grundsatz will die hM in einigen bestimmten Konstellationen abweichen, darunter die Rückabwicklung des
Kausalgeschäfts,
Lukas_Mengestu
11.5.2021, 11:54:46
aber auch bei einer geplanten Rückübertragung auf den Veräußerer (sofern es in diesen Fällen nicht schon an der Gutgläubigkeit des Erwerbers fehlt). Über diese Fallkonstellationen und die Lösung derselbigen hat sich der BGH meines Wissens nach noch nicht geäußert. Beste Grüße, Lukas
Martin
4.5.2021, 19:58:54
Hätte M auch dann kein Recht zum Besitz, wenn der Leihvertrag noch nicht gekündigt/abgelaufen wäre, folgt man der Ansicht, dass man zuerst die
Leihekündigen muss um das Recht zum Besitz zu zerstören? Oder erledigt sich das Recht zum Besitz durch den Wegerwerb an K? Und wie würde man das dann dogmatisch begründen?
Lukas_Mengestu
11.5.2021, 11:41:20
Hallo Martin, vorliegend besteht ein Mietvertrag zwischen V und M. Sofern die Mietdauer noch nicht abgelaufen bzw. der Vertrag noch nicht gekündigt wurde, besteht insoweit noch ein Recht zum Besitz. Vorliegend dürfte indes ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB (unbefugte Überlassung) vorliegen. Gleiches gilt in Fällen, in denen (anders als vorliegend) ein Leihvertrag zugrunde liegt. Das Herausgabeverlangen ist insoweit als
konkludente Kündigung des zugrundeliegenden Vertrages zu verstehen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
1511jura
6.7.2023, 10:42:14
Ich habe im Rep tatsächlich gelernt, dass die hM davon ausgeht, dass der "Verkäufer" der kein Eigentümer war, Eigentümer wird und dem ursprünglichen Eigentümer aus 280 und 823ff iVm 249 zur
Rückübereignungim Wege der Naturalrestitution verpflichtet ist.
Nora Mommsen
7.7.2023, 11:38:49
Hallo 1511jura, dies entspricht ja auch dem Gesetzestext und ist wie in der Lösung dargestellt durchaus vertretbar. Die herrschende Meinung sieht Bedarf für eine wertende Korrektur des Ergebnisses und hat entsprechend eine Lösung entwickelt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Raphaeljura
13.10.2023, 01:01:52
Das ist ja cool. An diese Konstellation habe ich noch nie gedacht. Danke für diesen Input!
Nora Mommsen
13.10.2023, 10:52:01
Hallo Raphaeljura, danke für die Rückmeldung! Es freut uns sehr, dass dir die Aufgabe so gut gefällt. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
kaan00
12.2.2024, 12:13:01
"Nach der Gegenansicht ist § 985 BGB zu verneinen und V auf vertragliche, deliktische und bereicherungsrechtliche Ansprüche zu verweisen." Wie verhält es sich mit vertraglichen Ansprüchen i.R.d. Meinungsstreits? Warum besteht kein Anspruch aus § 604 (1) BGB ?
Yabaus
19.2.2024, 22:38:28
Anspruch aus § 604 I besteht, ist aber auf Herausgabe des unmittelbaren Besitzes gerichtet, nicht Übertragung des Eigentums, was hier begehrt wird bzw. im Rahmen der Gegenansicht notwendig ist, da das Eigentum hiernach nicht automatisch an V zurückfällt.
ajboby90
3.4.2024, 22:58:14
Wenn man der formalen Ansicht folgt, dass M Eigentum erwirbt - nach welchen vertraglichen Ansprüchen könnte V dann
Rückübereignungvon M verlangen (und welche nicht vertraglichen Ansprüche hätte er)?
Falsus Prokuristor
30.5.2024, 16:50:10
Da die unberechtigte Veräußerung eine Pflichtverletzung gegenüber dem Eigentümer darstellt, hat er ein Schadensersatz Anspruch aus § 280. Die Veräußerung ist natürlich schuldhaft. Nach einer der Ansichten, das Eigentum nach Rückabwicklung, bei dem nicht berechtigten Veräußerer landet, hat der ehemalige Eigentümer nach
Differenzhypothese, ein Schaden in Form des Eigentumsverlustes, welche auch kausal auf der Veräußerung beruht. Er hätte demnach einen Schadensersatz Anspruch gerichtet auf Naturalrestitution. Die
Rückübereignungist dem neuen Eigentümer auch möglich.