Gutgläubiger Erwerb vom nichtberechtigten Minderjährigen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der siebzehnjährige B ist aufgrund eines Leihvertrags mit V Besitzer eines Laptops. Diesen verkauft er an K. K weiß, dass B im örtlichen Fußballverein in der U-18 Juniorenmannschaft spielt. K hält B für den Eigentümer.
Einordnung des Falls
Gutgläubiger Erwerb vom nichtberechtigten Minderjährigen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Da B minderjährig ist, ist seine dingliche Einigungserklärung zur Übertragung des Eigentums an K schwebend unwirksam (§ 108 BGB).
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. K hat Eigentum nach § 929 S. 1 BGB erworben.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. Der gutgläubige Erwerb vom nichtberechtigten Minderjährigen ist nach hM ausgeschlossen.
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Nein!
4. K Hat Eigentum nach §§ 929 S. 1, 932 BGB erworben.
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Genau, so ist das!
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DonQuiKong
10.3.2020, 08:45:39
Wieso ist es denn rechtlich neutral, fremdes Eigentum zu verkaufen? Dadurch verändern sich doch auch die Ansprüche des Eigentümers gegen den Minderjährigen. Wenn er jetzt aus geistiger Unreife Papas Porsche für 1€ verkauft, ist er danach trotzdem insolvent, oder nicht?
Stefan Thomas Neuhöfer
31.3.2020, 17:35:59
Hi, herzlichen Dank für die Frage! Du hast den Knackpunkt genau erfasst. Ob es rechtlich neutral ist, fremdes Eigentum zu verkaufen, ist umstritten. Die herrschende Meinung sieht das so, weil auf der rein dinglichen Ebene keine unmittelbar nachteilige Veränderung für den beschränkt Geschäftsfähigen eintritt. Man liest das aus dem Rechtsgedanken des § 165 BGB. Andere vertreten - wie Du - die Ansicht, dass auch die mittelbar nachteiligen Folgen gegen den beschränkt Geschäftsfähigen zu berücksichtigen seien, etwa Ersatzansprüche aus §§ 280, 816, 823 BGB. In der Klausur kommt es - wie immer - auf die Argumentation an. Beide Ansichten sind vertretbar. Ich hoffe, die Frage damit beantwortet zu haben! Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

Vulpes
23.1.2021, 09:34:36
Ich fande die Argumente der hL hier nicht nachvollziehbar. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe wurde hier behauptet, dass nur die Nachteile relevant sein sollen, die unmittelbar wirken. Anders beurteilt dir hM den gleichen SV aber wenn es um den mittelbar nachteilhaften Erwerb von Grundstücken geht, etwa wenn das Haus vermietet wird. Da waren die mittelbaren Nachteile auf einmal doch relevant...

Tigerwitsch
4.2.2021, 23:21:42
Welche Meinung vertritt denn die Rechtsprechung (insbesondere BGH) zu dieser Frage (ob es sich um eine rechtlich neutrales oder nachteiliges Geschäft handelt)?

Sambajamba10
25.11.2023, 12:44:07
@[Vulpes](105843) Du bist mE im Unrecht. Es sind unmittelbar (und nicht nur mittelbar) wirkende Nachteile, weil der Mj sodann in die Rechtsstellung des Vermieters tritt (§ 566).
n00b
10.8.2022, 08:07:09
In der einen Frage kommt es auf die Zustimmung der Eltern nicht an, während es in der nächsten (neutral gestellten Frage) aber genau daran scheitern soll...

Lukas_Mengestu
10.8.2022, 16:21:19
Hallo n00b, hier müsstest Du mir noch einmal auf die Sprünge helfen. Insgesamt werden 4 Fragen gestellt: In Frage 1 geht es um die Frage, ob die dingliche Einigung mangels Zustimmung der Eltern unwirksam ist --|> dies ist nicht der Fall, da es ein rechtlich neutrales Geschäft ist. Frage 2 behandelt den Eigentumserwerb nach § 929 S.1 BGB. -->|Da B nicht Eigentümer, sondern nur Besitzer des Laptops ist, fehlt es ihm hierfür an der Verfügungsbefugnis. Frage 3 behandelt die Frage, ob ein gutgläubiger Erwerb (§ 929 S. 1, 932 BGB) vom Minderjährigen ausgeschlossen ist --|> Nein, man kann vom Minderjährigen gutgläubig erwerben, sofern es nicht um dessen EIgentum geht. In Frage 4 folgt dann die konkrete Subsumtion im Fall. Einen Fehler kann ich insoweit nicht erkennen :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Fuchsfrauchen
7.11.2022, 22:20:45
Hi Lukas, ich bin tatsächlich über die gleiche Stelle wie n00b gestolpert. Das dingliche Geschäft ist für den Minderjährigen rechtlich neutral. In Frage 3 heißt es dann, "Träfe die Vorstellung des Erwerbers - dass der Minderjährige Eigentümer ist - zu, so scheitert die dingliche Einigung an der fehlenden Zustimmung der Eltern." Ich bringe das irgendwie noch nicht zusammen, warum er dann die Zustimmung der Eltern bräuchte. 🤔 Oder sind das einfach die unterschiedlichen Perspektiven: Der Minderjährige darf verkaufen - aber der Erwerber darf nichts von einem Minderjährigen ohne Zustimmung der Eltern erwerben!?
LexSuperior
1.1.2023, 13:56:56
@[Fuchsfrauchen](89264)en Träfe die Vorstellung des Erwerbers zu, so wäre der Minderjährige ja nicht Nichtberechtigter Veräußerer, sondern im Gegenteil ein berechtigter Veräußerer. Dann braucht er natürlich die Zustimmung der Eltern (gibt sein eigenes Eigentum weg - rechtlich nicht lediglich vorteilhaft / bzw. neutral). Wenn die Vorstellung aber falsch ist, ist der Minderjährige ein nichtberechtigter Veräußerer. Er veräußert also praktisch fremdes Eigentum. Infolgedessen ist es ein neutrales RG. Das bedeutet dann in der Folge auch, dass er keine Zustimmung der Eltern benötigt. Hoffe das ist richtig und auch verständlich geschrieben:D
Fuchsfrauchen
1.1.2023, 18:34:06
Danke LexSuperior! Jetzt macht es Sinn! ;)
Lo2te
1.2.2023, 14:35:50
Hallo, ich finde es schwierig, dass die Frage ob der gutgläubigen Erwerb von Minderjährigen ausgeschlossen ist überhaupt in der Ja\Nein Fragestellung beantwortet werden muss. Wie bereits in der Erklärung gesagt wird gibt es hier Vertretende für beide Meinungen. Ich fände schön, wenn hier die Frage konkretisiert wird auf hL oder Rechtsprechung

Lukas_Mengestu
1.2.2023, 17:06:38
Vielen Dank für den Hinweis, Lo2te! Unsere Aufgaben folgen grundsätzlich der herrschenden Meinung, da an dieser in der Regel auch die Lösungsskizzen der Klausuren im Examen ausgerichtet sind. Um dies hier noch deutlicher zu machen, haben wir dies auch entsprechend in die Fragestellung mit aufgenommen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Petrus
13.3.2023, 10:42:22
Hier wird die Argumentation teilweise darauf gestützt, dass K ein „Mehr“ bekommt, als wenn seine Vorstellung, dass der Minderjährige Berechtigter ist, zutreffen würde. Es wäre schön, wenn aus dem Sachverhalt abzulesen wäre, dass K auch weiß, dass B minderjährig ist. Ansonsten wäre seine Vorstellung ja nur, dass er von einem berechtigten Erwachsenen Eigentum erwirbt.

Nora Mommsen
14.3.2023, 12:41:45
Hallo Petrus, danke dir. Wir haben eine entsprechende Info im Sachverhalt ergänzt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
evanici
14.9.2023, 17:55:36
Kann man sagen, dass die §§ 107 ff. einfach keine Rechtsscheinsvorschriften sind und der Minderjährigenschutz auf tatsächlichen Umständen aufbaut und nicht auf hypothetischen, die Stoßrichtung also eine ganz andere ist als beim Gutglaubensschutz?
Leo Lee
16.9.2023, 16:51:32
Hallo evanici, das ist an sich kein schlechtes Argument; beachte jedoch, dass hier der Streitpunkt nicht die §§ 107 ff., sondern die §§ 932 ff. sind. Deshalb müsstest du eher mit den §§ 932 ff. argumentieren :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

der unerkannt geisteskranke E
30.11.2023, 20:10:11
Im Streit, ob von Minderjährigen gutgläubiger Eigentumserwerb möglich ist, ist doch auch zu berücksichtigen, dass die erforderliche Zustimmung auch gem. § 183 BGB als Einwilligung, also bereits vor Vornahme des Rechtsgeschäfts dem Minderjährigen gegenüber hätte erklärt werden können. Der gutgläubige Erwerber wird also nur potentiell besser gestellt also der nicht gutgläubige Erwerber, da durchaus auch bei diesem möglich ist, dass das Verfügungsgeschäft sofort wirksam, also nicht gem. § 108 I BGB schwebend unwirksam ist.
Leo Lee
2.12.2023, 20:21:24
Hallo der unerkannt geisteskranke E, es stimmt zwar völlig, dass – wie du sagst – bei einer möglichen Einwilligung gem. § 183 BGB der Erwerber nur potentiell besser gestellt wird als der nicht gutgläubige Erwerber. Beachte allerdings, dass die h.M. einen anderen Ansatz verfolgt: Hier kommt es nicht darauf an, was hätte sein können, sondern WIE ES IST/WAR für den Erwerber. Somit ist es für die h.M. i.E. egal, ob eine Einwilligung hätte erfolgen können oder nicht, da es nur darauf ankommt, ob der Erwerber gutgläubig war oder nicht gem. § 932 II BGB :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo