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Klassisches Klausurproblem

K und V schließen einen Kaufvertrag über ein Notebook und vereinbaren dabei Ratenzahlung. V übergibt und übereignet K das Notebook. Nun stellt V erschrocken fest, dass er keinen Eigentumsvorbehalt vereinbart hat. Er fordert von K die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts.

Einordnung des Falls

Nachträgliche EVB-Vereinbarung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat Eigentum an dem Notebook erlangt.

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Genau, so ist das!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. K und V haben sich unbedingt über den Übergang des Eigentums an K geeinigt. V hat K das Notebook auch übergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren K und V auch noch einig. V war ferner verfügungsbefugt.

2. Die nachträgliche Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ist hier ausgeschlossen.

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Eigentumsvorbehalt kann auch nach einer bereits erfolgten unbedingten Übereignung vereinbart werden. Problematisch ist hier, dass K bereits Volleigentümer geworden ist. Zur Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts ist nach Ansicht der Rechtsprechung erforderlich, dass das Eigentum wieder an V übertragen wird, der nun erneut an K übereignet, diesmal aber unter der aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) der vollständigen Kaufpreiszahlung.

3. K muss das Notebook an V zurückgeben, damit das Eigentum an diesen rückübertragen werden kann.

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Nein!

Die Rückübertragung des Eigentums an V kann gem. §§ 929, 930 BGB erfolgen. Auf diese Weise kann K im Besitz des Notebooks bleiben. Anschließend kann V erneut an K gem. §§ 929 S. 2, 158 Abs. 1 BGB übereignen.

4. Auch nach Ansicht der hL ist, zur Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts, eine vollständige Rückübertragung des Eigentums von K an V erforderlich.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ein großer Teil der Literatur befürwortet eine andere Lösung: K müsse nicht das vollständige Eigentum an V rückübertragen, sondern lediglich einen Eigentumsteil. Dieser Eigentumsteil ist das um die Rechtsposition des K (Anwartschaftsrecht) gekürzte Eigentum. Die partielle Übereignung an V steht dabei unter der auflösenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung (§§ 929, 930, 158 Abs. 2 BGB). Mit Eintritt der Bedingung (vollständige Kaufpreiszahlung) endet die Wirkung des Rechtsgeschäfts (Übereignung an V); mit diesem Zeitpunkt tritt der frühere Rechtszustand wieder ein (Volleigentum des K).

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AN

an223

7.3.2022, 16:36:10

Worin ist hier das Besitzmittlungsverhältnis zu sehen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2022, 17:43:10

Hallo an223, die Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses setzt einen Herausgabeanspruch zwischen mittelbarem Besitzer und Besitzmittler voraus. Beim Vorbehaltsverkauf bleibt der Verkäufer Eigentümer, solange die Bedingung der vollständigen zahlung des Kaufpreises nicht eintritt. Dem Verkäufer steht aber nach den allgemeinen Regelungen ein Rücktrittsrecht zu (§ 323 BGB). Scheitert die Vertragsdurchführung (z.B. Rücktritt des Verkäufers), so steht dem Verkäufer dann zum einen der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB zu (§ 449 Abs. 2 BGB). Außerdem hat er bei Ausübung des Rücktritts einen Herausgabeanspruch aus § 346 BGB. Dies genügt nach herrschender Meinung für die Annahme eines Besitzmittlungsverhältnisses (Schäfer, in: MüKo-BGB, 8.A. 2020, § 868 RdNr. 57 f.; Götz, in: BeckOGK-BGB, 01.01.2022, § 868 RdNr. 84.23). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

R🇺🇦

RealOmnimodo 🇺🇦

10.6.2022, 20:52:03

Da hätte ich doch noch eine Verständnisfrage: Wie kann K den Eigentum an V gem. §§ 929, 930 BGB rückübertragen? Also, welcher durchsetzbarer Herausgabeanspruch des V gegen K käme hier in Betracht? K ist doch Eigentümer geworden, also müssten sowohl § 985 BGB wie auch § 346 BGB ausscheiden?

GI

GingerCharme

14.7.2022, 10:44:49

Er rücküberträgt ja dann das Eigentum nach 929, 930. Der Herausgabeanspruch ergibt sich dann daraus, dass der Besitzende nur noch mit Fremdbesitzerwillen besitzt, für denjenigen, der bis zur vollständigen Kaufpreiszahlung noch/wieder Eigentümer sein soll (vorliegend also der Verkäufer). Also ursprünglich war der Verkäufer Eigentümer, verlor sein Eigentum, durch die versehentliche unbedingte Übereignung, nun wird Rückübertragung des Eigentums vereinbart - 929, 930, damit nicht umständlicher Weise physisch zurückgegeben werden muss. Der Verkäufer ist also wieder Eigentümer, aber diesmal unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Käufer bei vollständiger Kaufpreiszahlung automatisch erneut Eigentümer wird - so hatte ich es verstanden 😅 Deshalb Griffe 985 zwar nicht, da Recht zum Besitz, aber ein Herausgabeanspruch ergäbe sich direkt aus dem dann vereinbarten Besitzmittlungsverhältnis - hoffe das hilft, falls ich nicht selbst einem Denkfehler unterliege 😅

AD

AD23

26.7.2022, 10:33:31

Mal grundlegend: weshalb sollte K das überhaupt machen? Er ist Volleigentümer und 929 BGB setzt die Einigung voraus, welche er aus nachvollziehbaren Gründen verneinen wird und solange K nicht in Verzug gerät und brav seine Raten zahlt, kann V sich auch nicht von der Ratenzahlungsvereinbarung lösen (was nach dem oben Gesagte ebenfalls sein Nachteil wäre). Wird also hier iE die Einigung ersetzt? (falls nicht, hat V doch auch keinerlei Möglichkeiten einen Eigentumsvorbehalt "durchzusetzen" - oder habe ich hier einen Denkfehler?)

Pilea

Pilea

21.4.2023, 13:16:53

Das würde aber alles auf einer erneuten Einigung, also auch auf der Mitwirkung des K beruhen, oder?

FA

Fabian

28.6.2023, 18:25:52

ja

RA

Ray

12.9.2023, 12:14:17

Was passiert nach der anderen Meinung mit dem bereits existenten Anwartschaftsrecht des K ? Nach beiden Meinungen wird das das Eigentum an V gem. §§ 929, 930 BGB zurück übertragen. Die Literatur berücksichtigt hier lediglich das Anwartschaftsrecht des K. Dies kürzt entsprechend den Eigentumsanteil, welcher an V rückübereignet wird. Wie findet jetzt aber das Anwartschaftsrecht des K bei der anderen Meinung Beachtung ?


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