Zivilrecht

Sonstige vertragliche Schuldverhältnisse

Leihe, §§ 598ff. BGB

Verwendungsersatz nach § 601 Abs. 1 und 2 BGB sowie Rückgabepflicht nach § 604 Abs. 1 BGB

Verwendungsersatz nach § 601 Abs. 1 und 2 BGB sowie Rückgabepflicht nach § 604 Abs. 1 BGB

21. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Da Oma O einsam ist und ihre Enkelin E neben der Uni kaum Zeit für ihren Papagei hat, leiht sie O den Vogel für drei Wochen. Nach drei Wochen verlangt E den Vogel zurück. O möchte aber zunächst Ersatz für die Fütterungskosten haben. Zudem verlangt sie die Tierarztkosten für eine Operation, die der Papagei unstrittig benötigt hatte.

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Einordnung des Falls

Verwendungsersatz nach § 601 Abs. 1 und 2 BGB sowie Rückgabepflicht nach § 604 Abs. 1 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E und O haben einen Leihvertrag geschlossen. Hat E also gegen O einen Anspruch auf Rückgabe des Papageis aus § 604 Abs. 1 BGB?

Ja, in der Tat!

Gemäß § 604 Abs. 1 BGB ist der Entleiher verpflichtet, die geliehene Sache nach dem Ablauf der für die Leihe bestimmten Zeit zurückzugeben. Anderenfalls kann Rückgabe gefordert werden, nachdem der Entleiher den sich aus dem Zweck der Leihe ergebenden Gebrauch gemacht hat oder machen konnte (§ 604 Abs. 2 BGB). Ist die Dauer der Leihe weder bestimmt noch aus dem Zweck zu bestimmen, kann der Verleiher sie jederzeit zurückfordern (§ 604 Abs. 3 BGB). E und O haben sich geeinigt, dass der Papagei für drei Wochen geliehen werden soll. E hat nach Ablauf der drei Wochen daher einen Anspruch auf Rückgabe des Vogels nach § 604 Abs. 1 BGB. Die möglichen Gegenansprüche der O wären in einer Klausur im Anspruch der E als Zurückbehaltungsrechte zu prüfen (§ 273 Abs. 2 BGB). Man könnte hier auch daran denken, dass nur ein Gefälligkeitsverhältnis besteht. Aus didaktischen Gründen haben wir hier vorgegeben, dass A und O sich rechtlich binden wollten.
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2. O kann von E Ersatz für die Fütterungskosten des Papageis verlangen.

Nein!

Der Entleiher hat die gewöhnlichen Kosten der Erhaltung der geliehenen Sache, bei der Leihe eines Tieres insbesondere die Fütterungskosten, zu tragen (§ 601 Abs. 1 BGB). Ein anderes Beispiel für gewöhnliche Kosten wären die turnusmäßigen Wartungs- und Überprüfungsarbeiten bei technischen Geräten. O hat als Entleiherin gemäß § 601 Abs. 1 BGB die gewöhnlichen Kosten zur Erhaltung der geliehenen Sache und insbesondere die Fütterungskosten bei der Leihe eines Tieres selbst zu tragen. O kann daher keinen Ersatz für die Fütterungskosten des Papageis von E verlangen.

3. O kann von E Ersatz für die Tierarztkosten des Papageis verlangen.

Genau, so ist das!

Für andere Verwendungen als die der gewöhnlichen Erhaltungskosten, kann der Entleiher nach § 601 Abs. 2 S. 1 BGB nach den Vorschriften der GoA Ersatz verlangen. Die Tierarztkosten für eine besondere Operation sind keine gewöhnlichen Erhaltungskosten. Die Operation stellt auch ein fremdes Geschäft für O dar, sodass Fremdgeschäftsführungswille vermutet wird. Zudem entspricht sie dem Interesse und (mutmaßlichem) Willen der E, sodass O Ersatz der Kosten nach §§ 601 Abs. 2 S. 1 iVm. 683 S. 1, 670 BGB verlangen kann.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dogu

Dogu

11.8.2023, 15:56:02

Und das

Zurückbehaltungsrecht

folgt aus

§ 1000 BGB

? Falls ja, könnte das ja vielleicht noch ergänzt werden, da im SV die O vor Herausgabe ihre

Verwendungen

ers

tat

tet haben will.

EVA

evanici

5.9.2023, 19:27:40

Fände ich auch super, ich werfe §

273

II in die Runde :D

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

7.11.2024, 12:57:49

Hallo @[Dogu](137074), @[evanici](214760) hat hier mit dem recht unbekannten §

273

II BGB genau ins Schwarze getroffen (näher BeckOGK-BGB/Lohsse, Stand 1.12.2023, § 604 Rn 18). Wir haben die Norm jetzt in unserem Vertiefungshinweis ergänzt. Gegen

§ 1000 BGB

spricht zunächst, dass zum Zeitpunkt der Fütterung + Behandlung keine

Vindikationslage

vorlag, da O noch ein Recht zum Besitz (RzB) hatte, und es sich dementsprechend nicht um einen Fall von §§ 994 ff BGB handelt. Man könnte jetzt überlegen, §§ 994 ff

BGB analog

auf denjenigen Besitzer anzuwenden, der zum Verwendungszeitpunkt noch ein RzB hatte, dieses Recht aber später wegfällt. Raum für eine solche Analogie dürfte allerdings jedenfalls dann nicht bestehen, wenn Verwendungsersatzansprüche anderweitig abschließend geregelt sind - wie es in § 601 BGB der Fall ist (BeckOK-BGB/Fritzsche, 71. Ed, Stand 1.5.2024, § 994 Rn 9). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

EVA

evanici

5.9.2023, 19:28:19

Da die Voraussetzungen geprüft werden in den Erläuterungen, ist das ein Rechtsgrundverweis auf GoA?

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

25.9.2024, 09:18:10

Genau, du musst in der Klausur dann erst noch die zusätzlichen Voraussetzungen einer GoA prüfen

Burumar🐸

Burumar🐸

1.11.2024, 14:51:33

Liegt hier nicht eher kein

Rechtsbindungswille

vor und daher ein reines

Gefälligkeit

sverhätnis?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

1.11.2024, 16:22:08

Hey @[Burumar🐸](172315), danke für Deine Frage. Allein aus dem Umstand, dass die Oma und die Enkelin eine familiäre Beziehung zueinander haben und die Oma – wegen ihrer Einsamkeit – auch etwas „davon hat“, sich um den Papageien zu kümmern, kann man noch nicht darauf schließen, dass es sich um eine reine

Gefälligkeit

handelt. Auch die Unentgeltlichkeit der Leihe ist kein ausreichendes Kriterium zur Bestimmung. Siehe hierzu z.B. Münchener Kommentar zum BGB, 9.A. 2022, RdNr. 241: „Fehlt es an der Entgeltlichkeit, dann schließt das ein Schuldverhältnis nicht aus, wie die Existenz der sog.

Gefälligkeitsverträge

(Auftrag, Leihe etc) belegt. Die Uneigennützigkeit und Unentgeltlichkeit des Handelnden reicht deshalb für sich genommen nicht aus, um auf das Fehlen des

Rechtsbindungswille

ns zu schließen.“ Gleichzeitig ist es natürlich auch nicht ausgeschlossen, dass sich O und E vertraglich nicht binden wollten. Für die Abgrenzung zu einem Vertrag bedarf es einer Bewertung sämtlicher objektiven Umstände des

Einzelfall

es. In diesem Sachverhalt haben wir nicht genug Anhaltspunkte dafür, um diese Abgrenzung vorzunehmen. Da hier auch offensichtlich nicht der Schwerpunkt lag, kann man sich auf den Wortlaut aus dem Sachverhalt stützen und den Begriff „Leihe“ nicht nur umgangssprachlich, sondern auch rechtlich verstehen. Ich habe es im Sachverhalt jetzt aber noch deutlicher angelegt, dass es sich um einen Leihvertrag handelt. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team


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