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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V versteigert seinen VW Golf auf eBay (Startpreis: 1 €, Marktwert: 10.000 €). D bietet 1 €. K bietet 1,50 €. Danach geben nur noch V (über ein Zweitkonto) und K wechselnd höhere Maximalgebote ab. Ks letztes Gebot beträgt 9.000 €. V ist mit seinem Zweitkonto am Ende Höchstbietender. K verlangt Übergabe und Übereignung des Pkw.

Einordnung des Falls

Zulässigkeit des Shill Bidding – eBay

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat mit der Auktionseröffnung ein Angebot zum Verkauf des Golfs an den Höchstbietenden abgegeben.

Ja!

Nach § 6 Nr. 2 eBay-AGB (Stand: 1.5.2018) gibt der Verkäufer durch Einstellen eines Artikels im Auktionsformat ein verbindliches Angebot zum Vertragsabschluss über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt er einen Startpreis und eine Annahmefrist (Angebotsdauer). Die eBay-AGB sind bei der Auslegung des Verhaltens des V nach objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) zu berücksichtigen. V hat mit der Auktionseröffnung bereits ein verbindliches Angebot (§ 145 BGB) abgegeben. Das Angebot richtet sich an den Höchstbietenden, auch wenn dessen Identität zum Auktionsstart noch unbekannt ist.

2. V hat das Angebot mit seinem Zweitkonto als Höchstbietender angenommen.

Nein, das ist nicht der Fall!

BGH: Die Gebote des V mit seinem Zweitkonto seien keine rechtswirksamen Gebote, weil sie von vornherein nicht geeignet waren, einen Vertragsschluss mit einem anderen herbeizuführen (BGH, RdNr. 28). Das bestätigen auch die eBay AGB: Das auf eBay mit Eröffnung der Auktion erklärte Angebot eines Anbieters ist darauf angelegt, „einem anderen“ als dem Anbieter die Schließung eines Vertrags anzutragen. Dies ergibt sich sowohl aus den allgemeinen Regeln zum Angebot (§ 145 BGB) als auch aus § 3 Nr. 3 eBay AGB (Stand: 1.5.2018). Das Angebot kann deshalb nur durch einen vom Anbieter personenverschiedenen Bieter angenommen werden. Damit kann V nicht zugleich Verkäufer und Käufer sein. Er hat das Angebot mit seinem „Höchstgebot“ nicht angenommen.

3. Die Rechtssicherheit in Internetauktionen gebietet es, Eigengebote als wirksam zu fingieren.

Nein, das trifft nicht zu!

In der vorliegenden Konstellation sind keine schutzwürdigen Interessen des Eigenbieters V ersichtlich. Er verfolgt vielmehr das unlautere Bestreben, das Gebot künstlich in die Höhe zu treiben und sich somit missbräuchlich einen nicht vorgesehenen Mindestpreis zu sichern. Überdies ist auf Seiten des Bieters die Streichung solcher Gebote regelmäßig von Vorteil. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus etwaigen praktischen Schwierigkeiten. Denn sind die Eigengebote einmal identifiziert, können sie ohne größere Probleme aus der Angebotskette herausgenommen und der entsprechende Kaufpreis ermittelt werden.

4. K hat das Angebot des V zum Preis von 1,50 € angenommen.

Ja!

Mit der Abgabe eines Gebots erklärt sich der Bietende zur Annahme des Vertrages i.d.H. des aktuellen Maximalgebots bereit. Dabei bleibt das über ein Zweit-Konto unzulässig abgegebene Gebot eines Anbieters in der Reihe der abgegebenen Gebote unberücksichtigt. Ein regulärer Bieter muss es deshalb auch nicht übertreffen, um Meistbietender zu werden oder zu bleiben und will dies auch bei Auslegung nach §§ 133, 157 BGB nicht. K hat mit 1,50 das höchste (wirksame) Gebot abgegeben. Es ist zwischen V und K ein Kaufvertrag i.H.v. 1,50 zustande gekommen.

5. Der Vertrag ist sittenwidrig gemäß § 138 Abs. 1 BGB und aus diesem Grund nichtig.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Möglichkeit, einen Gegenstand deutlich unter dem Marktwert zu erwerben, macht gerade den Reiz von Internetauktionen aus. Daher bedarf es ganz besonderer Umstände, die auf eine verwerfliche Gesinnung des Auktionsteilnehmers schließen lassen. Diese liegen hier aber bereits deshalb nicht vor, weil Ks letztes Gebot 9.000 € betrug und ihm damit nicht anzulasten ist, nur einen Preis weit unterhalb des Marktwertes zu zahlen bereit gewesen zu sein (BGH, RdNr. 43).

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Simon

Simon

5.10.2020, 01:09:21

Mir erschließt sich noch nicht ganz, weshalb die Annahme von K zu 9000 € per se unbeachtlich sein soll. Das Angebot des V richtet sich an denjenigen, der zum ZP des Ablaufs der Auktion Höchstbietender ist: Klar ist insofern, dass V sein Angebot nicht selber annehmen kann, sodass er als Höchstbietender ausscheidet. Dies ist im SV der K mit seinem Gebot iHv 9000 €. Zu einem KP von 1,50 € gelangt man dann nur, wenn man alle vorherigen Gebote des K für unbeachtlich hält. Dies hätte ich aber nicht automatisch angenommen, sondern K allenfalls ein Anfechtungsrecht nach §123 I Alt. 1 zugestanden, sodass seine Gebote gem. §142 I ex tunc nichtig wären. Vlt kann mir ja jmd weiter helfen, wie man zur automatischen Unwirksamkeit von K's Geboten gelangt...

JMG

JMG

10.10.2020, 22:52:44

Aus der Fundstelle: Der KV sei jedoch nicht in Höhe von 1,50 €, sondern auf Grundlage des letzten, auf [9.000€] lautenden Gebots des K geschlossen worden [...]. K habe zu diesem Zeitpunkt nicht damit gerechnet, dass die [anderen] Gebote vom Anbieter selbst in der Absicht der Preismanipulation abgegeben worden seien. Dementsprechend seien sämtliche Gebote des K nach §§ 133, 157 BGB als eigenständige, wirksame Gebote in Höhe des jeweiligen Nennwerts auszulegen, und auch der [V] habe sie ungeachtet seiner Unredlichkeit in dieser Weise verstehen dürfen. Das unredliche Verhalten des Beklagten gebe dem Kläger vielmehr nur das Recht, seine WE wegen einer arg. Täuschung anzufechten o. SE zu verlangen.

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

14.3.2021, 16:23:23

Hallo ihr beiden, JMG das ist die Argumentation des

OLG Stuttgart

, dessen Urteil der BGH aufgehoben hat. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass K eben nur ein Gebot von 1,50

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

14.3.2021, 16:25:49

und nicht von 9000€ abgegeben hat. Begründung: Die Eigengebote des V waren unwirksam und der K musste sie deshalb weder überbieten, noch wollte er dies (nach Auslegung gemäß 133,157 BGB unter Berücksichtigung der ebay AGB).

Avalory

Avalory

7.5.2023, 20:30:56

Finde ich zu kurz gedacht - wäre der Preis nicht im Bereich der 9000€ gelandet, so hätten sich nahezu mit Sicherheit andere potentielle Käufer noch für den Kauf interessiert und das Auto gerne für zB 2 € genommen… Klar, sehe ich die Verwerflichkeit des Scheingeschäfts, muss aber auch hinzufügen, dass es ebenfalls verwerflich ist, jemandem mit 1 € ein Auto abziehen zu wollen, es ist offenkundig, dass niemand als Verkäufer mit so einem Kaufvertrag einverstanden wäre.

SER

Seriouz0G

11.5.2023, 21:12:51

Naja, einerseits ist es richtigerweise nicht der Regelfall, dass ein Auto für 1€ verkauft wird. Andererseits ist es ja ein bewusst eingegangenes Risiko des Verkäufers, da er damit rechnen muss, dass der Käufer, i.R. einer Ebay-Auktion, versucht ein Schnäppchen zu erzielen. Außerdem hätte V, um sich zusätzlich abzusichern, sein Angebot mit einem Mindestpreis aufschiebend bedingen können. Damit hätte er das Zustandekommen des Vertrages zu einem, aus seiner Sicht, zu niedrigen Kaufpreis verhindern können. Insofern sprechen m.E. die besseren Argumente gegen eine besondere Schutzwürdigkeit des V.

ri

ri

15.8.2021, 12:42:01

Kann man hier 117 I / dessen Rechtsgedanken analog heranziehen?

Simon

Simon

22.8.2021, 22:42:21

Interessanter Gedanke. Eine vergleichbare Interessenlage könnte man wohl durchaus annehmen. Denn da V seine Willenserklärung gegenüber sich selber abgibt, kann man argumentieren, er habe die Erklärung mit Einverständnis des Empfängers (also sich selber) nur zum Schein abgegeben. Allerdings denke ich, dass es hier an der planwidrigen Regelungslücke fehlt. Eine WE, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, aber an sich selber abgegeben wird, ist schon aus diesem Grund nichtig: Man selber kann eben kein "anderer" sein. Daher bedarf es mE gar nicht des Gedankens, dass die WE nach § 117 I analog nichtig ist.

S.

s.t.

3.9.2021, 12:29:31

Wieso wird hier nicht 181 Insichgeschäft nicht thematisiert ?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.12.2021, 13:07:01

Hallo s.t., das Insichgeschäft behandelt die Konstellation, dass ein Vertreter für sich und eine von ihr vertretene Person handelt, also zB die Eltern, die mit dem Kind ein Geschäft abschließen, welches sie selbst vertreten. Die Norm dient dazu, den Vertretenen davor zu schützen, dass der Vertreter unter Umständen zu seinem Nachteil agiert. V hat sich hier aber nicht "vertreten", sondern hat vielmehr einfach mit sich selbst einen Vertrag abgeschlossen. Das unterfällt aber nicht §

181 BGB

. Im Hinblick auf die anstehenden Neujahrsvorsätze stellt sich dann vielleicht die Frage, ob ich aufgrund der Unanwendbarkeit des §

181 BGB

dann tatsächlich einen Vertrag mit mir selbst schließen kann. Terminologisch setzt der Bestand eines Schuldverhältnisses aber immer voraus, dass Gläubiger- und Schuldnerseite nicht vollständig identisch sind. Ein Vertrag mit mir selbst, kann somit bereits nicht entstehen. Dies kann auch nachträglich geschehen (zB beerbt der Schuldner seinen Gläubiger). In diesem Fall spricht man von Konfusion und die Forderung (bzw. das ganze Schuldverhältnis) erlischt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

3.2.2022, 20:01:05

Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass das Gebot/die Annahmeerklärung des V an sich selbst nicht wirksam sei. Das Gebot des V ist jedoch schon gar keine Willenserklärung (WE). Eine WE bedarf eines subjektiven Erklärungsbewusstsein, also des Willens sich überhaupt rechtlich erheblich zu äußern. Da der Vertragsschluss mit sich selbst nicht möglich ist, ergibt sich der Wille zur rechtlichen Erheblichkeit nicht aus dem Willen zur Annahme des eigenen Angebots. Die rechtliche Erheblichkeit könnte allenfalls in dem Willen, die jeweils vorherige Annahmeerklärung des D rechtlich unwirksam zu machen, zu sehen sein. Ds Erklärungen sind jedoch allesamt noch wirksam. Sie können ihre Rechtswirkung bloß nicht mehr entfalten, da die aufschiebende Bedingung, unter der sie nach 158 I BGB abgegeben wurden, nicht mehr eintreten kann. Die Bedingung ist, dass Ds Gebot zum Ende der Auktion das höchste ist. Indem V D immer wieder überboten hat, hat er den Eintritt dieser Bedingung unmöglich gemacht. Dabei handelt es sich um einen rein tatsächlichen Erfolg, der die Rechtslage in keinster Weise verändert hat. Vs Äußerung zielte also auf eine rechtlich unerhebliche Tatsachenveränderung ab. Weitere Anknüpfungspunkte für ein Erklärungsbewusstsein des V sind nicht ersichtlich. V hatte folglich keines und damit auch keine WE abgegeben.

Sambajamba10

Sambajamba10

24.8.2023, 22:33:33

Du verkennst hier aber, dass es des Erklärungsbewusstseins für das Vorliegen einer WE nicht bedarf, sobald ein

potentielles Erklärungsbewusstsein

gegeben ist. Objektive Dritte dürfen und können die Erklärung durch den Zweitaccount des V nur als WE verstehen, sodass auch eine WE vorliegt.

RAP

Raphaeljura

6.5.2023, 08:36:35

Was wäre wenn ein Freund des V den Preis hochgetrieben hätte? Wird dann eine Fiktion gemacht?

Carl Wagner

Carl Wagner

6.5.2023, 13:58:55

Vielen Dank für deine Frage, Raphaeljura! Schaltet der Verkäufer einen Strohmann ein, der den Preis hochtreiben soll, ohne dass diese Person tatsächlich selbst Interesse an der Ware hat, sind deren Gebote als Scheingeschäft gem. § 117 I BGB nichtig. (MüKoBGB/Armbrüster, 9. Aufl. 2021, BGB § 116 Rn. 3). Da die Gebote des Strohmanns gem. § 117 I BGB unwirksam sind, ist das letzte wirksam abgegebene Gebot eines Dritten (mit echtem Kaufinteresse) für den Vertragsabschluss entscheidend (vgl. OLG Rostock Urt. v. 11.6.2014 – 1 U 90/13, BeckRS 2015, 2441 Rn. 47 ff.; Eckel, MMR 2017, 373 (376 f.)). Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

SER

Seriouz0G

11.5.2023, 20:40:57

Wie würde die Situation denn aussehen, wenn mehrere Leute bieten? Bspw. A, B und C, sowie ein Strohmann, der zwischenzeitlich die Gebote hochtreibt und die anderen dadurch zum weiteren Bieten „motiviert“. Angenommen A böte 5€, B dann 10€, dann schaltet sich der Strohmann ein und bietet 50€, woraufhin C das finale Gebot zu 55€ abgibt. Ist der Vertrag dann mit B zu 10€ zustande gekommen oder mit C zu 55€?

SER

Seriouz0G

11.5.2023, 20:49:12

Sorry für die Ergänzung, aber ich bin da gerade etwas am strugglen. Wie sähe es denn aus, wenn A 5€ böte, der Strohmann dann 50€, B 55€ und C final 70€. In diesem Fall wäre ja das wirksames Zwischengebot eines Dritten (B) zwischen dem des Strohmanns und dem letztendlich Höchstbietenden (C). Wäre dieser Umstand denn anders zu bewerten?

SI

silasowicz

5.8.2023, 22:16:43

Ganz sicher bin ich mir nicht, aber ich vermute, C würde es zu dem Preis bekommen, der notwendig ist um den letzten "echten" Bieter zu übertreffen. Also wenn B 10 Euro geboten hat würde C es für 11 Euro bekommen (ich gehe jetzt davon aus, dass das bei Ebay in 1-Euro-Schritten raufgeht...), da die Strohmann-Gebote alle nichtig sind.

EB

Elias Von der Brelie

19.6.2023, 23:06:25

Alles basierend auf echten Fällen. Mein Beileid geht raus an all die Leute die ihr Auto ausversehen für ~1€ auf Ebay verkauft haben :')

Sambajamba10

Sambajamba10

24.8.2023, 22:37:55

Beileid haben diese Leute mE gerade nicht verdient

0815jurafuchs

0815jurafuchs

13.2.2024, 11:53:20

Bei mir scheint am Ende der Aufgabe text zu fehlen

Zoe

Zoe

22.7.2024, 16:39:21

hey, kurze Frage: im SV steht „D hat 1,50 €“ geboten und dann kam V und K. Irgendwie sind mir die Personenverhältnisse nicht klar. Ist der K eigentlich der D?

JUDI

judith

22.7.2024, 16:50:57

D und V sind nicht personenidentisch. V ist der Anbieter/Verkäufer. D ist ein Kaufinteressent, der das Angebot des V mit 1€ annahm. Der K möchte den VW Golf ebenfalls kaufen und bietet dann 1,50€. Damit wurde der D überboten. V der das Inserat auf ebay eingestellt hat und mit der Auktionseröffnung ein Angebot zum Verkauf des Autos an den Höchstbietenden abgegeben hat, loggte sich dann über ein zweites Konto ein. Über das zweite nahm er dann an seiner eigenen Auktion teil, um den Preis „künstlich“ in die Höhe zu treiben.


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