Zivilrecht

Sachenrecht

Vindikation & Eigentümer-Besitzer-Verhältnis

Normalfall Verwendungsersatzanspruch des gutgläubigen Besitzers, notwendige Verwendungen, § 994 BGB

Normalfall Verwendungsersatzanspruch des gutgläubigen Besitzers, notwendige Verwendungen, § 994 BGB

19. Mai 2025

11 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V gutgläubig ein Mountainbike, nicht wissend, dass dieser psychisch erkrankt ist. Nach einigen Tagen bricht eine der Speichen, die K reparieren lässt. Kurz darauf fordert der gesetzliche Vertreter des V das Fahrrad heraus.

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Einordnung des Falls

Normalfall Verwendungsersatzanspruch des gutgläubigen Besitzers, notwendige Verwendungen, § 994 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Es bestand eine Vindikationslage.

Genau, so ist das!

Dazu musste ein Vindikationsanspruch vorliegen. Dieser setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. V war ursprünglich Eigentümer. Da er nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähig war, ist die dingliche Einigung (§ 929 S. 1 BGB) nichtig. Er hat das Eigentum daher nicht verloren. K war Besitzerin. Da auch der Kaufvertrag aufgrund der Geschäftsunfähigkeit nichtig ist, bestand auch kein Besitzrecht zugunsten der K.
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2. K kann von V Ersatz der Reparaturkosten verlangen, wenn die Voraussetzungen des Verwendungsersatzanspruchs nach § 994 Abs. 1 BGB vorliegen.

Ja, in der Tat!

Die Voraussetzungen für einen Verwendungsersatzanspruch aus § 994 Abs. 1 BGB sind (1) eine Vindikationslage, (2) Vornahme einer notwendigen Verwendung durch den Besitzer und (3) Gutgläubigkeit und Unverklagtheit des Besitzers.

3. Die Reparatur der Speiche stellt eine Verwendung dar.

Ja!

Verwendungen sind Vermögensaufwendungen, die der Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer Sache dienen. Die Zahlung für die Reparatur stellt ein freiwilliges Vermögensopfer, also eine Aufwendung dar. Diese diente auch der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit des Fahrrades. Mithin handelt es sich um eine Verwendung.

4. War die Verwendung auch notwendig?

Genau, so ist das!

Notwendige Verwendungen sind solche, die objektiv erforderlich sind, um die Sache in ihrer Substanz oder ihrer Nutzbarkeit zu erhalten. Mit einer gebrochenen Speiche kann das Fahrrad nicht für seinen vorhergesehenen Zweck genutzt werden. Die Reparatur war dementsprechend objektiv notwendig, um die Nutzbarkeit wiederherzustellen.

5. Da K nicht redlich war, scheidet ein Anspruch auf Verwendungsersatz aus.

Nein, das trifft nicht zu!

Redlich ist der Besitzer, wenn er unverklagt und gutgläubig ist. K wusste nichts von der Krankheit des V. Es sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, nach denen sie davon wissen musste. Sie war auch unverklagt. Mithin war K redlich und ein Anspruch aus § 994 Abs. 1 BGB besteht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vincent

Vincent

5.12.2024, 17:08:08

Wie unterscheidet sich 994 Abs.1 von Abs.2 ? Wäre beispielsweise ein Austausch von Bremsen da diese abgefahren sind unter Abs.2 zu fassen, da dies

gewöhnliche Erhaltungskosten

wären ?

Paulah

Paulah

30.1.2025, 14:07:28

@[Vincent](211990) Ich nehme an, du meinst § 994 Abs. 1 S. 1 BGB versus § 994 Abs. 1 S. 2 BGB. Jauernig/Berger, 19. Aufl. 2023, BGB § 994 Rn. 1 spricht davon, dass die notwendigen

Verwendung

en "bei Betrachtung ex ante zur Erhaltung und ordnungsmäßigen Bewirtschaftung der Sache obj

erforderlich

" sind und dem dem Eigentümer daher eigene Auslagen ersparen. BeckOGK/Spohnheimer, 1.11.2024, BGB § 994 Rn. 68 definiert

gewöhnliche Erhaltungskosten

als regelmäßig wiederkehrende Ausgaben zur laufenden Unterhaltung der Sache, die man als Besitzer von vornherein veranschlagen muss, die periodisch anfallen und vorhersehbar sind. Als Beispiele werden u. a. Kosten für Inspektionen und Reparaturen aufgrund gewöhnlichen Verschleiß‘ und Kosten für die Beseitigung von Schäden aufgrund bestimmungsgemäßen Gebrauchs angegeben. Vor dem Hintergrund würde ich einen Austausch von abgefahrenen Bremsen als

gewöhnliche Erhaltungskosten

ansehen.

paulmachtexamen

paulmachtexamen

10.12.2024, 13:44:32

Kann K denn auch dann

Verwendung

sersatz verlangen, wenn aufgrund ihres Ver

schuld

en die Speichen überhaupt erst kaputt gegangen sind?

DO

Dominikpolitics

28.12.2024, 15:45:09

Gute Frage, im Ergebnis denke ich schon. Mglw. könnte man an ein Mitver

schuld

en iSv § 254 BGB denken, dass den

Verwendung

sanspruch kürzt (P: Anwendbarkeit). Letztlich würde ich aber wahrscheinlich auf die c.i.c. springen und einen Gegenanspruch prüfen und dann entsprechend aufrechnen. Wie sieht @jurafuchs das?

HANDE

HanDerenoglu

1.1.2025, 20:07:19

Kann bitte JuraFuchs dazu Stellung nehmen

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

28.4.2025, 11:12:10

Hallo @Anonym 1, hallo @[HanDerenoglu](278097), im Detail keine leichte Frage! Die grundlegenden Voraussetzungen eines

Verwendungsersatzanspruch

s aus § 994 I BGB dürften in der Person des K unproblematisch bestehen. Schwieriger wird es dann schon bei der Frage des § 254 I BGB, @[Dominikpolitics](248886). Seinem Wortlaut nach ist er nur auf SchE-Ansprüche anwendbar. Zum Anspruch auf

Verwendung

sersatz aus

§ 996 BGB

habe ich bei meiner kurzen Recherche nichts Konkretes gefunden. Diskutiert wird nur eine (zumindest analoge) Anwendung auf bestimmte Aufwendungsersatzansprüche, wobei sich dazu in der Rspr über verschiedene Instanzen und Gerichtsbarkeiten kein einheitliches Bild zeigt. Nach einigen Stimmen in der Lit soll § 254 I BGB zumindest auf solche Aufwendungsersatzansprüche anwendbar sein, die "

schaden

sersatzähnlichen Charakter" haben (so wörtlich Staudinger/Höpfner, BGB, Neubearb 2021, § 254 Rn 20, ganz ähnlich BeckOGK-BGB/Looschelders, Stand 1.3.2025, § 254 Rn 66). Das alles spricht mE dafür, dass wir § 254 I BGB auf

§ 996 BGB

nicht ohne Weiteres anwenden können. V könnte gegen den Anspruch des K höchstens noch aufrechnen, falls ihm ein Gegenanspruch zustünde. Über einen Anspruch aus cic kann man bei einem nichtigen Vertrag natürlich nachdenken, den

Schaden

könnte man in dem zu zahlenden

Verwendung

sersatz an K sehen. Allerdings sehe ich jedenfalls ein Problem mit dem Vertretenmüssen. K mag zwar die Speichen

schuld

haft beschädigt haben. Er wusste aber nicht (und konnte zu diesem Zeitpunkt auch nicht wissen), dass es sich bei dem Fahrrad (immer noch) um Eigentum des V handelte. Vielmehr ging er davon aus, es handle sich um sein eigenes Fahrrad. Dementsprechend handelte er weder

vorsätzlich

noch fahrlässig hinsichtlich der Verletzung einer vorvertraglichen Pflicht, irrte nämlich

schuld

los über die Rechtslage (vgl BeckOGK-BGB/Riehm, Stand 1.8.2023, § 280 Rn 189). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

MI

millisiewert

14.2.2025, 17:26:34

Und K kann hier nicht gutgläubig von V Eigentum erworben haben, weil bei einer (nichterfolgten) Einigung mit einem Geisteskranken immer ein

Abhandenkommen

vorliegt?

BEN

benjaminmeister

1.3.2025, 18:43:48

Die Falllösung sagt dich gar nicht, dass K gutgläubig Eigentum erworben hat. Was richtig ist, dass K gutgläubig hinsichtlich seines Besitzrechtes war. Das ein

Abhandenkommen

iSd. § 935 vorliegt, ist für die Gutgläubigkeit unerheblich.

BEN

benjaminmeister

1.3.2025, 18:45:54

Korrekt, K konnte hier wegen dem

Abhandenkommen

nicht gutgläubig Eigentum erwerben.


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