Zivilrecht
Sachenrecht
Der Besitzschutz
Anspruch des Verkäufers auf (vorläufige) Rückgabe der Sache gem. § 861 Abs. 1 BGB
Anspruch des Verkäufers auf (vorläufige) Rückgabe der Sache gem. § 861 Abs. 1 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Käufer K und Verkäufer V haben einen Kaufvertrag über eine Vase geschlossen. Trotz wiederholter Aufforderung liefert V nicht. K holt sich die Vase daraufhin selbst aus dem Lager des V.
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Einordnung des Falls
Anspruch des Verkäufers auf (vorläufige) Rückgabe der Sache gem. § 861 Abs. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hat gegen V einen Anspruch auf Eigentumsverschaffung aus dem Kaufvertrag.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. K handelte mit verbotener Eigenmacht (§ 858 Abs. 1 BGB), als er die Vase an sich nahm.
Ja!
3. V hat gegen K einen Anspruch auf Rückgabe der Vase (§ 861 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
4. K kann dem V seinen Eigentumsverschaffungsanspruch aus dem Kaufvertrag entgegenhalten.
Nein, das trifft nicht zu!
5. Wenn V von K Herausgabe der Vase nach § 861 BGB verlangt, kann K die Herausgabe verweigern mit dem Einwand, dass V ihm die Vase nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB augenblicklich wieder zurückgeben müsste (dolo agit, § 242 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Manu1511
11.11.2019, 13:29:38
Wäre es evtl. hilfreich für den Überblick der gesamten Rechtslage, die Möglichkeit des Käufers einer
petitorischen
Widerklagemit in die Lösung aufzunehmen? Mich hat die Rechtslage immer verwirrt, da es sich mir ohne diesen Hinweis nicht erschloss, wie das in der Praxis nun gehandhabt würde.
Christian Leupold-Wendling
12.11.2019, 15:55:12
Wenn V eine Klage gegen K erhebt aus verbotener
Eigenmacht, § 861 Abs. 1 BGB (
possessorischer Besitzschutz), darf K dem V nicht entgegenhalten (d.h. er hat keine Einwendung), dass er ja einen Anspruch Besitzverschaffung aus dem Kaufvertrag habe (das folgt aus § 863 BGB). Soweit ist es im Fall hier besprochen. Nun zu Deiner Frage: Was § 863 BGB dem K nicht verbietet, ist im Prozess V gegen K auf Herausgabe aus §
861 BGBWiderklage
zu erheben auf Besitzverschaffung aus Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 S. 1 BGB). Das Problem ist, dass daraus eine völlig sinnlose Verurteilung folgen könnte: K würde dann verurteilt wegen verbotener
Eigenmacht, dem V den Besitz wieder einzuräumen. Und V würde verurteilt, dem K den Besitz einzuräumen wegen der materiell-rechtlichen Rechtslage (Kaufvertrag). Das Gericht hat zwei Möglichkeiten: 1) Ein Teilurteil über den possessorischen Anspruch des V zu fällen. Denn der possessorische Anspruch ist regelmäßig leichter zu prüfen und eher entscheidungsreif. 2) Wenn beide Ansprüche entscheidungsreif sind, in analoger Anwendung des § 864 Abs. 2 BGB die Entscheidung aus der materiell-rechtlichen Besitzlage heraus treffen. Der possessorische Anspruch aus Besitz des V wäre ist dann erloschen. Wir haben geprüft, ob wir das Thema hier noch in den Fall aufnehmen sollten. Wir denken aber, dass es im Modul ZPO besser aufgehoben wäre. Einverstanden?
Manu1511
13.11.2019, 14:24:47
D‘accord :-)
Jimmy105
7.9.2024, 08:46:14
eine Verlinkung zu der ZPO Aufgabe wäre super 😀
🔥1312🔥
27.6.2022, 07:36:05
Für mich ist der Normtext des § 863 etwas verwirrend und ich lese dort nicht so richtig, dass
petitorischeEinwendungen nicht geltend gemacht werden können. Dort steht doch, dass sie nur dahingehend geltend gemacht werden können dass die Störung/der Entzug keine verboten
Eigenmachtdarstellen. Aber wenn ein Entzug/Störung keine
verbotene Eigenmachtdarstellen bestehen doch auch die Ansprüche aus §§ 861, 862 nicht und die possesorischen Ansprüche würden tatsächlich durch die regelmäßig durch die
petitorischeEinwendung vereitelt oder?
Lukas_Mengestu
30.6.2022, 11:45:10
Hallo 1312, die Formulierung des § 863 BGB ist leider etwas "unglücklich" (so MüKoBGB/Schäfer, 8. A. 2020, § 863 Rn. 6) bzw. "misslungen" (so BeckOGK/Götz, 1.4.2022, § 863 Rn. 6). Im Hinblick auf den Zweck der Besitzschutzregelungen, schnellen und effektiven Rechttschutz zu erlangen sowie die
verbotene Eigenmachtabzuw
ehren, ist deswegen anerkannt, dass sich Einwendungen des Störers lediglich auf
besitzrechtliche Einwendungen beschränken (MüKoBGB/Schäfer, 8. A. 2020, § 863 RdNr. 1). Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Sandra-
30.9.2024, 15:06:25
Vereinfacht gesagt kann der
Anspruchsgegneralso wegen der Klarstellung in § 863 BGB zwar sagen, "das sei vorliegend keine
verbotene Eigenmacht". Der
Anspruchsgegnerdarf aber nicht einwenden, "man habe einen
Herausgabeanspruch, z.B. weil der Kaufpreis bereits bezahlt wurde". So müsste es richtig sein, oder? :-) Ansonsten könnte man in einem Prozess, in dem Besitzschutz aus §§ 861,
862 BGBeingeklagt wird, ja immer mit der Einwendung "man habe ja einen
Herausgabeanspruch" kommen und so den Prozess zum erliegen bringen. Ein possessorischer Anspruch aus §§ 861,
862 BGBwäre dann nichts wert.
Rechthaber
11.6.2024, 16:42:53
Würde sich hier überhaupt unabhängig von 863 BGB eine dolit agit Einrede ergeben, da der Verkäufer, unterstellt es handelt sich um eine
gattungsschuld, erstmal die Möglichkeit haben muss zu konkretisieren, sodass der Käufer vor der Konkretisierung keinen Anspruch auf eine bestimmte Vase aus dem Lager des Verkäufers hat, sondern nur auf Leistung eines Exemplares aus der vereinbarten Gattung ?