Normalfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Unternehmer U schickt seinen Arbeitnehmer A zu Richterin R nach Hause, damit er dort ein neues Bücherregal für die BGHZ-Sammlung der R aufbaut. A ist narkolepsiekrank und weiß dies auch. Während er das Regal aufbaut, schläft er plötzlich ein und sackt zusammen. Dabei entgleitet ihm das Regal aus den Händen und zerstört das Macbook der R (Wert: €1.000).
Einordnung des Falls
Normalfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. R kann von A Schadensersatz für das Macbook aus § 823 Abs. 1 BGB verlangen.
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Nein!
2. A ist Verrichtungsgehilfe des U, sodass hinsichtlich U eine Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.
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Genau, so ist das!
3. Sofern A ohne Verschulden handelte, ist auch die Haftung des U nach § 831 BGB für die Schadenszufügung im Rahmen der Verrichtung ausgeschlossen.
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Nein, das trifft nicht zu!
4. Die Schädigung durch A erfolgte "in Ausführung der Verrichtung" (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB).
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Ja!
5. U haftet für die widerrechtliche Schädigung durch seinen Verrichtungsgehilfen, sofern er nichts zu seiner Entlastung vortragen kann.
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Genau, so ist das!
Fundstellen
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<isa_hh>
3.4.2023, 18:47:34
Mir ist klar, dass sich 831 auf das Verschulden des Geschäftsherrn bezieht und es gerade nicht auf das Verschulden des Verrichtungsgehilfen (abgesehen von 823 Abs. 2 und 826) ankommt - allerdings setzt doch 823 Abs. 1 auch Verschulden voraus. Diesbezüglich verstehe ich nicht, dass es für 823 Abs. 1 ausreicht, wenn widerrechtlich eine unerlaubte Handlung begangen wurde.
<isa_hh>
4.4.2023, 10:56:56
Ich glaube, ich kann es inzwischen selbst beantworten .. tatbestandlich setzt 823 Abs. 1 die unerlaubte (rechtswidrige - Lehre vom Erfolgsrecht) (Verletzungs-)Handlung voraus. Auf das Verschulden kommt es nur an, wenn dies vom Tatbestand vorausgesetzt wird (wie bei 823 Abs. 2 und 826). Verschulden ist bei 823 Abs. 1 aber kein Teil vom Tatbestand.

Lukas_Mengestu
4.4.2023, 12:32:05
Hallo isa_hh, das geht schon in die richtige Richtung. Aus dem Wortlaut des § 831 BGB ergibt sich, dass es genügt, dass der Verrichtungsgehilfe eine WIDERRECHTLICHE Handlung begeht. Es ist gerade keine Voraussetzung, dass er eine widerrechtliche UND SCHULDHAFTE Handlung begeht. Da die Deliktsfähigkeit nach dem dreistufigen Deliktsaufbau (Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld) erst im Rahmen der Schuld relevant wird und - wie Du richtig festgestellt hast - kein Tatbestandsmerkmal des § 823 Abs. 1 BGB ist, kommt es im Rahmen des § 831 BGB auf das schuldhafte Handeln des Gehilfen somit nicht an. Ich hoffe, es ist jetzt noch einmal klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
nataliaco
19.9.2023, 12:34:34
Dazu habe ich allerdings noch eine Frage: Fehlt es hier nicht schon an der Verletzungshandlung und somit am Tatbestand des § 823 I? Diese setzt doch ein überhaupt menschlich steuerbares Verhalten voraus, das bei bloßen körperlichen Reflexen oder vis absoluta fehlt. Ist eine Krankheit wie Narkolepsie, bei der der Betroffene körperliche Reaktionen wie hier das Einschlafen gar nicht willentlich steuern kann, nicht damit vergleichbar?

Lukas_Mengestu
19.9.2023, 17:40:37
Sehr guter Hinweis, nataliaco! In der Tat setzt die Verwirklichung des Tatbestandes ein menschlich beherrschbares Verhalten voraus. Wir haben hier präzisiert, dass A von seiner Narkolepsiekrankheit wusste. Anknüpfungspunkt ist insoweit nicht die konkrete Verletzungshandlung, sondern bereits die Übernahme der Tätigkeit trotz Kenntnis von seiner Erkrankung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Dodo
21.9.2023, 20:20:33
Und dann ist das Verschulden nicht gegeben? Bei einer VSP bei Kenntnis der Krankheit?
Nilson2503
9.10.2023, 21:59:25
Ich denke auch, dass durch die Kenntnis der Krankheit und das Abstellen auf die Übernahme der Tätigkeit ein Verschulden anzunehmen wäre.