Leistungsnähe II - Gäste

15. Mai 2025

10 Kommentare

4,7(7.944 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

M lebt in einer Kreuzberger Wohnung, die er von Hausbesitzerin H gemietet hat. Regelmäßig lädt er Freunde zum Kochen ein. Als seine Freundin F sich nach einem köstlichen Mahl auf den Heimweg macht, tritt sie auf eine morsche Holzstufe und bricht sich dabei das Bein. H wusste, dass die Treppe morsch war.

Diesen Fall lösen 65,9 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Leistungsnähe II - Gäste

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F könnte gegen H ein Schadensersatzanspruch nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung Dritter (VSD) zustehen.

Ja!

Zunächst muss ein Vertrag zwischen Gläubiger und Schuldner bestehen. Die Einbeziehung nach dem VSD setzt sodann (1) Leistungsnähe des Dritten, (2) Einbeziehungsinteresse des Gläubigers, (3) Erkennbarkeit für den Schuldner und (4) Schutzbedürftigkeit des Dritten voraus. LeGES: Leistungsnähe, Gläubigernähe, Erkennbarkeit, Schutzbedürftigkeit. Für Lateinliebhaber: Leges ist der Plural von "lex" und bedeutet übersetzt "Gesetze".
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Im Hinblick auf die Gefahren, die von dem Haus ausgingen, lag für F Leistungsnähe vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Leistungsnähe bedeutet, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommt und den Gefahren einer Pflichtverletzung ebenso ausgesetzt ist wie der Gläubiger. Zu fragen ist, ob der Dritte mit der Verletzung der Nebenpflicht, die Rechtsgüter des anderen zu schützen (§ 241 Abs. 2 BGB), typischerweise ebenso in Berührung kam wie der Gläubiger selbst. Da F nur Gast war, kommt sie mit dem Leistungsgegenstand nicht in gleichem Maße in Berührung wie M. Insoweit fehlt es an der Leistungsnähe.
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ahimes

ahimes

7.5.2023, 14:45:34

Lässt sich hier nicht auch anders argumentieren? Lt. Sachverhalt sind doch M und F ein Paar. Dann wäre doch denkbar, dass F als Freundin des M öfters in das Haus ein und ausgeht. Ich wäre ggf an anderer Stelle aus der Prüfung rausgegangen. Vlt erst bei Erkennbarkeit für den Schuldner.... liege ich jetzt ganz falsch ?

SE.

se.si.sc

7.5.2023, 18:46:48

Das kann man sicherlich mit entsprechender Begründung in der Klausur so vertreten. Die Abgrenzung ist auch in der Rspr nicht unumstritten: Während mit dem Mieter in der Wohnung lebende Personen zweifelsfrei erfasst sein sollen (zB Kleinkinder, auch wenn sie später erst geboren werden), geht es bei nicht ehelichen Lebenspartnern in einen Graubereich (insoweit str). Bloße Gäste/Besucher sollen jedenfalls mangels "gesteigertem Kontakt" nicht geschützt sein. Bei detailliertem Interesse kommst du an einem Blick in den Kommentar nicht herum (bei §

328 BGB

wird man meist fündig). Die dort zitierten Entscheidungen sind allerdings oft Jahrzehnte alt, möglicherweise hätte sich gerade an der Einschätzung der

Leistungsnähe

bei Freund/Freundin heutzutage etwas geändert.

QUIG

QuiGonTim

13.3.2024, 08:47:03

Der bestimmungsgemäße Gebrauch der Wohnung umfasst die Entfaltung der Persönlichkeit in einem privaten Rahmen. Dazu zählt grundsätzlich auch, dass Empfangen von Gästen und damit den deren Wege durch das Treppenhaus. Sie kommen mit der Leistung also bestimmungsgemäße genauso in Berührung wie der Mieter. Damit besteht die

Leistungsnähe

. (Absatz) Problematisch erscheint vielmehr das Einbeziehungsinteresse des Gläubigers. Dieses muss ein

rechtl

ich begründetes sein. F und M sind bloß Freunde („Freundin“ ist hier wohl eher platonisch zu verstehen). Private Einladungen zum gemeinsamen Kochen und Essen sind regelmäßig bloße

Gefälligkeitsverhältnis

se und eben keine Schuldverhältnisse. Anhaltspunkte dafür, dass es vorliegend anders sein sollte, bestehen nicht. M hat gegenüber F keine besonderen

rechtl

ichen Pflichten. Insbesondere hat er nicht im Rahmen einer

rechtl

ichen Sonderverbindung für das Wohl und Wehe der F einzustehen. Ein Einbeziehungsinteresse des M liegt demnach nicht vor.

HAGE

hagenhubl

5.5.2024, 12:05:51

Anderseits ist es doch auch üblich, dass der Mieter Besuch empfangen darf. Damit muss der Vermieter rechnen.

SCHA

Schatzfund

29.11.2024, 11:13:38

Ich würde zwar auch argumentieren, dass Sie hier bestimmungsgemäß mit der Leistung in Berührung kommen, aber eben nicht im selben Maß wie der Mieter selber. Der Mieter wohnt dort und wird regelmäßig dort fest Leben. Die Gäste hingegen sind, wenn auch regelmäßig, nur zeitweise dort und werden eben nicht im SELBEN der Gefahr einer Pflichtverletzung ausgesetzt wie der Mieter.

Moltisanti

Moltisanti

3.12.2024, 12:46:34

Ich finde man kann hier ganz allgemein Parallelen zu

§ 278 BGB

ziehen „bei Gelegenheit“ und man sollt wohl aufpassen, dass man § 823 BGB nicht aushebelt, was nun mal die Konstellation des BGB ist

LMA

Lt. Maverick

3.5.2025, 22:35:11

Die Leistung aus dem Mietverhältnis ist aber die dauerhafte Gebrauchsüberlassung an der Mietwohnung nebst Instandsetzung und Instandhaltung. Hier muss vor allem auf die räumliche und zeitliche Nähe zur Leistung abgestellt werden. Der Mieter sowie mit ihm lebende Personen sind in einer anderen sachlichen und räumlichen Nähe zur Mietwohnung, indem sie dort ihren Lebensmittelpunkt gebildet haben, regelmäßiger, wahrscheinlich täglich, mit der Mietsache in Berührung kommen und damit unmittelbar von Art und Umfang der Leistungs- und

Schutzpflichten

des Vermieters betroffen sind. Damit haben der Mieter und mit ihm lebende Personen ein höheres Eigeninteresse an des Vermieters Leistung. Der Besucher hingegen hat wenig Eigeninteresse an der Leistung des Vermieters, wodurch schon kaum eine

Leistungsnähe

gegeben ist.

BEN

benjaminmeister

30.12.2024, 12:02:43

Um die Bedeutung des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten

Dritter

hervorzuheben, wäre es doch eigentlich sinnvoller den Sachverhalt derart abzuändern, dass nicht klar ist, ob der Vermieter schuldhaft (bzw. wissentlich) unterlassen hat. Dann geht nämlich ein

Schaden

sersatzanspruch aus Deliktsrecht leer (mangels Beweisbarkeit), während man beim VSD mithilfe der Beweislastumkehr des § 280 I S. 2 weiter kommt bzw. weiter kommen würde (nicht im vorliegenden Fall, weil es am VSD ja auch fehlt),


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community