Hypothetische Kausalität

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach dem Genuss einiger Biere fährt T die Passantin P an. T sieht, dass P lebensgefährlich verletzt ist und einen Arzt braucht. Aus Angst um den Führerschein fährt T aber, ohne etwas zu unternehmen, weg. P stirbt. Bei unverzüglicher ärztlicher Hilfe hätte P möglicherweise überlebt.

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Einordnung des Falls

Hypothetische Kausalität

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hätte T sofort den Notarzt gerufen, wäre P mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht gestorben (§§ 212 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Die Conditio-sine-qua-non-Formel muss für den Fall des Unterlassens im Sinne einer Quasi-Kausalität modifiziert werden: Ein Unterlassen ist dann für den Erfolgseintritt kausal, wenn die gebotene und physisch-reale Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit entfiele. Dass Ps Tod ausgeblieben wäre, wenn T sofort ärztliche Hilfe herbeigerufen hätte, ist nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu bejahen. Nach dem Grundsatz in dubio pro reo muss die hypothetische Kausalität verneint werden. Eine Mindermeinung überträgt die beim Fahrlässigkeitsdelikt verbreitete Risikoerhöhungslehre als Risikoverminderungstheorie auf das Unterlassungsdelikt. Es reiche aus, dass die Vornahme der Handlung das Risiko des Erfolgseintritts verringert hätte. Dagegen spricht, dass so gänzlich auf einen Kausalzusammenhang verzichtet und Verletzungs- in Gefährdungsdelikte umgewandelt werden. Es kommt noch eine Strafbarkeit des T wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) durch Anfahren der P in Betracht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Prudenz

Prudenz

9.10.2021, 23:36:55

Müsste es hier nicht eine fahrlässige Tötung durch Unterlassen sein bzw. sofern sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit überlebt hätte?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

10.10.2021, 19:12:23

Hallo Prudenz, sofern die Quasi-Kausalität bejaht worden wäre, träte die fahrlässige Tötung (durch Anfahren) hinter der vorsätzlichen Tötung durch Unterlassen (durch Wegfahren) zurück. Der Klausurhinweis stellt lediglich klar, dass man bei Verneinen der Kausalität die Prüfung nicht beenden darf, sondern §222 prüfen muss. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

YO

yolojura

10.12.2022, 15:47:50

Könnte man dann einen

Mord durch Unterlassen

annehmen, weil T nicht wollte, dass der Unfall aufgedeckt wird und sie ihren Führerschein nicht verlieren wollte (Verdeckungsabsicht)?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

5.5.2023, 14:21:40

Hallo yoloyura, in der Tat wäre hier zudem auch ein

Verdeckungsmord durch Unterlassen

zu bejahen gewesen, sofern die Quasi-Kausalität vorläge. So kommt allenfalls ein Versuch in Betracht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

TI

Tinki

13.9.2024, 15:59:56

Im Klausurhinweis müsste man dann aber § 13 I StGB ergänzen, oder? Ich würde nach Ablehnung von §§ 212, 13 I durch Wegfahren/Nicht-helfen eine Strafbarkeit gem. §§ 222, 13 I durch Wegfahren/Nicht-helfen prüfen, richtig?

TI

Tinki

13.9.2024, 16:01:35

habe das "Anfahren" im Klausurenhinweis überlesen- sorry! Werde man nach §§ 222, 13 I trotzdem auch noch prüfen wegen des Wegfahrens?

DAV

David

10.11.2023, 12:15:34

Wie wäre es denn hier mit einem versuchten

Verdeckungsmord durch Unterlassen

? Wie verhält sich dann der versuchte Mord (wegen Vorsatzes) zur fahrlässigen Tötung und zusätzlich § 142 StGB konkurrenzrechtlich?


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