Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

Statthaftigkeit Antrag nach §§ 80, 80a VwGO: Wegfall der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO)

Statthaftigkeit Antrag nach §§ 80, 80a VwGO: Wegfall der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO)

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Weil sich einige Fans beim letzten Spiel des FC Haudegen gegen den TSV Kloppi mit Baseballschlägern geprügelt haben, ordnet die zuständige Polizeivollzugsbeamtin P gegen stadtbekannte Hooligans Durchsuchungen vor dem nächsten Spiel an. U ist auch betroffen und will dagegen klagen.

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Einordnung des Falls

Statthaftigkeit Antrag nach §§ 80, 80a VwGO: Wegfall der aufschiebenden Wirkung kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. In der Hauptsache ist die Verpflichtungsklage statthaft.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Verpflichtungsklage ist statthaft, wenn der Kläger den Erlass eines Verwaltungsakts begehrt (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO). Die Anfechtungsklage ist dagegen statthaft, wenn der Kläger die Aufhebung eines erlassenen Verwaltungsakts erreichen will (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). U will gegen die angeordnete Durchsuchung vorgehen. Die polizeiliche Durchsuchung zum Zwecke der Gefahrenabwehr ist eine Standardmaßnahme des jeweiligen landesrechtlichen Polizei- und Ordnungsrechts (z.B. § 22 NPOG, § 39 PolG NRW, Art. 21 PAG). Standardmaßnahmen sind nach h.M. Verwaltungsakte. U will einen Verwaltungsakt aufheben lassen. Statthaft ist die Anfechtungsklage.
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2. Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten grundsätzlich aufschiebenden Wirkung. Hier könnte eine Ausnahme vorliegen.

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO), d.h. der Adressat muss dem Verwaltungsakt zunächst nicht nachkommen und die Behörde kann diesen auch nicht zwangsweise durchsetzen (Suspensiveffekt). Es gibt jedoch Ausnahmefälle, in denen der Suspensiveffekt trotz Widerspruch oder Anfechtungsklage nicht eintritt (§ 80 Abs. 2 VwGO) Hier kommt aufgrund des polizeilichen Handelns eine Ausnahme der aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage kraft Gesetzes nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO in Betracht.

3. Die aufschiebende Wirkung tritt ausnahmsweise nicht ein, wenn der Kläger gegen eine unaufschiebbare Anordnung oder Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten vorgehen will.

Ja!

Widerspruch und Anfechtungsklage entfalten dann keine aufschiebende Wirkung, wenn sie sich gegen unaufschiebbare Anordnung oder Maßnahme von Polizeivollzugsbeamten richten (§ 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO). Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Polizei Anordnungen oder Maßnahmen zum Zwecke der Gefahrenabwehr trifft. Die Durchsuchungen vor dem Stadion auf Basis einer polizeigesetzlichen Spezialermächtigung dienen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und damit der Gefahrenabwehr. Sie sind nicht aufschiebbar. Us Anfechtungsklage entfaltet keine aufschiebende Wirkung. § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 VwGO erstreckt sich nicht auf Maßnahmen der Ordnungsbehörden oder der Verwaltungspolizei.

4. Will U vor dem nächsten Spiel vorläufigen Rechtsschutz gegen die angeordnete Durchsuchung erreichen, sollte U einen Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO stellen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Entfällt die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs, ist immer an einstweiligen Rechtsschutz zu denken. Dieser richtet sich nach der statthaften Klageart im Hauptsacheverfahren. Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf gerichtliche Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist dann statthaft, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft ist. Ein Antrag nach § 123 Abs. 1 VwGO kommt in allen anderen Fällen in Betracht. In der Hauptsache ist eine Anfechtungsklage statthaft. U muss einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, um einen effektiven Rechtsschutz zu erlangen.Hier ist ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO statthaft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

CR7

CR7

11.11.2022, 09:59:30

Was ist mit „unaufschiebbar“ in § 80 II 1 Nr. 2 gemeint? Dass es zeitlich unaufschiebbar ist? Man könnte die Durchsuchung nach Prüfung eines Gerichts auf das nächste Spiel verlegen.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.11.2022, 11:54:01

Hallo A.F., unaufschiebbar sind solche Maßnahmen von Polizei oder Ordnungsbeamten die zur effektiven Gefahrenabwehr sofort vorgenommen werden müssen. Natürlich könnte man es in diesem Spiel unterlassen und die Maßnahme erst nach Abschluss des Verfahrens vornehmen. Dies bedeutet im Verwaltungsrecht aktuell in der Regel einen Verzug von bis zu m

ehre

ren Jahren. Bis zum nächsten Spiel ist also auch nichts geklärt. Zumal ja schon das nächste Spiel eine erhebliche Gefahr für die Individual

rechtsgüter

körperliche Unversehrtheit und Leben der Teilnehmenden darstellt. Diese Gefahr ist nicht anders abwendbar, insofern ist die Maßnahme in Hinblick auf diese Gefahr "unaufschiebbar". Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

RAP

Raphaeljura

19.7.2023, 23:29:31

Was ist denn eine Verwaltungspolizei? Den Begriff kenne ich noch nicht.

CR7

CR7

13.2.2024, 12:56:36

Das ist die "Kaffeepolizei“, also die Polizei, die nicht in eilbedürftigen Fällen tätig wird (bspw. Polizei

behörde

)

BL

Blotgrim

7.11.2023, 19:02:08

Kann man das mit den Standardmaßnahmen auch anders sehen. Gerade bei einer Durchsuchung fehlt mir die Regelung. Ich meine Mal was gehört zu haben von wegen, dass bei einer Durchsuchung irgendwie ein

Duldung

s-VA erlassen wird aber das finde ich jetzt eher konstruiert. ich würde das halt für jede Standardmaßnahme einzeln bewerten. Ein

Platzverweis

ist ja zweifelsfrei ein VA

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

20.12.2023, 12:04:49

Hi @[Blotgrim](167544) müsstest du hierbei nicht zwischen der „Anordnung“ der Maßnahme und der Ebene der „Vollstreckung“ der Maßnahme differenzieren? Die Anordnung stellt einen VA dar (h.M. - Argumente in Kurzform: Festsetzung der Maßnahme, letzte Voraussetzung für die Vollstreckung und in NRW §

112 JustG

) hiergegen ist die Anfechtungsklage im Grunde und wiederum der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 V VwGO statthaft. Im weiteren Verlauf steht die Vollstreckung, also die tatsächliche Ausführung der angedrohten Maßnahme. Bei dieser ist gerade dein Einwand richtig. Dieser stellt nach heute h.M. einen

Realakt

und damit gerade keinen VA dar. Diese von dir erwähnte Konstruierung wurde früher genutzt, weil es noch keine Rechtsmittel gegen

Realakt

e gab (heute allg. Feststellungs-/

Leistungsklage

). Betrachtet man dies, würde man also bei der Auswahl des Rechtsmittels differenzieren, wogegen sich der/die Kläger/in richtet. Gegen die Anordnung oder gegen den Vollzug. Ich hoffe, ich konnte mein Verständnis deutlich machen, bin aber gerne für andere Ansichten und Kritik offen. LG Benny :)

BL

Blotgrim

23.12.2023, 12:01:07

Ich glaube ich habe mich damals insbesondere auf Situationen bezogen in denen bspw die Polizei aufgrund von

Gefahr im Verzug

ne Wohnung durchsucht, also quasi ohne großen Wortwechsel einfach Tür eintreten. Wo würdest man da den VA sehen bzw. wo beginnt da die Anordnung und wo die Vollstreckung?Wenn man jetzt am 12. den Durchsuchungsbefehl bekommt und am 13. wird durchsucht dann ist natürlich klar dass ein VA vorliegt Aber es ging mir eher um die Verallgemeinerung der Standardmaßnahmen als VA. Wo ist beispielsweise ein Gefährderschreiben ein VA ? Die Anordnung es zu verfassen ist ja

behörde

nintern und gegenüber dem Adressaten hat es keine Regelungswirkung

Artur Schönhals

Artur Schönhals

28.4.2024, 17:11:13

Hallo, ich kann euch zu dem Thema Muckel, JA 2012, 272,274 empfehlen. Dort werden alle Fragen beantwortet.


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