Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 831 BGB

Haftung für Verrichtungsgehilfen - Grundfalll

Haftung für Verrichtungsgehilfen - Grundfalll

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Unternehmer U schickt seinen Arbeitnehmer A zu Richterin R nach Hause, damit er dort ein neues Bücherregal für die BGHZ-Sammlung der R aufbaut. A ist narkolepsiekrank und weiß dies auch. Während er das Regal aufbaut, schläft er plötzlich ein und sackt zusammen. Dabei entgleitet ihm das Regal aus den Händen und zerstört das Macbook der R (Wert: €1.000).

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Einordnung des Falls

Haftung für Verrichtungsgehilfen - Grundfalll

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. R kann von A Schadensersatz für das Macbook aus § 823 Abs. 1 BGB verlangen.

Nein!

Der haftungsbegründende Tatbestand von § 823 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) eine Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller, (2) die durch ein Verhalten des Anspruchsgegners, (3) kausal, (4) rechtswidrig und (5) schuldhaft verursacht wurde, wodurch (6) ein kausaler Schaden entstanden ist. Schuldhaftes Handeln setzt Verschuldensfähigkeit voraus (§§ 827, 828 BGB). Da der schlafende A sich im Zeitpunkt der schädigenden Handlung in einem "die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand" befand (§ 827 S. 1 BGB), war er nicht verschuldensfähig. Mangels Verschulden haftet A der R nicht aus § 823 Abs. 1 BGB. Auch U haftet nicht aus §§ 280 Abs. 1, 278 BGB.
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2. A ist Verrichtungsgehilfe des U, sodass hinsichtlich U eine Haftung nach § 831 Abs. 1 BGB in Betracht kommt.

Genau, so ist das!

Erste Voraussetzung für eine Haftung des Geschäftsherrn nach § 831 BGB ist, dass er "einen anderen zu einer Verrichtung bestellt hat". Verrichtungsgehilfe ist, wer mit Wissen und Wollen des Geschäftsherrn in dessen Interesse tätig wird und von den Weisungen des Geschäftsherrn abhängig ist. Für die Weisungsgebundenheit genügt, dass der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden beschränken, entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann. A ist als Arbeitnehmer von den Weisungen des U abhängig und wird in dessen Interesse tätig.

3. Sofern A ohne Verschulden handelte, ist auch die Haftung des U nach § 831 BGB für die Schadenszufügung im Rahmen der Verrichtung ausgeschlossen.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Verrichtungsgehilfe muss den Verletzten „widerrechtlich“ geschädigt haben, also eine unerlaubte Handlung begangen haben (§ 823ff. BGB). Wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt, kommt es - anders als beim Geschäftsherrn - auf ein Verschulden des Verrichtungsgehilfen selbst grundsätzlich nicht an. § 831 BGB statuiert damit eine Haftung nur für eigenes Verschulden des Geschäftsherrn. A konnte sein Einschlafen infolge der Krankheit nicht steuern. Durch die Übernahme der Tätigkeit hat er sich allerdings in die entsprechende Lage manövriert und muss sich somit dennoch die Verletzungshandlung zurechnen lassen. Somit liegt eine widerrechtliche unerlaubte Handlung des Verrichtungsgehilfen vor. Eine Ausnahme gilt jedoch dann, wenn der Deliktstatbestand nur vorsätzlich begangen werden kann (§§ 826, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Vorsatzstraftaten). Dann muss der Verrichtungsgehilfe schuldhaft gehandelt haben, was hier aber ebenfalls vorläge (Fahrlässigkeit).

4. Die Schädigung durch A erfolgte "in Ausführung der Verrichtung" (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB).

Ja!

Der Gehilfe muss in Ausführung der Verrichtung gehandelt haben, zu der er vom Geschäftsherrn bestellt worden ist. Dafür ist erforderlich, dass die Schädigung in einem inneren Zusammenhang mit der übertragenen Aufgabe steht. An diesem Zusammenhang fehlt es nach h.M., wenn der Gehilfe im Rahmen seiner Tätigkeit rein zufällig mit den Rechtsgütern des Geschädigten in Berührung kommt und die Gelegenheit nutzt, um eine von den ihm übertragenen Aufgaben losgelöste unerlaubte Handlung vorzunehmen. Das Macbook wurde beim Aufbau des Regals beschädigt, also im inneren sachlichen Zusammenhang mit der A übertragenen Aufgabe.

5. U haftet für die widerrechtliche Schädigung durch seinen Verrichtungsgehilfen, sofern er nichts zu seiner Entlastung vortragen kann.

Genau, so ist das!

Hat der Verrichtungsgehilfe einen anderen geschädigt, wird vermutet, dass die rechtswidrige Schädigung (1) kausal auf ein (2) Verschulden des Geschäftsherrn zurückgeht (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB). § 831 BGB ist damit eine Haftung für vermutetes Eigenverschulden des Geschäftsherrn. Eine Exkulpation des Geschäftsherrn entkräftet diese Vermutung. Dabei genügt, dass entweder die Verschuldensvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB) oder die Kausalitätsvermutung (§ 831 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB) widerlegt wird. Er muss dafür beweisen, dass er den Verrichtungsgehilfen sorgsam ausgewählt und geleitet hat oder der Schaden selbst dann entstanden wäre, wenn der Geschäftsherr bei der Auswahl und Überwachung des Gehilfen die gebotene Sorgfalt beachtet hätte. U hat nichts für seine Exkulpation vorgetragen.
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