Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Die reformatio in peius in der Klausur: Zulässigkeitsprüfung

Die reformatio in peius in der Klausur: Zulässigkeitsprüfung

29. März 2025

12 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Illustation zur reformatio in peius auf dr zu sehen ist, wie die Tutorin T die reformatio in peius erklärt und dem Studenten Lawra dabei ein Licht aufgeht.

Professor P spricht in seiner Vorlesung so trocken und theoretisch über die reformatio in peius, dass Lawra fast einschläft. Zum Glück bringt Tutorin T wieder Schwung in das Thema. T zeigt L, wie sich die reformatio in peius auf die Prüfung der Zulässigkeit einer Klage auswirkt.

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Einordnung des Falls

Die reformatio in peius in der Klausur: Zulässigkeitsprüfung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Besteht der Klagegegenstand (auch) in einer Verböserung, ergeben sich hieraus Besonderheiten für die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs.

Nein!

Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg richtet sich – sofern es keine aufdrängende Sonderzuweisung gibt – nach § 40 Abs. 1 VwGO. Danach ist der Verwaltungsrechtsweg ist in allen (1) öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten (2) nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit (3) die Streitigkeiten nicht durch Gesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Durch die reformatio in peius ergeben sich bei der Prüfung keine Besonderheiten.
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2. Nach der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs muss man in der statthaften Klageart den konkreten Klagegegenstand herausarbeiten.

Genau, so ist das!

Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Klagebegehren (vgl. § 88 VwGO). Hat die Widerspruchsbehörde eine belastenden Maßnahme erlassen, so kann sich das Klagebegehren (1) nur auf die Aufhebung des verbösernden Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 2 S. 1 VwGO) oder (2) auf die Aufhebung des Ausgangsbescheid in Gestalt des verbösernden Widerspruchsbescheids (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) richten. In beiden Fällen ist die Anfechtungsklage statthaft (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO). Die Bestimmung des konkreten Klagegegenstandes ist wichtig für die weitere Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit. Hier solltest Du präzise arbeiten. Liegt keine reformatio in peius vor, weil die Widerspruchsbehörde nicht nur den Ausgangsbescheid abändert, sondern eine völlig eigenständige Regelung trifft, so ist der Widerspruchsbescheid nach § 79 Abs. 1 Nr. 2 VwGO anfechtbar.

3. Vor der Anfechtung des verbösernden Verwaltungsakts muss der Kläger ein Widerspruchsverfahren durchführen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens ist zwar grundsätzlich eine Sachentscheidungsvoraussetzung der Anfechtungsklage (§ 68 Abs. 1 S. 1 VwGO). Liegt eine reformatio in peius vor, hat aber bereits die Widerspruchsbehörde den Kläger beschieden. Damit ist dem Zweck der Selbstkontrolle der Verwaltung genüge getan. Eine erneute Prüfung hätte keinen Mehrwert, da die Widerspruchsbehörde vermutlich keine neue Entscheidung treffen wird. Es käme allein zu einer zeitlichen Verzögerung des Rechtsstreits. Ein erneutes Widerspruchsverfahren ist daher analog § 68 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwGO entbehrlich.

4. Auch die Einhaltung einer Klagefrist ist ganz und gar entbehrlich.

Nein!

Auch eine reformatio in peius muss im Sinne der Rechtsklarheit bestandskräftig werden, wenn der Kläger sich nicht rechtzeitig dagegen wehrt. Fraglich ist nur, ab welchem Zeitpunkt die Klagefrist aus § 74 VwGO zu laufen beginnt. Wegen der Entbehrlichkeit des Widerspruchsverfahrens könnte man auf die Frist des § 74 Abs. 1 S. 2 VwGO abstellen. Gegenstand der Klage ist aber gerade nicht (nur) der Ausgangsbescheid, sondern auch der Widerspruchsbescheid. Die Klagefrist beginnt daher nach § 74 Abs. 1 S. 1 VwGO in dem Zeitpunkt der Zustellung des Widerspruchsbescheids zu laufen.

5. Schließlich stellt sich noch die Frage, ob der richtige Klagegegner der Träger der Ausgangs- oder der Widerspruchsbehörde ist.

Genau, so ist das!

Die reformatio in peius wirkt sich auf die Frage nach dem richtigen Klagegegner aus. Begehrt der Kläger die Anfechtung des Ausgangsbescheids in der Gestalt des verbösernden Widerspruchs, ist die Klage gegen den Rechtsträger der Ausgangsbehörde zu richten (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ficht der Kläger nur (isoliert) den verbösernden Widerspruchsbescheid an, ist der richtige Klagegegner der Rechtsträger der Widerspruchsbehörde (§ 79 Abs. 2 S. 3, § 78 Abs. 2 VwGO analog).
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