Strafrecht

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Finalzusammenhang bei räuberischer Erpressung (BGH, Beschl. v. 27.02.2024, 5 StR 19/24)

Finalzusammenhang bei räuberischer Erpressung (BGH, Beschl. v. 27.02.2024, 5 StR 19/24)

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

H ist sauer auf seinen Bekannten P und will ihm eine Abreibung erteilen. Mit einer Bratpfanne schlägt er ihm auf den Kopf. Danach fordert er P spontan auf, ihm sein Smartphone zu geben. Aus Angst erneut geschlagen zu werden, gibt P ihm das Handy. H behält es für sich.

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Einordnung des Falls

Finalzusammenhang bei räuberischer Erpressung (BGH, Beschl. v. 27.02.2024, 5 StR 19/24)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem er P mit der Bratpfanne auf den Kopf schlug (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB).

Ja!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB sind: (1) Körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung (2) Mittels eines gefährlichen Werkzeugs Zudem müsste H vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Hat H den P körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt, als er ihm die Bratpfanne auf den Kopf schlug?

Genau, so ist das!

Eine körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht nur unerheblich beeinträchtigt. Unter Gesundheitsschädigung fällt das Hervorrufen eines pathologischen, also vom Normalzustand abweichenden Zustands.H hat P mit einer Bratpfanne auf den Kopf geschlagen und ihn so körperlich misshandelt. P hat zudem eine Beule und Schmerzen davon getragen. Er wurde durch den Schlag damit auch an der Gesundheit geschädigt.

3. H hat ein gefährliches Werkzeug verwendet, als er P mit der Bratpfanne auf den Kopf schlug.

Ja, in der Tat!

Ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB ist jeder bewegliche Gegenstand, der nach seiner objektiven Beschaffenheit und Art seiner Verwendung im konkreten Fall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. H hat P mit der Bratpfanne auf den Kopf geschlagen. Eine Bratpfanne ist ein massiver Gegenstand, der bei einem Schlag auf den Kopf erhebliche Verletzungen an Schädel und Hirn verursachen kann. Es handelt sich um ein gefährliches Werkzeug.H handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft. Er hat sich im Ergebnis einer gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht.

4. H könnte sich wegen Raubes strafbar gemacht haben, indem er P schlug, worauf dieser ihm sein Handy gab (§ 249 Abs. 1 StGB).

Ja!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 249 Abs. 1 StGB sind: (1) Fremde bewegliche Sache (2) Wegnahme (3) Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels (4) Finalzusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme Zudem müsste H vorsätzlich, mit Zueignungsabsicht, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

5. Bei dem Handy handelt es sich um eine fremde bewegliche Sache.

Genau, so ist das!

Eine bewegliche Sache ist jeder körperliche Gegenstand, der von einem Ort zum nächsten fortbewegt werden kann. Eine Sache ist dann fremd, wenn sie weder im Alleineigentum des Täters steht, noch herrenlos ist.Das Handy ist ein beweglicher körperliche Gegenstand. Es stand im Alleineigentum des P und war somit für H fremd.

6. H müsste P das Handy weggenommen haben. Erfordert dies ausschließlich den Bruch fremden Gewahrsams?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Wegnahme ist Tatbestandsmerkmal des Raubs. Diese setzt den Bruch fremden und Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams voraus. Es ist jedoch strittig, wie sich der Raub zur räuberischen Erpressung verhält und welche Folgen dies für das Merkmal der Wegnahme hat. Der Rspr. zufolge sei der Raub ein lex specialis zur räuberischen Erpressung. Deshalb erfolge eine Abgrenzung allein nach dem äußeren Erscheinungsbild: nimmt der Täter die Sache, läge ein Raub vor, gibt das Opfer die Sache, eine räuberische Erpressung. Nach der h. Lit. stünden die Delikte als in einem Exklusivitätsverhältnis. Die Abgrenzung geschehe nach der inneren Willensrichtung des Opfers: wirke es mit, läge eine (selbstschädigende) Verfügung vor, handele das Opfer unfreiwillig, eine Wegnahme.

7. P hatte Angst, erneut geschlagen zu werden. Er ging jedoch nicht davon aus, dass H ihm das Handy mit Gewalt abnehmen würde, sollte P es nicht an H herausgeben. Ist die Übergabe des Handys damit nach Ansicht der h.Lit. freiwillig?

Ja!

Nach der h.Lit. liegt kann eine selbstschädigende Verfügung nur dann vorliegen, wenn der Geschädigte davon ausgeht, dass der Täter ohne sein Mitwirken nicht an das Vermögen gelangt. Nur dann hat er die erforderliche Schlüsselstellung inne. Es genügt aber, dass das Opfer eine für sich individuell durchhaltbare Verhaltensalternative sieht. Gibt es sein Vermögen trotzdem her, handelt es freiwillig im Sinne der h.Lit..P glaubte, H würde ihn erneut schlagen, nicht aber das Handy „sowieso” an sich nehmen, falls P es ihm nicht geben würde. P hätte die Schläge ertragen können, ohne sein Vermögen zu verlieren. P gab H das Handy trotzdem. Er hat so selbstschädigend über sein Vermögen verfügt.

8. H könnte sich wegen räuberischer Erpressung strafbar gemacht haben, indem er P schlug, worauf dieser ihm sein Handy gab (§§ 253, 255 StGB).

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzung für eine räuberische Erpressung sind: (1) Nötigungshandlung: Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (2) Handeln, Dulden oder Unterlassen (3) Finalzusammenhang (4) Vermögensschaden R müsste zudem vorsätzlich, mit Bereicherungsabsicht, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

9. Bei dem Schlag mit der Bratpfanne handelt es sich um Gewalt im Sinne des § 255 StGB.

Ja, in der Tat!

Gewalt ist jeder physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstandes.Der Schlag mit einer Bratpfanne auf den Kopf ist Gewalt.

10. H hat P geschlagen, dieser hat ihm dann sein Handy gegeben. Reicht das aus, damit der objektive Tatbestand des §§ 253, 255 StGB damit erfüllt ist?

Nein!

Zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel (hier: Gewalt in Form des Schlags mit der Bratpfanne) und dem Handeln, Dulden oder Unterlassen (hier: die Herausgabe des Handys) muss ein Finalzusammenhang bestehen. Dafür muss der Täter das Nötigungsmittel gerade einsetzen, um den Taterfolg (Handeln, Dulden oder Unterlassen) zu erreichen. H hat P geschlagen, um ihm eine Abreibung zu verpassen. Er entschloss sich erst spontan nach den Schlägen den P aufzufordern, ihm sein Handy herauszugeben. H hat die Gewalt nicht eingesetzt, um die Herausgabe des Handys zu erreichen.

11. H könnte die Herausgabe des Handys aber durch eine neue Drohung erreicht haben. Hat H dem P ausdrücklich gedroht, um die Herausgabe des Handys zu erreichen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Zwar besteht zwischen dem Schlag und der Herausgabe des Telefons kein Finalzusammenhang. Eine Strafbarkeit des H nach §§ 253, 255 StGB könnte aber auf eine andere Tathandlung gestützt werden. In der Klausur solltest du i.d.R. immer jede einzelne Tathandlung einzeln prüfen. Hier könntest du also eine neue Prüfung mit folgendem Obersatz einleiten: „H könnte sich aber nach §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht haben, indem er P aufforderte, ihm das Handy herauszugeben.“ Dann würdest Du die „neue“ Tathandlung prüfen: „In der Aufforderung, das Handy herauszugeben, könnte eine Drohung liegen…“ Eine Drohung meint das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf das der Täter Einfluss zu haben vorgibt.H hat P gesagt, er solle ihm sein Handy geben. Darin liegt keine ausdrücklich Ankündigung eines künftigen Übels, sollte P das nicht tun. Wenn eine Drohung so offensichtlich nicht ausdrücklich vorliegt, kannst und solltest Du diese Prüfung in der Klausur weniger ausführlich vornehmen (Schwerpunktsetzung!).

12. Kann eine Drohung im Rahmen des § 255 StGB auch konkludent erfolgen?

Ja, in der Tat!

Eine Drohung muss nicht ausdrücklich geäußert werden. Sie kann auch konkludent dadurch erfolgen, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Du solltest immer – zumindest gedanklich – zuerst prüfen, ob eine ausdrückliche Drohung vorliegt. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, kannst Du schnell auf die konkludente Drohung zu sprechen kommen. Das könnte z.B. so aussehen: „„H könnte sich nach §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht haben, indem er P aufforderte, ihm das Handy herauszugeben. H könnte P gedroht haben. Eine Drohung meint das Inaussichtstellen eines zukünftigen Übels, auf das der Täter Einfluss zu haben vorgibt. In der Aufforderung, das Handy herauszugeben, liegt zwar keine ausdrückliche Ankündigung eines künftigen Übels, allerdings kann eine Drohung auch konkludent erfolgen. Hier…”

13. P gab H sein Handy, weil er Angst hatte, erneut geschlagen zu werden. Diese Angst nutzte H stillschwiegend aus. Erfüllt dieses reine Ausnutzen die Anforderungen an eine konkludente Drohung?

Nein!

Bei vorangegangener Gewalt kann sich eine konkludente Drohung grds. daraus ergeben, dass der Täter dem Opfer durch sein Verhalten zu verstehen gibt, er werde die Gewalt nunmehr zur Erzwingung der jetzt erstrebten vermögensschädigenden Handlung des Opfers oder dessen Duldung der beabsichtigten Wegnahme fortsetzen oder wiederholen (RdNr. 10). Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält dagegen für sich genommen noch keine Drohung. Erforderlich ist eine Aktualisierung der Nötigungslage durch ein Verhalten des Täters (RdNr. 10). P hatte Angst erneut geschlagen zu werden. H nutzte diese Angst zwar aus, zeigte P aber in keiner Weise, er werde ihn erneut schlagen, sollte P das Handy nicht herausgeben. Im bloßen Ausnutzen liegt keine konkludente Drohung.

14. Kann das Auffordern zur Herausgabe einer Sache nach vorangegangener Gewaltanwendung niemals eine Drohung im Sinne des § 255 StGB sein?

Nein, das ist nicht der Fall!

Gerade bei exzessiver Gewaltanwendung kann es naheliegen, dass der Täter durch die Aufforderung zur Herausgabe eines Gegenstands konkludent droht, er werde bei Nichthandeln die Gewalt fortsetzen. Dafür muss es aber konkrete Anhaltspunkte im Sachverhalt geben - und ein Gericht müsste dazu konkrete Feststellungen treffen. Das hatte das LG Dresden im vorliegenden Fall nicht getan.In Fällen, in denen Du eine Drohung bejahst, solltest Du auf keinen Fall die zusätzliche Prüfung des § 250 StGB (Pfanne als gefährliches Werkzeug) vergessen!

15. Nach Ansicht der Rspr. liegt hier eine Wegnahme im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB vor.

Nein, das trifft nicht zu!

P hat H das Handy von sich aus überreicht. Nach dem äußeren Erscheinungsbild liegt hier eine Weggabe und keine Wegnahme des Handys vor. Auch nach der Rspr. scheidet damit eine Strafbarkeit wegen Raubes aus.Die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung ist ein absoluter Klausurklassiker. Hier solltest Du nicht auf Lücke lernen. Eine Vertiefung zu dem Streit und Argumente zu den jeweiligen Ansichten findest Du hier .
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