Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2024
Finalzusammenhang bei räuberischer Erpressung (BGH, Beschl. v. 27.02.2024, 5 StR 19/24)
Finalzusammenhang bei räuberischer Erpressung (BGH, Beschl. v. 27.02.2024, 5 StR 19/24)
14. Februar 2025
12 Kommentare
4,7 ★ (19.951 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
H ist sauer auf seinen Bekannten P und will ihm eine Abreibung erteilen. Mit einer Bratpfanne schlägt er ihm auf den Kopf. Danach fordert er P spontan auf, ihm sein Smartphone zu geben. Aus Angst erneut geschlagen zu werden, gibt P ihm das Handy. H behält es für sich.
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Einordnung des Falls
Finalzusammenhang bei räuberischer Erpressung (BGH, Beschl. v. 27.02.2024, 5 StR 19/24)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 15 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. H könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem er P mit der Bratpfanne auf den Kopf schlug (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Hat H den P körperlich misshandelt und an der Gesundheit geschädigt, als er ihm die Bratpfanne auf den Kopf schlug?
Genau, so ist das!
3. H hat ein gefährliches Werkzeug verwendet, als er P mit der Bratpfanne auf den Kopf schlug.
Ja, in der Tat!
4. H könnte sich wegen Raubes strafbar gemacht haben, indem er P schlug, worauf dieser ihm sein Handy gab (§ 249 Abs. 1 StGB).
Ja!
5. Bei dem Handy handelt es sich um eine fremde bewegliche Sache.
Genau, so ist das!
6. H müsste P das Handy weggenommen haben. Erfordert dies ausschließlich den Bruch fremden Gewahrsams?
Nein, das trifft nicht zu!
7. P hatte Angst, erneut geschlagen zu werden. Er ging jedoch nicht davon aus, dass H ihm das Handy mit Gewalt abnehmen würde, sollte P es nicht an H herausgeben. Ist die Übergabe des Handys damit nach Ansicht der h.Lit. freiwillig?
Ja!
8. H könnte sich wegen räuberischer Erpressung strafbar gemacht haben, indem er P schlug, worauf dieser ihm sein Handy gab (§§ 253, 255 StGB).
Genau, so ist das!
9. Bei dem Schlag mit der Bratpfanne handelt es sich um Gewalt im Sinne des § 255 StGB.
Ja, in der Tat!
10. H hat P geschlagen, dieser hat ihm dann sein Handy gegeben. Reicht das aus, damit der objektive Tatbestand des §§ 253, 255 StGB damit erfüllt ist?
Nein!
11. H könnte die Herausgabe des Handys aber durch eine neue Drohung erreicht haben. Hat H dem P ausdrücklich gedroht, um die Herausgabe des Handys zu erreichen?
Nein, das ist nicht der Fall!
12. Kann eine Drohung im Rahmen des § 255 StGB auch konkludent erfolgen?
Ja, in der Tat!
13. P gab H sein Handy, weil er Angst hatte, erneut geschlagen zu werden. Diese Angst nutzte H stillschwiegend aus. Erfüllt dieses reine Ausnutzen die Anforderungen an eine konkludente Drohung?
Nein!
14. Kann das Auffordern zur Herausgabe einer Sache nach vorangegangener Gewaltanwendung niemals eine Drohung im Sinne des § 255 StGB sein?
Nein, das ist nicht der Fall!
15. Nach Ansicht der Rspr. liegt hier eine Wegnahme im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB vor.
Nein, das trifft nicht zu!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Katharina
7.12.2024, 12:29:52
Leo Lee
8.12.2024, 10:01:26
Hallo Katharina, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! 253 kam zwar in Betracht, schied allerdings aus mangels
Finalzusammenhangs. Denn H hat nicht den P geschlagen, UM dadurch die Herausgabe des Handys zu erreichen. Vielmehr hat er ihn einfach so geschlagen (um eine Abreibung zu verpassen), weshalb nicht geschlagen wurde, UM das Handy abzunehmen (siehe hierzu die letzten paar Aufgaben!). Auch hat die
konkludente
Drohungnicht gereicht, weil die bloße Ausnutzung hierfür nicht ausreicht (Klassiker!). Somit bleibt hier nur noch die - so "ungerecht" es auch klingen mag - die Körperverletzung! Die Rückgabe des Handys erfolgt hingegen im Wege des Zivilrechts; hier greift also das Prinzip, dass das Strafrecht fragmentarisch ist

Nocebo
17.12.2024, 14:34:34
§§ 249, 253, 2
55 StGBscheiden mangels
Drohungund
Finalzusammenhangaus. §§ 240, 241 StGB scheiden mangels
Drohungaus. §§ 223,
224 StGBsind durch den Schlag verwirklicht. Problematisch ist
§ 242 StGBund zwar bei der Frage des
tatbestandsausschließenden Einverständnisses bzgl. des Gewahrsamswechsels. Zwar liegt keine
Drohungim Rechtssinne gem. §§ 240, 241, 249, 253, 2
55 StGBvor, allerdings muss ein
tatbestandsausschließendes Einverständnis"freiwillig" zustande kommen. Daran kann man mMn zweifeln, unabhängig von der Rechtsqualität der
Drohung. Denn das Opfer wird in einer Zwangslage zur Herausgabe aufgefordert. Dann wäre
§ 242 StGBverwirklicht. Das Einstecken des Handys oder spätere Akte könnten außerdem §
246 StGBverwirklichen, soweit wir keinen
§ 242 StGBannehmen. Letztlich kommt auch ein
§ 123 StGBin Betracht, da das Geschehen in der Wohnung spielt. Die genaueren Umstände sind hier aber nicht bekannt. Auf dem Bild von Jurafuchs jedenfalls spielt es in einer Wohnung (Küche).

Nocebo
17.12.2024, 14:36:32
§§ 249, 253, 2
55 StGBscheiden mangels (
konkludenter)
Drohungund
Finalzusammenhangaus. Ein Anknüpfen an den Schlag (Gewalt) scheidet ebenfalls aus. §§ 240, 241 StGB scheiden mangels (
konkludenter)
Drohungaus. Ein Anknüpfen an den Schlag (Gewalt) scheidet ebenfalls aus. §§ 223,
224 StGBsind durch den Schlag verwirklicht. Problematisch ist
§ 242 StGBund zwar bei der Frage des
tatbestandsausschließenden Einverständnisses bzgl. des Gewahrsamswechsels. Zwar liegt keine
Drohungim Rechtssinne gem. §§ 240, 241, 249, 253, 2
55 StGBvor, allerdings muss ein
tatbestandsausschließendes Einverständnis"freiwillig" zustande kommen. Daran kann man mMn zweifeln, unabhängig von der Rechtsqualität der
Drohung. Dann wäre
§ 242 StGBverwirklicht. Der wäre außerdem gem. § 244 StGB qualifiziert, wohl nur § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) Alt. 2 StGB. Das Einstecken des Handys oder spätere Akte könnten außerdem §
246 StGBverwirklichen, soweit kein
§ 242 StGBangenommen wird. Letztlich kommt auch ein
§ 123 StGBin Betracht, da das Geschehen in der Wohnung spielt. Die genaueren Umstände sind hier aber nicht bekannt. Jedenfalls das Bild von Jurafuchs zeigt eine Wohnküche.
Niro95
30.1.2025, 08:51:04
Gute Ausführungen, aber kleine Korrektur an dieser Stelle: Diebstahl ist es auf keinen Fall, weil Freiwilligkeit kein Kriterium beim
tatbestandsausschließenden Einverständnis im rahmen des Diebstahls ist. Es kommt nur auf
vis absolutaoder
vis compulsivaan.