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Spezielle Mordmerkmale verdrängen die allgemeinen (BGH, Beschl. vom 13.03.2024, Az. 4 StR 448/23)

Spezielle Mordmerkmale verdrängen die allgemeinen (BGH, Beschl. vom 13.03.2024, Az. 4 StR 448/23)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A besucht seinen Nachbarn N. A will Ns Autoschlüssel und später das Auto entwenden, um einer Frau zu imponieren. Als das misslingt, beschließt A, auf N einzustechen, um den Schlüssel zu bekommen. A nimmt Ns Tod dabei billigend in Kauf. Er nimmt den Schlüssel und nutzt den PKW bis zu seiner Festnahme. N stirbt.

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Einordnung des Falls

Spezielle Mordmerkmale verdrängen die allgemeinen (BGH, Beschl. vom 13.03.2024, Az. 4 StR 448/23)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A könnte sich wegen Raubes mit Todesfolge strafbar gemacht haben, indem er N mit einem Messer angriff, um an dessen Autoschlüssel und Auto zu gelangen (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 251 StGB).

Ja, in der Tat!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 251 StGB sind: (1) Fremde bewegliche Sache (2) Wegnahme (3) Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittels (4) Finalzusammenhang (5) Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs bei der Tat (6) Tod eines Menschen (7) Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang A müsste zudem vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht gehandelt haben. A müsste Ns Tod zumindest leichtfertig verursacht, sowie rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. In Klausuren ist es im Normalfall üblich, bei tateinheitlich begangenen Delikten mit dem schwersten zu beginnen – zum Beispiel der Mord vor der gefährlichen Körperverletzung. Allerdings solltest Du Inzidentprüfungen vermeiden! Kommt also ein Mord in Ermöglichungsabsicht in Betracht, bietet es sich an, zuerst das Delikt zu prüfen, dass der Täter ermöglichen will. Ein Prüfungsschema zum Raub mit Todesfolge findest Du hier .
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2. Hat A eine fremde bewegliche Sache weggenommen, als er den Autoschlüssel an sich nahm?

Ja!

Bewegliche Sachen sind alle körperlichen Gegenstände, die von einem Ort zum nächsten fortbewegt werden können. Eine Sache ist dann fremd, wenn sie weder im Alleineigentum des Täters steht noch herrenlos ist. Wegnahme meint den Bruch fremden und Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams.Der Autoschlüssel ist ein beweglicher körperlicher Gegenstand. N ist Eigentümer des Schlüssels, weswegen er für A fremd ist. N hatte Gewahrsam am Schlüssel, den A ohne den Willen des N gebrochen hat. Er hat den Schlüssel an sich genommen und so (spätestens mit Verlassen von Ns Wohnung) neuen Gewahrsam am Schlüssel bei sich begründet. Er hat den Schlüssel weggenommen.

3. Bei der Wegnahme hat A Gewalt gegen eine Person angewandt (§ 249 Abs. 1 StGB).

Genau, so ist das!

Gewalt im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB meint den durch eine mittelbare oder unmittelbare Einwirkung ausgelösten, körperlich wirkenden Zwang, der nach der Vorstellung des Täters bestimmt und geeignet ist, den tatsächlich geleisteten oder erwarteten Widerstand des Opfers zu überwinden oder unmöglich zu machen.A hat N mit einem Messer angegriffen, um den Schlüssel zu bekommen. Er hat damit Gewalt gegen N angewandt.

4. Der Einsatz der Gewalt müsste nach As Vorstellung gerade die Wegnahme des Schlüssels ermöglichen. Besteht dieser Finalzusammenhang hier?

Ja, in der Tat!

§ 249 StGB verlangt einen Finalzusammenhang insofern, als das der Einsatz des Nötigungsmittels nach der Vorstellung des Täters gerade die Wegnahme bezwecken soll.A ist es nicht gelungen, N den Autoschlüssel wegzunehmen, weswegen er sich zu dem Messerangriff entschloss. A hat auf N eingestochen, gerade um die Wegnahme des Schlüssels zu erreichen. Ein Finalzusammenhang zwischen Gewalt und Wegnahme besteht.

5. Hat A auch den objektiven Tatbestand eines schweren Raubes (§ 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) verwirklicht?

Ja!

Der Täter verwirklicht die Qualifikation des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, wenn er beim Raub (§ 249 StGB) ein gefährliches Werkzeug verwendet. Darunter fällt jeder Gegenstand, der nach seiner Beschaffenheit und konkreten Verwendung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Verwenden meint jeden zweckgerichteten Gebrauch als Mittel der Gewaltanwendung zur Ermöglichung der Wegnahme bei der Tat.A hat N mit einem Messer angegriffen. Das Messer ist dabei geeignet, erhebliche Verletzungen zu verursachen. A hat es auch als Mittel der Gewalt gegen N eingesetzt.Lies dir den § 250 StGB einmal in Ruhe durch, damit Du in einem Klausursachverhalt erkennst, wann ein schwerer Raub in Betracht kommt. Der liegt nämlich zum Beispiel mitunter schon dann vor, wenn der Täter ein gefährliches Werkzeug lediglich bei sich führt. Hier kannst Du Dir den schweren Raub in unserem systematischen Kurs anschauen!

6. A hat auch die Erfolgsqualifikation des Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) verwirklicht.

Genau, so ist das!

Dafür müsste A den Tod eines Menschen verursacht haben und hierbei müsste ein tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang bestehen. Dieser liegt vor, wenn der Täter durch den Raub eine spezifische Gefahr geschaffen hat, die sich alsdann in typischer Weise im Tod eines Menschen realisiert hat.A stach mit einem Messer auf N ein, um an den Schlüssel zu gelangen. N ist an den Stichen gestorben. Dabei verwirklichte sich gerade die spezifische Gefahr, die A durch den Messerangriff gesetzt hatte. Hier findest Du den Raub mit Todesfolge in unserem systematischen Kurs!

7. Handelte A mit Zueignungsabsicht?

Ja, in der Tat!

Zueignungsabsicht setzt ein zumindest billigendes Inkaufnehmen einer dauerhaften Enteignung und Absicht wenigstens vorübergehender Aneignung voraus. Die Absicht muss sich zudem auch auf die Rechtswidrigkeit der Zueignung beziehen.A wollte mit dem Schlüssel das Auto des N nutzen und so einer Frau imponieren. Ihm kam es gerade darauf an, sich die Sache anzueignen. Es ist nicht ersichtlich, dass er einen Rückführungswillen hatte. Er nahm somit zumindest billigend in Kauf, dass N dauerhaft enteignet werde. Dies geschah auch rechtswidrig.

8. A hat sich im Ergebnis wegen Raubes mit Todesfolge strafbar gemacht, indem er N mit einem Messer angriff, um an dessen Autoschlüssel und Auto zu gelangen (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 251 StGB).

Ja!

A hat den objektiven Tatbestand erfüllt, handelte vorsätzlich und mit Zueignungsabsicht. Er nahm bei dem Messerangriff den Tod des N billigend in Kauf und hat ihn damit mehr als nur leichtfertig verursacht. Zudem handelte er rechtswidrig und schuldhaft.

9. A könnte sich darüber hinaus wegen Mordes strafbar gemacht haben, indem er N mit dem Messer angriff, weswegen dieser starb (§ 211 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

A müsste dafür einen anderen Menschen – N – getötet und dabei ein Mordmerkmal erfüllt haben. Er müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

10. A griff N an, um an den Autoschlüssel zu kommen. Hat A mit Ermöglichungsabsicht gehandelt (§ 211 Abs. 2, Gr. 3, Alt. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

Der Täter handelt mit Ermöglichungsabsicht, wenn es ihm zielgerichtet darauf ankommt, durch die Tötung eine andere Straftat zu fördern.A wollte den Autoschlüssel von N erlangen. Als ihm das beim Besuch bei N nicht gelang, griff er diesen mit dem Messer an, um so den Autoschlüssel an sich nehmen zu können. A wollte sich den Gewahrsam an Schlüssel und Auto mittels Gewalt gegen N verschaffen und hat dabei dessen Tod als Folge des Messerangriffs billigend in Kauf genommen. A handelte somit in Ermöglichungsabsicht.

11. A hat N getötet, um später dessen Auto wegnehmen zu können. Kann ein solches Motiv grundsätzlich vom Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2, Gr. 1, Var. 4 StGB) erfasst werden?

Ja!

Niedrige Beweggründe sind solche Motive, die nach sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen. Ob sie vorliegen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu bewerten.Es ist grundsätzlich denkbar, dass das Tötungsmotiv, Autoschlüssel und Auto wegnehmen zu können – also lediglich Sachwerte zum Preis eines Menschenlebens zu bekommen – als niedriger Beweggrund gewertet werden kann.

12. Liegt bereits ein spezielles Mordmerkmal vor, ist es in jedem Fall ausgeschlossen, dass auch das allgemeine Mordmerkmal „niedrige Beweggründe“ erfüllt sein kann.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Täter kann bei derselben Tat grundsätzlich mehrere Mordmerkmale gleichzeitig verwirklichen – so kann dieselbe Tat zum Beispiel grausam und aus Habgier geschehen. Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe kann dabei neben die anderen spezielleren Mordmerkmal treten. Voraussetzung dafür ist, dass den niedrigen Beweggründen im Einzelfall ein Unrechtsgehalt zukommt, der über die Verwirklichung des spezielleren Mordmerkmals hinausgeht (RdNr. 14).Werden für die Begründung der niedrigen Beweggründe also die gleichen Gründe herangezogen, wie für die Begründung eines speziellen Merkmals, liegt kein eigener Unrechtsgehalt vor. Dann verdrängen das speziellere Mordmerkmal das allgemeinere.

13. Liegt in dem Motiv, N zu töten um dessen Auto in Besitz zu nehmen, ein Unrechtsgehalt, der über die Ermöglichungsabsicht hinausgeht?

Nein, das trifft nicht zu!

A wird vorgeworfen, getötet zu haben, um eine Sache wegnehmen zu können. Aus diesem Grund wird bereits das Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht bejaht. In demselben Motiv liegt kein darüber hinausgehender Unrechtsgehalt, der die Bejahung niedriger Beweggründe rechtfertigen würde (RdNr. 15). Sie werden deswegen als allgemeineres Mordmerkmal vom spezielleren Mordmerkmal der Ermöglichungsabsicht verdrängt. A hat folglich nicht aus niedrigen Beweggründen gehandelt.Auch in dem Motiv, mit dem Auto einer Frau imponieren zu wollen, hat der BGH keine niedrigen Beweggründe gesehen (RdNr. 15).Das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe läuft Gefahr, zu unbestimmt zu werden. Es ist daher nur sehr restriktiv anzuwenden. Das kannst Du in deiner Klausur auch ruhig deutlich machen, wenn Du diskutierst, ob im Einzelfall niedrige Beweggründe vorliegen. Ergänzender Hinweis: Das Mordmerkmal der Habgier hat der BGH im vorliegenden Beschluss nicht besprochen. Finden sich im Klausursachverhalt aber mehr Angaben dazu, ob das Gewinnstreben für A tatbeherrschend (oder nicht) war, solltest Du die Habgier aber auf jeden Fall ansprechen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rechthaber

Rechthaber

7.9.2024, 11:25:54

was ist denn mit dem mordmerkmal der

Habgier

, wenn man bei dem täter die

zueignungsabsicht

bejaht. wenn man ihm mangels rückführungswille eine zu zumindest vorübergehende aneinungssbsicht unterstellt , dann müsste man doch auch die

habgier

annehmen ? ich habe ursprünglich gedacht es ginge um das verhältnis von

habgier

und ermöglichungssbsicht, wenn ich mit der beabsichtigten Tat zugleich mein vermögen vermehren möchte ?

Yenni

Yenni

10.9.2024, 08:16:52

Ich würde hier sagen, dass es dem Täter nicht um das Gewinnstreben um jeden Preis ging weil es ihm nicht um den finanziellen Vorteil an sich (als handlungsleitendes Motiv) ging, sondern um die reine Nutzung des Autos (um einer Frau zu imponieren).

Rechthaber

Rechthaber

10.9.2024, 16:36:31

naja ändert ja trotzdem nichts daran, dass sich der Täter durch die tat einen materiellen Vorteil ( Hier die Nutzung des Autos ) verschaffen wollte. Was er damit anfangen wollte, müsste nur ein bloßes Fernziel darstellen und bleibt bei der Berückschtigung des Tatbestandsmekmals der

Habgier

außer betracht.

Geld

stellt kein Selbstzweck dar, sondern immer ein Mittel zum Zweck ( Hier Das imponieren),Würde man berücksichtigen, was der Täter mit dem materiellen Vorteil vor hat, dann würden viele

Habgier

morde gar nicht unter 211 fallen, weil der Täter ja in der Regel mit dem materiellen Vorteil einen ganz anderen Zweck verfolgt. So habe ich es zumindest aus dem Kommentar aus MüKO StGB 211 Rn entnommen, kannst du gerne nachlesen und im Forum nachtragen, wenn du es anders verstanden hast. Rn. 68

Yenni

Yenni

10.9.2024, 16:56:59

im Ref in BW habe ich fürs SR keinen Zugang zum MüKo ich weiß es nur aus der Examensvorbereitung aufs 1. Stex noch dass man bei Morivbündeln auf das handlungsleitende Motiv abstellt. Ein gesteigertes, abstoßendes Gewinnstreben, das hier jedes normale Maß an Gewinnstreben übersteigt sehe ich hier nicht. In der Literatur werden manchmal auch recht weite Auffassungen vertreten. Ich meine der MüKo ist da manchmal recht weit. Man muss immer im Blick behalten dass Mordmerkmale restriktiv ausgelegt werden müssen. Der BGH ist hier auch restriktiv und stellt immer im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf das "bewusstseinsdominante" Merkmal ab. Ich wollte im Endeffekt nur erklären warum der BGH das manchmal gar nicht groß prüft ;) In der Klausur zum 1. Stex denke ich kann man es auch weiter fassen, das kann dann m.E. auch als vertretbar gewertet werden, sofern man eben überzeugend augumentieren kann dass auch

Habgier

hier handlungsleitend dominant war. Das im Zweifel anzusprechen ist nie falsch, sofern man auf die restriktive Handhabung unter dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verweist.

Rechthaber

Rechthaber

10.9.2024, 17:52:05

Vielen Dank für deine Antwort yenni. Aber mir ist noch nicht klar, weshalb kein Gewinnstreben um jeden Preis vorliegen soll, wenn das "Aneignen des Autos" notwendiges Zwischenstadium ist. Hintergrund des gesteigerten Unrechts ist es doch, dass man Menschen nicht um des materiell Vorteils wegen töten darf. Wenn ich wie hier nur dadurch zu meinem Ziel gelange, dass ich mir einen fremdes vermögen zu eigen mache, dann ist doch das Gewinnstreben auch handlungsleitend. Müsste man dann nicht konsequenter weise die

Ermöglichungsabsicht

auch ablehnen, weil es ihm mangels "bewusstseindsdomanz" nicht zielgerichtet darauf ankam eine andere Straftat zu ermöglichen ?

Yenni

Yenni

10.9.2024, 18:09:34

ne meines Erachtens muss man das grade nicht ablehnen. Es steht klar im SV dass es ihm nur um die Entwendung des Autos geht. Der Diebstahl ist damit klar bewusstseinsdominant. Zwischenziele sind das grade nicht. Für die Erlangung eines Vermögensvorteils im Bewusstsein des Täters gibt der Sachverhalt nicht viel her. Das könnte man in einer Klausur im blödesten Fall als Sachverhaltsquetsche werten. Deshalb immer mein Tipp an der Stelle, ansprechen, restriktive Auslegung erwähnen, dann auf bewusstseinsleitende Merkmale prüfen. Das ist immee der sicherste Weg. Ob Du dann

Habgier

bejahst oder nicht ist dem normalen Korrektor wahrscheinlich Wurst. Ich könnte es nicht 100% nachvollziehen, würde es in der Korrektur aber weder positiv noch negativ werten. Was immer positiv kommt ist die kurze Erwägung der Auslegung in einem oder zwei Sätzen. Der Rest ist Ansichtssache. Die

Ermöglichungsabsicht

abzulehnen wäre aber wild da der Fall ganz klar drauf abzielt, deshalb eher nicht empfehlenswert. In der Praxis werden Mordmerkmale aber immer so behandelt dass man es beweisen kann. Dass es hier auf den Diebstahl ankam gibt der SV klar her. Steht im SV nichts genaues dazu was der Täter sich wirtschaftlich verspricht immer im Zweifel beim Mord immer vorsichtig sein und ablehnen wenn der SV nicht 100% klar ist. Dasselbe gilt für die niedrigen Beweggründe. Mach Dir im Zweifel über solche Kleinteiligkeiten aber nicht zu viel Kopf, darauf kommt es am Ende in der Klausur nie an. Vertretbar ist im 1. Stex noch so ziemlich alles wenn man die Methodik mit reinpackt. Bei mir hat unter restriktiver Auslegung (+Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) bei magerem SV ablehnen absolut noch nie eine negative Bewertung zur Folge gehabt in allen Übungsklausuren vorm 1. Stex plus eigenen Korrekturen :)

Rechthaber

Rechthaber

10.9.2024, 18:30:58

Ich denke nicht dass es sachverhaltsquetsche ist, wenn man dem Täter unterstellt, es käme ihm auch auf die Erlangung eines Vermögenvorteils an. Der Diebstahl erfordert ja gerade die Absicht sich unter Anmaßung einer eigentumsöhnlichen Position einen fremden Sache in sein Vermögen einzuverleiben. Ich finde es eher rechtfertigungsvedürftig, bei einem

Raubmord

wie diesen die

Habgier

überhaupt nicht anzusprechen

Yenni

Yenni

10.9.2024, 18:59:55

Ja wie gesagt man kann das unterschiedlich bewerten. Am Ende ist es für den Studenten nur wichtig ordentlich in der Klausur damit umzugehen. Wenn Du das so siehst ist es ja kein Problem. Faustregel als Student: Steht was dazu drin was der Täter wirtschaftlich (abgesehen von der Straftatbegehung) an Beweggründen hatte ist

Habgier

anzusprechen. Steht dazu nichts drin oder es geht um die reine Entwendung zur Nutzung ohne Rückführwille wie bei diesen Spritzfahrten bei denen der Täter das Auto danach unangeschlossen irgendwo abstellt. Zwischenziele sind nicht bewusstseinsdominant. Wenn der Täter aber jmd tötet nur um das Auto zu entwenden und damit rumzufahren geht es ihm erst mal 1. um den Diebstahl weil er erst den Schlüssel und das Auto in die Hände bekommen möchte und 2. um das Imponieren. Der Diebstahl ist Haupt- und nicht Zwischenziel in dem moment der Tötung weil der Täter allein daran denkt das Auto zu bekommen. Aber eben nicht des

Geld

wertes wegen. Der BGH betrachtet die Tat wenn es die Umstände zulassen aus der Sicht des Täters. Wenn der BGH der Ansicht war dass der Täter zum Tatzeitpunkt nicht an das

Geld

gedacht hat lehnt es Bewusstseinsdominanz ab. Der BGH war wohl der Meinung dass der Täter nicht an

geld

werte Vorteile (i.S.v.

Geld

zeichen in den Augen) gedacht hat sondern daran zu fahren und zu imponieren, also an den Diebstahl und etwas Immaterielles, das das Entwenden voraussetzt. Ansprechen kann man es aber immer kurz wenn man es fühlt. Dann halt kurz, man läuft dann immer Gefahr Zeit zu verlieren an einem Punkt an dem es wirklich völlig egal ist wie man sich entscheidet. Wie gesagt ich kann dir nur erklären warum der BGH (und die Vorinstanzen) das nicht ansprechen. Ich habe das im Rep und unzähligen Klausuren auch so gelernt. Am Ende sind Wege nicht fest. Man muss halt immer zuerst den Korrektor überzeugen.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

25.9.2024, 12:21:13

Hallo in die Runde, danke für eure so tiefgehende Diskussion - genau diese Auseinandersetzung mit verschiedenen Argumenten macht juristisches Arbeiten aus und bringt in der Klausur Punkte. Tatsächlich erwähnt der BGH das Mordmerkmal der

Habgier

in seinem Beschluss mit keinem Wort. Grundsätzlich stimmt es, dass der BGH verlangt, dass das Gewinnstreben „tatbeherrschend“ und „bewusstseinsdominant“ sein muss, damit

Habgier

vorliegt (BGH NJW 2001, 763). Aus der knappen Sachverhaltsdarstellung lässt sich das hier nicht entnehmen. In einer Klausur wären aber wahrscheinlich mehr Anhaltspunkte vorhanden, aus denen sich eine solche Bewusstseinsdominanz herleiten oder ablehnen lassen könnte. Dann lohnt es sich auf jeden Fall die

Habgier

zu diskutieren. Wir werden noch einen entsprechenden Vertiefungshinweis in den Fall aufnehmen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team

TI

Timurso

11.9.2024, 06:45:01

Wie wäre der Fall zu bewerten, wenn N sofort mit dem Stich verstirbt? Dann könnte A keinen Diebstahl mehr begehen, da dann der Gewahrsam des N erlischt und § 857 BGB keine Anwendung findet. Somit würden sowohl Raub als auch

Ermöglichungsabsicht

ausscheiden und es bliebe nur ein Mord aus niedrigen Beweggründen, richtig?

TI

Timurso

12.9.2024, 16:57:46

Neben Unterschlagung und jeglichen Arten von Körperverletzungsdelikten selbstverständlich.


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