Zivilrecht
Sachenrecht
Gesetzlicher Eigentumserwerb an beweglichen Sachen
Klassiker: Der Jungbullenfall – gegen Metzgermeister
Klassiker: Der Jungbullenfall – gegen Metzgermeister
4. November 2025
21 Kommentare
4,8 ★ (54.628 mal geöffnet in Jurafuchs)
Prüfungsschema
Wie prüfst Du einen Anspruch aus condictio indebiti (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB)?
- Etwas erlangt
 - Durch Leistung
 - Ohne Rechtsgrund
 - Ausschlusstatbestände (§§ 814, 817 S. 2 BGB)
 - Umfang der Bereicherung (§ 818 BGB)
 
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
D stiehlt von L zwei Jungbullen (Wert: € 200) und veräußert sie für € 150 an die gutgläubige Fleischerin F. F verarbeitet die Bullen zu Schinken. L fragt sich, welche Ansprüche ihr gegen F zustehen.
Diesen Fall lösen 75,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Klassiker: Der Jungbullenfall – gegen Metzgermeister
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. L hat das Eigentum an den Jungbullen durch die Veräußerung von D an F verloren (siehe §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1, 935 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
2. Ist L auch offensichtlich Eigentümerin des Schinkens (vgl. § 950 BGB)?
Nein, das trifft nicht zu!
3. L kann von F zum Ausgleich des Eigentumsverlusts Vergütung in Geld verlangen (§ 951 BGB), wenn die weiteren Voraussetzungen der §§ 812ff. BGB erfüllt sind.
Ja!
4. Eine Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Hat F das Eigentum an dem Schinken durch Leistung der L erlangt?
Nein, das ist nicht der Fall!
5. L könnte jedoch einen Anspruch aus Eingriffskondiktion gegen F haben (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Sperrt die Veräußerung des Bullen von D an F einen solchen Anspruch der L?
Nein, das trifft nicht zu!
6. L hat dem Grunde nach einen Anspruch aus Eingriffskondiktion gegen F (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB). Kann F aber einwenden, dass sie in Höhe des Kaufpreises (€150) entreichert (§ 818 Abs. 3 BGB) ist?
Nein!
7. Wird die Anwendung des Bereicherungsrechts im vorliegenden Fall durch § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB ausgeschlossen?
Nein, das ist nicht der Fall!
8. L steht somit ein Wertersatzanspruch i.H.v. € 200 gegen F zu.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Im🍑nderabilie
9.2.2023, 16:12:27
Wie lässt sich hier die Abschöpfungsfunktion des BereicherungsR in einen Ausgleich mit der Wertersatzfunktion des § 951 bringen? Einfach argumentativ mit der Gutgläubigkeit des Verarbeitenden?
Wesensgleiches Minus
17.9.2024, 18:34:30
Die Frage finde ich auch sehr interessant!
hardymary
1.4.2025, 15:40:58
Ein Prof meinte neulich zu mir (auf eine ähnliche Frage) dass es falsch ist, den Zweck der Bereicherung als Abschöpfung des verbliebenden Vermögens zu bezeichnen. Das Bereicherungsrecht sei auf Wertersatz der noch verbliebenden Bereicherung gerichtet.
Skywalker
4.7.2023, 22:16:10
Parallel zu dem nächsten Fall (Einbaufall) wäre es hier auch noch gut anzumerken, dass die Wertungen der 932 ff iVm
816 I 1einer
Eingriffskondiktionder L gegen F entgegenstehen könnte. Denn nur weil hier aufgrund der Entwendung des D ein
gutgläubiger Erwerbder F hypothetisch nicht! in Frage kommt, hat L eine
Eingriffskondiktiongegen F. Das vervollständigt dann meiner Meinung nach das „Gesamtbild“etwas besser.
h.s
1.7.2025, 11:49:32
Die Ansprüche aus EBV scheiden mangels
Vindikationslageschon aus Denn F ist ja durch Verarbeitung Eigentümerin geworden, sodass L schon nicht mehr Eigentümerin und F auch nicht Besitzerin ohne Besitzrecht ist (986). Daher greift der
Sperrwirkungdes 993 I Hs. 2 nicht sodass deliktische Ansprüche bestehen könnten; diese scheiden jedoch (wie richtig angemerkt mangels
Verschuldenaus. (Das bezieht sich auf den Klausurhinweis bei Frage 3)
Paulah
16.7.2025, 12:03:48
Es ist auf die Lage unmittelbar v o r der Verarbeitung abzustellen und da lag die
Vindikationslagevor.
Aleton
18.10.2025, 23:45:47
@[Paulah](135148) Ich dachte beim EBV geht es immer um den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses wo die
Vindikationslagevorliegen muss. Ist das hier wegen den gesetzlichen Eigentumserwerb jetzt eine Besonderheit?
Paulah
19.10.2025, 12:24:18
@[Aleton](3836) Der Zeitpunkt, wann genau das EBV für einschlägige Ansprüche bestanden haben muss, kann unterschiedlich sein. Für Ansprüche aus dem EBV ist auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses abzustellen. Es gibt, wenn ich es richtig verstanden habe, drei verschiedene Konstellationen, wann dieser Zeitpunkt eintritt: 1. Verarbeitung/Umwandlung =
JungbullenfallMaßgeblich ist der Zeitpunkt unmittelbar vor der Verarbeitung, weil danach die Herausgabe unmöglich geworden ist. 2. Zeitpunkt des vorherigen Eigentumsverlustes Liegt der Eigentumsverlust bereits vor der dem schädigenden Ereignis, gilt dieser Zeitpunkt. Beispiel: Ein Bauunternehmer erwirbt gutgläubig Eigentum an Baumaterial, danach tritt das schädigende Ereignis ein. Ein EBV besteht nicht mehr. 3. Fortdauernder, gestaltender Eingriff Ganz übel wird es bei einem fortdauernden, gestaltenden Eingriff: dort hat der BGH als maßgeblichen Zeitpunkt den Zeitpunkt festgelegt, zu dem der Eingriff rechtlich irreversibel wird. Es ist der Zeitpunkt für die Wertermittlung oder Beseitigung zu bestimmen. Der BGB hat dazu eine Konkretisierung des
Verwendungs- begriffs zugrundegelegt - ein recht neues Urteil dazu: BGH, 14.03.2025 -
V ZR 153/23Beispiel: Ein un
berechtigter Besitzer baut auf einem fremden Grundstück nach und nach Gebäude. Für einen
Verwendungsersatzmüsste festgestellt werden, ab wann der Eingriff rechtlich irreversibel wird.
Charles "Chuck" McGill
25.8.2025, 17:07:02
Wenn man dem weiten
Verwendungsbegriff folgt, was mitlerweile ja auch der BGH tut, dann liegt beim Verbrauch einer
Sacheja eine Nutzung vor. Entsprechend müsste § 993 bzgl. des Verbrauchs einer
SacheSperrwirkung
entfalten und § 951 wäre nicht mehr anwendbar. Oder verstehe ich das falsch?
Dwight Schrute
13.9.2025, 14:42:26
Der Anspruchsumfang wird iRd § 951 nach hM doch nach dem Wert bestimmt, welchen die verarbeitete
Sachenach der Verarbeitung hat?! (s. Grüneberg/Herrler § 951, Rn. 15); das wären hier mE die 500€
Dwight Schrute
15.9.2025, 12:05:50
@[Leo Lee](174538)
Dwight Schrute
15.9.2025, 12:06:07
@[Leo Lee](213375)
okalinkk
29.9.2025, 16:59:09
Richtig! Das habe ich in einer anderen Aufgabe zu 951 auch schon angemerkt! Wurde leider noch nicht korrigiert. Korrekt wären 500 Euro
Niro95
8.10.2025, 07:40:06
Das ist sehr umstritten, ich tue mir etwas schwer damit, die andere Ansicht als herrschende Meinung zu bezeichnen. Ich denke aber auch, dass die Rechtsprechung eher zu dieser Ansicht tendiert. Mindestens sollte man den Streit hier aufnehmen, der steht ja auch in fast jedem Kommentar.
Lena23
12.10.2025, 10:17:38
Stand in der anderen Aufgabe nicht, dass bei § 950 nur das Erlangte herausgegeben werden muss und bei § 946 der Betrag, um den sich der Wert des Grundstücks durch die Verbindung erhöht?
Leo Lee
12.10.2025, 22:20:09
Hallo Dwight Schrute - übrigens ist The Office UK lustiger als die amerikanische Version ;) - Hallo okalinkk und Niro95, vielen Dank für euer Feedback! Ergebnis vorangestellt: Wir haben die Aufgabe verändert, sodass die ursprüngliche Lösung nunmehr richtig ist. Allerdings haben wir dies NICHT getan, damit wir uns vor einer weiteren Bearbeitung "drücken" können etc. Für den Kontext: Ihr habt völlig recht, dass nach der allg. Meinung (darunter auch in der Rspr.) der Wertzuwachs als entscheidend angesehen wird. D.h. vor allem in Grundstücksentscheidungen wird der Wert dahingehend ermittelt, dass der Wert des (mit wie hier gestohlenen Materialen) bebauten Grundstücks - Wert des nicht bebauten Grundstücks die Bereicherung darstellt. D.h., dass bei konsequenter Anwendung dieses Grundsatzes hier 300 Euro rausgegeben werden müssten. Allerdings ist es in den Jungbullenfällen eig. fast immer der Fall, dass der Wert des Endprodukts nicht separat angegeben wird, damit gerade diese Diskussion nicht entsteht (der
Jungbullenfallist kompliziert genug). Deshalb haben wir auch die hiesige Aufgabe eher der klass. Klausurkonstellation angepasst. @okalinkk kannst du uns kurz mitteilen, welche Aufgabe zu genau meinst? Dann würden wir auch dort zeitnah die Umstellung vornehmen. Ansonsten kann ich vor allem die Lektüre der Beispielfälle aus dem Netz (u.a. https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/bghz55_176.htm) sowie BeckOGK BGB, Schermaler § 951 Rn. 33 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Aleton
18.10.2025, 23:36:38
Wie kam man hier auf den Wert von 300 Euro in der Aufgabe?
Aleton
19.10.2025, 00:08:55
Ganz ehrlich. Ich verstehe nicht warum hier EBV überhaupt geprüft wurde. Durch die Verarbeitung ist doch die F Eigentümerin geworden. Eine
Vindikationslageliegt doch gar nicht erst vor, oder?
Foxxy
19.10.2025, 00:09:02
Die Prüfung des EBV (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis) ist hier relevant, weil L bis zur Verarbeitung der Bullen durch F noch Eigentümerin war und gegen F einen Herausgabeanspruch (§ 985 BGB) hatte. Erst durch die Verarbeitung wurde F nach §
950 BGBoriginär Eigentümerin des Schinkens, sodass die
Vindikationslageendete. Das EBV spielt für die Abgrenzung der Ansprüche eine Rolle, insbesondere ob und inwieweit bereicherungsrechtliche Ansprüche (z.B. aus § 951 i.V.m. § 812 BGB) neben oder anstelle von Ansprüchen aus dem EBV bestehen. Die
Sperrwirkung des EBV(§ 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB) greift aber nicht, wenn – wie hier – das Eigentum an der
Sachedurch Verarbeitung untergeht und ein Wertersatzanspruch entsteht. L kann daher von F Wertersatz in Höhe von 200 € verlangen (§§ 951, 812 BGB).
Aleton
19.10.2025, 00:12:04
Ich verstehe es immer noch nicht ganz. Wie die AI gesagt hat, ist die F Eigentümerin geworden. Warum muss es dann neben dem § 951, 812 BGB stehen? Könnte das irgendjemand für mich aufdrösseln.
Tim Gottschalk
31.10.2025, 13:26:13
Hallo @[Aleton](3836), Foxxy geht nicht wirklich auf den Knackpunkt ein: Für das EBV muss die
Vindikationslagegrundsätzlich im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bestehen. Hier ist das schädigende Ereignis die Verarbeitung der Jungbullen. In diesem Zeitpunkt ist die L noch Eigentümerin, sodass die
Vindikationslagevorliegt. Erst nach dem schädigenden Ereignis (wenn die Verarbeitung abgeschlossen ist), geht das Eigentum an F über. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
