Strafrecht

Examensrelevante Rechtsprechung SR

Entscheidungen von 2020

Abgrenzung: Dreieckserpressung oder Diebstahl in mittelbarer Täterschaft

Abgrenzung: Dreieckserpressung oder Diebstahl in mittelbarer Täterschaft

9. Mai 2023

4,7(28.838 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: T bedroht zwei Kinder mit einem Messer.
Tags
besonders examenstauglich

T bedroht zwei 13-jährige Jungen mit einem Messer und fordert sie auf, mit ihm in die Innenstadt zu kommen und dort für ihn Wertgegenstände zu stehlen. Die Jungen sind von dem vorgehaltenen Messer so beeindruckt, dass sie sich zunächst nicht widersetzen. Unterwegs gelingt ihnen aber die Flucht.

Diesen Fall lösen 60,1 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Diese Entscheidung verdeutlicht die Abgrenzung zwischen einer versuchten Dreieckserpressung einem versuchten Diebstahl in mittelbarer Täterschaft. Maßgeblich ist hierbei, dass eine Dreieckserpressung ein Näheverhältnis zwischen dem Genötigten und dem Geschädigten voraussetzt. Wie dieses konkret ausgestaltet sein soll – rechtliches (Befugnistheorie) oder tatsächliches Näheverhältnis (Lagertheorie) - ist umstritten. Ungeachtet dieser Frage scheide eine Dreieckserpressung jedoch im vorliegenden Fall aus, da der Genötigte den Vermögensinteressen des geschädigten anvisierten Diebstahlopfers gleichgültig gegenüberstehe.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T sich wegen versuchter (besonders schwerer räuberischer) Erpressung zum Nachteil der Jungen strafbar gemacht, §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1a, 22 StGB?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Tat ist nicht vollendet, der Versuch ist nach §§ 12, 23 Abs. 1 StGB strafbar. T müsste Tatentschluss zu einer Erpressung gehabt haben. Fraglich ist, ob die Handlung, zu der die Jungen nach der Vorstellung des T genötigt werden sollten, überhaupt mit einem Vermögensnachteil für die Genötigten verbunden war. Hiergegen spricht, dass einem abverlangten Verhalten, das sich in der Begehung strafbarer Handlungen erschöpft, im Vermögen des Genötigten kein wirtschaftlicher Wert zukommt, so dass die erzwungene Vornahme solcher Handlungen keinen Vermögensschaden beim Nötigungsopfer begründen kann. Mithin besaß T keinen entsprechenden Tatentschluss.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Hat T sich wegen versuchter (besonders schwerer räuberischer) Erpressung zum Nachteil der anvisierten Diebstahlsopfer strafbar gemacht, §§ 253, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1a, 22 StGB?

Nein!

T müsste Tatentschluss zu einer Dreieckserpressung gehabt haben, da die genötigten Jungen und die anvisierten Diebstahlsopfer personenverschieden sind. In Abgrenzung zur mittelbaren Täterschaft setzt eine Dreieckserpressung voraus, dass der Genötigte zu dem Geschädigten in einer Nähebeziehung steht. Ungeachtet der strittigen Frage, ob hierfür auf eine faktische oder rechtliche Nähebeziehung abzustellen ist, scheidet eine Dreieckserpressung jedenfalls aus, wenn der Genötigte den Vermögensinteressen des Geschädigten gleichgültig gegenübersteht. Nach Vorstellung des T fehlte es daher an der nötigen Nähebeziehung. Eine versuchte Dreieckserpressung entfällt.

3. Hatte T Tatentschluss zu einem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft, §§ 242 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB?

Genau, so ist das!

Die Tat ist nicht vollendet, der Versuch ist nach § 242 Abs. 2 StGB strafbar. T müsste den Tatentschluss gefasst haben, die Merkmale des Diebstahls „durch" die Jungen zu erfüllen. T plante, die Jungen durch Drohung mit einem Messer dazu zu nötigen, für ihn fremde Wertgegenstände zu entwenden, um diese für sich zu behalten. Damit wollte er die Jungen als entschuldigte (§ 35 Abs. 1 StGB), mithin schuldlose Werkzeuge kraft überlegenen Wollens beherrschen (sog. Nötigungsherrschaft). Somit besaß T einen entsprechenden Tatentschluss, ohne dass es auf die Frage ankäme, ob T das Alter der Jungen kannte und sie als schuldunfähige Werkzeuge benutzen wollte.

4. Hat T auf Grundlage der h.M. unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt, § 22 StGB?

Nein, das trifft nicht zu!

Nach h.M. ist für den Versuchsbeginn des mittelbaren Täters nicht bereits auf den Beginn des Einwirkens auf den Tatmittler abzustellen, weil dieses Verhalten nicht den Beginn der Deliktsverwirklichung, sondern erst den Beginn der Verwirklichung der Zurechnungsnorm beschreibt. Vielmehr muss der mittelbare Täter aus seiner Sicht Einfluss auf das Verhalten des Tatmittlers gewonnen und diesen aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entlassen haben, dieser werde die tatbestandsmäßige Handlung vornehmen. Dieser Zeitpunkt war hier nicht erreicht, da sich die Jungen bereits auf dem Weg in die Innenstadt dem Einfluss des T entziehen konnten.

5. Hat T sich wegen versuchter Anstiftung zum Diebstahl strafbar gemacht, §§ 30 Abs. 1, 242 Abs. 1 StGB?

Nein!

Es ist nicht zu einem Diebstahl als Haupttat gekommen, nicht einmal zu einem entsprechenden Versuch, so dass keine Strafbarkeit wegen vollendeter Anstiftung (§ 26 StGB) gegeben sein kann. Da der Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) im Mindestmaß mit einer Geldstrafe bedroht ist, handelt es sich um ein Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB). Der Versuch einer Anstiftung zu einem Vergehen ist allerdings nicht strafbar (§ 30 Abs. 1 StGB).

6. Hat T sich aber wenigstens wegen einer Nötigung der beiden Jungen strafbar gemacht, § 240 Abs. 1, Abs. 2 StGB?

Nein, das ist nicht der Fall!

Indem T die Jungen mit einem Messer bedrohte und von ihnen Diebstähle verlangte, hat er mit einem empfindlichen Übel gedroht, da er dadurch zum Ausdruck brachte, dass für den Fall, dass diese sich nicht fügten, dessen Leib oder Leben beeinträchtigende Maßnahmen unmittelbar folgen werden. Ferner setzt der objektive Tatbestand einen Nötigungserfolg (Handeln, Dulden, Unterlassen) voraus. Dieser liegt vor, sobald das Opfer mit dem vom Täter erstrebten Verhalten begonnen hat. Nicht genügend ist aber eine Handlung des Opfers, die nur Mittel für das vom Täter gewollte Verhalten ist. Das bloße Auf-den-Weg-machen in die Innenstadt reicht daher nicht.

7. Hat T sich wegen versuchter Nötigung der beiden Jungen strafbar gemacht, §§ 240 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, 22 StGB?

Ja, in der Tat!

Die Tat ist nicht vollendet, denn der Nötigungserfolg ist nicht eingetreten. Der Versuch der Nötigung ist nach § 240 Abs. 3 StGB strafbar. T hatte den Tatentschluss, die Jungen durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu Diebstahlstaten zu nötigen. Indem T die Jungen bedrohte und damit bereits ein Tatbestandsmerkmal des § 240 StGB verwirklichte, hat er zur Tat unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB). T handelte rechtswidrig und schuldhaft. Insbesondere ist schon das Mittel, die Drohung mit dem Messereinsatz, als verwerflich anzusehen (§ 240 Abs. 2 StGB). T ist strafbar wegen versuchter Nötigung in zwei tateinheitlichen Fällen.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen

Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Erpressung (§ 253 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Nötigungshandlung (Gewalt oder Drohung mit empfindlichem Übel)
      2. Nötigungserfolg (Duldung, Handlung, Unterlassung)
      3. Vermögensverfügung (umstritten)
      4. Vermögensnachteil
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz bzgl. 1.a.-d.
      2. Bereicherungsabsicht
      3. Stoffgleichheit
      4. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Vermögensverschiebung und entsprechender Vorsatz
  2. Rechtswidrigkeit
    1. Allgemeine Rechtfertigungsgründe
    2. Verwerflichkeit der Nötigung nach § 253 Abs. 2 StGB
  3. Schuld
  4. Strafzumessungsregel nach § 253 Abs. 4 StGB

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen versuchten Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 2, 22, 23 Abs.1 StGB)?

  1. Vorprüfung: (1) Kein vollendeter Diebstahl; (2) Strafbarkeit des Versuchs (§ 242 Abs. 2 StGB)
  2. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Tatentschluss
      1. Vorsatz bezüglich der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
      2. Zueignungsabsicht
      3. Vorsatz bezüglich der Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung
    2. Unmittelbares Ansetzen (§ 22 StGB)
  3. Rechtswidrigkeit
  4. Schuld
  5. Strafaufhebungsgrund: Rücktritt (§ 24 Abs. 1, 2 StGB)
    1. Kein Fehlschlag
    2. Beendeter/Unbeendeter Versuch + Rücktrittshandlung
    3. Freiwilligkeit
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JS

Jonas S.

24.11.2020, 15:45:18

Warum handelt es sich nicht um einen Tatentschluss zu einer Erpressung in mittelbarer Täterschaft? Warum wird "plötzlich" nur noch der

Diebstahl in mittelbarer Täterschaft

thematisiert?

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

24.11.2020, 16:42:37

Hallo Jonas, danke für deine Frage. Das liegt daran, dass die genötigten Jungen (als Werkzeuge des Täters) nach seiner Vorstellung ja keine Erpressungen (mit Gewalt oder

Drohung

) ausüben sollen, sondern Diebstähle begehen sollen.

IUS

iustus

15.2.2021, 20:03:31

Aber kann man nicht damit argumentieren, dass der t zum Diebstahl angesetzt hat, indem er seinem tatplan entsprechend die Jungen für den 242 bestimmt hat? Oder wäre das eine zu arge Ausdehnung des Begriffs „Tat“ und damit mit 103 GG unvereinbar?

Speetzchen

Speetzchen

16.2.2021, 11:56:00

Tat meint nach § 11 Abs. 1 Nr. 5 StGB den gesetzlichen Tatbestand, d.h. T muss zum gesetzlichen Tatbestand des § 242 angesetzt haben, darunter fällt damit nicht das Bestimmen der Jungen einen Diebstahl zu begehen. Würde man den Begriff der Tat weiter verstehen würde das, wie du sagst, gegen Art. 103 GG verstoßen. Lg

IUS

iustus

16.2.2021, 12:10:39

Danke, also hatte ich schon mal den richtigen Gedanken. Wäre ja das gleiche Problem wie bei der alic mit der Ausdehnungstheorie.

AL

AliDaei24

22.4.2021, 08:49:07

Ich finde, das Wort “unterwegs” suggeriert hier, dass die Innenstadt weiter entfernt ist und dass sie sich ungewollt in Richtung Innenstadt begeben und so eben doch zu einer (notwendigen Zwischen-)Handlung genötigt wurden. Man könnte allerdings argumentieren, dass dies vom Versuch konsumiert wird.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.10.2021, 11:12:21

Hallo AliDaei24, interessanter Gedanke zu dem der BGH sich leider nicht näher ausgelassen hat. Denn in der Tat war die Innenstadt hier ein wenig weiter entfernt, sodass T mit den Jungen zunächst im Bus dorthin fuhr. Allerdings ist es letztlich vielleicht auch etwas künstlich den von einem einheitlichen Entschluss getragenen Nötigungsversuch an dieser Stelle künstlich in zwei Teile aufzuspalten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Melanie 🐝

Melanie 🐝

15.9.2021, 11:57:28

Ich muss leider sagen, dass ich die Aufbereitung des Falles hier überhaupt nicht gelungen finde. So muss man alle Punkte im Kopf erst durchprüfen und es ist finde ich kein großer Lerneffekt da. Ist meine persönliche Meinung. Ich denke eine Hernangehensweise in kleineren Schritten würde dem Fall gut tun, damit man die wesentlichen Knackpunkte besser versteht.

VIC

Victor

16.9.2021, 08:36:56

Aber hier wird doch direkt auf die Knackpunkte des Falles eingegangen und gerade die problematischen/entscheidenden Stellen abgehandelt. Zudem wird Delikt für Delikt vom schwersten ausgegangen behandelt. Und auch Vollendung vor Versuch.

DEPA

Der Paragraf

11.10.2021, 23:42:24

Maßstab für das unmittelbare Ansetzen des mittelbaren Täters und Subsumtion stimmen hier aus meiner Sicht nicht überein. Entweder ist der Maßstab ein anderer oder

unmittelbares Ansetzen

zu bejahen, denn T hat doch hier „aus seiner Sicht Einfluss auf das Verhalten des Tatmittlers gewonnen und diesen aus seinem Einwirkungsbereich in der Vorstellung entlassen …, dieser werde die tatbestandsmäßige Handlung vornehmen.“ Wenn es wirklich nur auf die Vorstellung des T ankommt, was mE gerade nicht hM ist, sehe ich keinen Grund hier das unmittelbare Ansetzen zu verneinen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.10.2021, 11:05:45

Hallo Ludwig, hier war vielleicht der Sachverhalt nicht ganz präzise. T bedrohte die beiden Jungen und machte sich dann mit ihnen auf den Weg in die Innenstadt. Erst dort wollte er sie aus seinem unmittelbaren Einflussbereich entlassen. Schon während des Weges sind die Jungs aber abgehauen. Auch nach seiner Vorstellung war insoweit klar, dass sie hier nicht die tatbstandsmäßige Handlung ausführen werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.10.2021, 11:06:10

*wir haben den Sachverhalt nun entsprechend konkretisiert :)

DEPA

Der Paragraf

12.10.2021, 11:22:39

Perfekt, mit der Klarstellung passt es! Danke :)

PAT

Patrick

13.4.2022, 16:25:24

Wieso wurde hier nicht ein versuchter erpresserischer Menschenraub zum Nachteil der Jungen geprüft?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.4.2022, 11:21:57

Hallo Patrick, der erpresserische Menschenraub wird von der Rechtsprechung in Zwei-Personen-Verhältnissen, also in solchen in denen der Täter die Sorge des Opfers um sein eigenes Wohl ausnutzt, nur sehr restriktiv angewandt. Verlangt wird dabei, dass ein funktionaler Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der angestrebten Erpressung besteht. Fallen Bemächtigungsmittel und Nötigungsmittel zusammen (zB Vorhalten des Messers) so kommt der Bemächtigungslage keine eigenständige Bedeutung zu. Insoweit fehlt es an dem funktionalen Zusammenhang, weswegen die Rechtsprechung in solchen Fällen die Annahme des § 239a StGB ablehnt (vgl. Valerius, in: BeckOK-StGB, 52.Ed. 1.2.2022, § 239a RdNr. 12ff). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Sambadi

Sambadi

17.4.2022, 07:20:32

Aber das ist schon auch eine vollendete Be

drohung

nach §239 oder nicht? Da braucht man ja gerade kein

Nötigungserfolg

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 15:29:08

Hallo Sambadi, die Be

drohung

nach § 241 Abs. 1 StGB ist hier ebenfalls verwirklicht. Allerdings tritt diese auch hinter der bloß versuchten Nötigung zurück (vgl. BGH Beschl. v. 11.03.2014 - 5 StR 20/14). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

schaschl2

schaschl2

26.4.2022, 21:26:08

Fall war in ähnlicher Konstellation im 1.Examen im NRW

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.4.2022, 01:20:47

Danke schaschl2, weißt Du zufällig noch, in welcher Kampagne der Fall lief? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

L123

L123

27.8.2022, 15:05:30

Kann man nicht schon eine vollendete Nötigung annehmen indem T mit

Drohung

die beiden zum folgen veranlasst hat?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.9.2022, 16:26:42

Hallo L123, er hat mit dem "in die Innenstadt folgen" zwar ein Verhalten veranlasst, allerdings war dieses nur Mittel zum Zweck. Es entsprach nicht dem anvisierten Verhalten, nämlich dem Bestehlen anderer Personen in der Innenstadt. Daher liegt noch keine vollendete Nötigung vor. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DerChristoph

DerChristoph

29.7.2024, 09:27:25

Hallo Nora, aber das "Mittel zum Zweck" ist doch für sich betrachtet auch schon ein Handeln (sprich: Bewegen) durch die Geschädigten. Aus Opferperspektive kann es doch nicht darauf ankommen, ob die "abgenötigte" Handlung bereits das Ziel des Täters darstellt oder nur Mittel zum Zweck ist? So oder so wird doch bereits das geschützte Rechtsgut (Handlungsfreiheit der Geschädigten) verletzt. Ich kann daher auch nicht verstehen, warum eine Nötigung nicht bereits verwirklicht ist.

fuchs_

fuchs_

15.9.2024, 13:18:12

Ja, fand ich auch erst komisch. Andererseits ist die versuchte Nötigung ja nicht zwingend milder zu bestrafen als die vollendete (vgl. §23 II "kann"), insofern ist der Opferschutz ja dennoch irgendwie gewahrt.

🔥1312

🔥1312🔥

8.3.2023, 20:50:27

Im Rahmen des Diebstahls in mittelbarer täterschaft wird hier darauf abgestellt, dass er die jungen als schuldlose werkzeuge 'verwenden' möchte, § 35 StGB. Gibt es einen Grund, warum hier nicht § 34 StGB und der

Nötigungsnotstand

angesprochen wurden? Aus meiner Sicht wäre das naheliegender und jedenfalls auch in der Klausur attraktiver um sich mit den unterschiedlichen Ansichten zur rechtsfolge des

Nötigungsnotstand

s zu beschäftigen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

9.3.2023, 14:03:35

Sehr guter Punkt, 🔥1312🔥! Der BGH hatte sich in der zugrundeliegenden Entscheidung nicht mehr näher mit der mittelbaren Täterschaft auseinandergesetzt, weswegen wir die Ausführungen hierzu knapp gehalten hatten. Völlig richtig kommt hier zusätzlich auch in Betracht, dass die Jungen sich in einem rechtfertigenden Notstand (§ 34 StGB) befunden hatten. Ob eine Rechtfertigung über § 34 StGB im Falle des

Nötigungsnotstand

es möglich ist, ist allerdings streitig. Lehnt man dies generell ab, so würde man in der Tat nur über § 35 StGB weiterkommen. Erkennt man die Rechtfertigung im Fall des

Nötigungsnotstand

s generell bzw. nach Abwägung im Einzelfall an, so könnte man hier sehr gut die Rechtfertigung annehmen (im Einzelnen nochmal:MüKoStGB/Erb, 4. Aufl. 2020, StGB § 34 Rn. 192). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen