Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2023
Duldungspflicht gegenüber abprallendem Schnee von baurechtlich zulässig errichtetem Nachbargebäude
Duldungspflicht gegenüber abprallendem Schnee von baurechtlich zulässig errichtetem Nachbargebäude
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Nachbar N baut - baurechtlich zulässig - ein Wohnhaus direkt angrenzend an Es Tankstellengebäude. Infolgedessen muss E ihr Tankstellendach nach DIN-Vorschriften für €50.000 ertüchtigen, um den veränderten Schneelastanforderungen infolge des vom Haus abprallenden Schnees zu entsprechen.
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Einordnung des Falls
Duldungspflicht gegenüber abprallendem Schnee von baurechtlich zulässig errichtetem Nachbargebäude
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. E könnte gegen N ein Anspruch auf Ausgleichszahlung aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zustehen.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Anspruch scheidet vorliegend bereits deshalb aus, da der abprallende Schnee nicht als Einwirkung im Sinne des § 906 BGB zu werten ist.
Nein, das trifft nicht zu!
3. Ein Ausgleichsanspruch besteht aber allenfalls bei positiven Einwirkungen (§ 906 Abs. 1 BGB ).
Ja!
4. Bei dem Schnee der von Ns Hauswand abprallt und auf das Tankstellendach fällt, handelt es sich bloß um eine negative Einwirkung (§ 906 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
5. Die Beeinträchtigung muss wesentlich sein (§ 906 BGB).
Ja, in der Tat!
6. Bei einer zulässigen baulichen Nutzung des Grundstücks fehlt es in aller Regel an der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks.
Ja!
7. Aufgrund der Höhe der damit verbundenen Ertüchtigungskosten ist E durch das legal errichtete Wohnhaus aber ausnahmsweise in der Nutzung seines Grundstücks wesentlich beeinträchtigt.
Nein, das ist nicht der Fall!
8. Steht E ein Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu?
Nein, das trifft nicht zu!
9. E hat aber einen Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog.
Nein!
10. E hat gegen N also keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hille93
16.4.2024, 09:54:35
bin ich offenbar nicht. Denn: "Wann eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegt, beurteilt sich nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittlichsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist." = juristisches Bauchgefühl auf schlau 😂 Also ich habe genau das Gegenteil gedacht: wesentliche Beeinträchtigung (+)
leftgod
17.4.2024, 20:25:17
Die wichtigen Informationen wurden leider auch in den Erklärungen versteckt. So hatte im vorliegenden Fall das Dach bereits eine „
Schadensanlage“, die zwar erst durch die Bebauung zu den Problemen geführt hat, eben aber auch nicht einfach so dazu führen sollte, dass der Nachbar „dafür“ aufkommen muss. Unter diesem Hintergrund hat sich für mich die Entscheidung erschlossen.
Hille93
21.4.2024, 11:27:22
Guter Punkt. Wobei ich das abstrakt auch nicht überzeugend finde. Zugespitzt gesagt: wenn mein Haus normale Fenster hat und neben mir wird eine Autobahn gebaut; manifestiert sich dann die "
Schadensanlage", dass ich keine Lärmschutzfenster habe? Vllt passt das Beispiel nicht ganz, aber so vom Prinzip her... Was ist dann der Maßstab, wann die innewohnende "
Schadensanlage" oder der Faktor Neubebauung des Nachbargrundstücks überwiegt? Lasst mich raten... die konkreten Umstände des Einzelfalls 😂
leftgod
21.4.2024, 11:36:55
Das stimmt wohl. Ich habe auch nochmal das Originalurteil überflogen und fand letztendlich am schlüssigsten, dass es gerade wegen der zulässigen (!) Bebauung eine hohe Hürde bei der Wesentlichkeit bedarf. Ansonsten ist der Bauherr, der sich an alle Vorschriften hält, am Ende doch einem Anspruch aus § 1004 I BGB ausgesetzt. Dazu noch das Argument der
Schadensanlageund der Umstand, dass die Immissionen letztendlich naturgemacht sind; dann überzeugt die Begründung mE.
indubischubidu
30.6.2024, 14:39:29
Was wäre ein Beispielsfall für den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch analog § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, der in Betracht kommt wenn „von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht gemäß § 1004 Abs. 1, § 862 Abs. 1 BGB unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen“? Mir fehlt grade leider die nötige Phantasie 🙈
jenny24
1.7.2024, 08:07:25
super. danke. sinnvoll wäre es mE für die Bearbeitung im Gutachten einmal die möglichen AGL in richtiger Reihenfolge darzustellen
CR7
14.8.2024, 12:10:38
Ich würde diese Reihenfolge wählen: § 906 II S. 2, § 906 II S. 2 analog, §§ 823 II i.V.m. § 907 BGB, § 1004 I S. 1 BGB Wenn du mit § 1004 I S. 1 BGB startest, prüfst du § 906 I S. 1 BGB inzident iRd.
Duldungspflicht. Aber § 1004 I S. 1 ist nur auf Beseitigung gerichtet
Viktoria6
5.8.2024, 14:41:27
Scheiter es bei §
906 II 2 analognicht auch schon an der Rechtswidrigkeit der Einwirkung? Bzw wann ist eine Einwirkung hier rechtswidrig, denn die Einwirkungen gem. § 906 I 1 müssten doch rechtmäßig sein, oder nicht ?
Eileen 🦊
24.8.2024, 10:56:56
Bei 1004 Abs. 1 S. 1 wäre demnach die Beeinträchtigung zu verneinen, weil hier auch eine wesentliche gefordert wird? LG