Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Grundbegriffe der Rechtsgeschäftslehre

Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Mahnung, § 286 Abs. 1 BGB)

Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Mahnung, § 286 Abs. 1 BGB)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G hat gegen S einen fälligen Anspruch auf Kaufpreiszahlung (§ 433 Abs. 2 BGB). Da S immer noch nicht gezahlt hat, fordert G ihn auf, zu zahlen. Er will den S aber nicht gleich in Verzug setzen, weil er das unhöflich fände.

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Einordnung des Falls

Rechtsgeschäftsähnliche Handlung (Mahnung, § 286 Abs. 1 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) ist eine Willenserklärung, die voraussetzt, dass der rechtsgeschäftliche Erfolg gewünscht ist. Da G die Rechtsfolge (Verzug) nicht möchte, hat er auch keine Mahnung ausgesprochen.

Nein!

Eine Willenserklärung ist eine auf den Eintritt eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtete private Willensäußerung. Der Erklärende äußert, dass nach seinem Willen eine bestimmte Rechtsfolge (Begründung, Änderung oder Beendigung eines Rechtsverhältnisses) gelten soll. Die Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu erbringen. Erstrebt wird ein tatsächlicher Erfolg. Ihre Rechtsfolgen (Verzug, der unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zum Ersatz des Verspätungsschadens verpflichtet) treten kraft Gesetzes ein, ohne dass ein Rechtsfolgewillen bei G vorliegen muss.
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2. Durch die Zahlungsaufforderung des G ist S automatisch in Verzug geraten. Die Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) ist eine rechtsgeschäftsähnliche Handlung, deren Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Erklärenden eintreten.

Genau, so ist das!

Rechtsgeschäftsähnliche Handlungen sind Willensäußerungen oder Mitteilungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft, ohne dass diese vom Äußernden gewollt sein müssen. Die Aufforderung zur Zahlung löst den rechtlichen Erfolg einer Mahnung aus. An die Mahnung knüpft § 286 Abs. 1 BGB unter der Voraussetzung der Fälligkeit der Leistung den Schuldnerverzug, der den G berechtigt, von S Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch den Verzug entstanden ist (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB). Diese Rechtsfolge beruht auf einer Erklärung des G. Sie tritt unabhängig davon ein, ob G die Verzugsfolgen auslösen wollte oder nicht.

3. Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass für die Mahnung (§ 286 BGB) die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) unmittelbar gelten.

Nein, das trifft nicht zu!

Das BGB enthält in Buch 1 (Allgemeiner Teil, §§ 1-240 BGB) Abschnitt 3 (Rechtsgeschäfte, §§ 104-185 BGB) spezielle Regeln für Willenserklärungen. Da die Mahnung keine Willenserklärung ist, sondern eine geschäftsähnliche Handlung, sind diese Vorschriften nicht direkt anwendbar.

4. Wäre G geschäftsunfähig (§ 104 BGB), wäre seine Mahnung nichtig (§ 105 Abs. 1 BGB analog).

Ja!

Auf geschäftsähnliche Handlungen sind die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) analog anwendbar, soweit dies Zweck und Eigenart der betreffenden Erklärung und die Interessenlage zulassen. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die geschäftsähnliche Handlung in einer Willensäußerung besteht. Damit sind auf die Mahnung (§ 286 Abs. 1 BGB) u.a. die Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff.) analog anwendbar. Die Mahnung eines Geschäftsunfähigen ist nichtig (§ 105 Abs. 1 analog).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Bobomurod

Bobomurod

30.3.2020, 10:59:44

Hallo, da ich einer der Incomer bin, sind paar Sachen mir nicht ganz klar, obwohl ich sie wiederholt lese oder ggf extra recherchiert habe. Sofern eine Mahnung keine WE ist, wie kann sie in der

Willensäußerung

bestehen und wie kann die Vorschriften über z.B. Geschäftsfähigkeit analog anwendbar sein? Könnten Sie kurz andere Beispiele benennen? Danke vorab für Ihre Antwort.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

30.3.2020, 14:04:29

Hi, danke für die coole Frage! Willenserklärung meint im rechtlichen Sinn die Kundgabe eines rechtlich bedeutsamen Willens, der auf die Herbeiführung einer Rechtsfolge gerichtet ist. Beispiel: Angebot gerichtet auf Abschluss eines Kaufvertrages gem. § 145 BGB, Anfechtungserklärung gem.

§ 123 Abs. 1 BGB

. Hingegen sind

rechtsgeschäftsähnliche Handlungen

Erklärungen, die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind. Mit anderen Worten: Ihre Folge tritt kraft Gesetzes ein, unabhängig vom dahingehenden Willen. Beispiel: Mahnung gem. § 286 Abs. 1 BGB oder das Verlangen nach Schadensersatz gem. § 281 Abs. 4 BGB.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

30.3.2020, 14:04:42

Beides sind also Erklärungen, zu unterscheiden ist nach der Rechtsfolge. Auf

rechtsgeschäftsähnliche Handlungen

werden die Vorschriften über Willenserklärungen analog angewandt, weil es für rechtsgeschäftsähnliche Erklärungen keine gesetzliche Regelung gibt (=planwidrige Regelungslücke) und die beiden Institute dennoch insgesamt ziemlich ähnlich sind (=vergleichbare Interessenlage). Ich hoffe, die Frage beantwortet zu haben! Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

Agit

Agit

31.3.2020, 06:15:31

Bei einer Willenserklärung tritt die Rechtsfolge Kraft Wollens des erklärenden ein. Bspw: In dem ein Angebot erklärt wird, wird die Rechtsfolge der Verbindlichkeit des Angebots vom Willen getragen mit erklärt. Dies aber auch nur weil der erklärende die Verbindlichkeit der Erklärung will. Bei einer rechtsgeschäftsähnlichen Handlung die ihrer Rechtsnatur nach eine sog. „Wissenserklärung“ ist, tritt die Rechtsfolge Kraft Gesetzes ein, wie bei §

286 BGB

der Verzug. Hier ordnet das Gesetz die Rechtsfolge an, allerdings muss der erklärende dem Empfänger das „Wissen“ lassen. Daher auch Wissenserklärung. Da eine Willenserklärung und Wissenserklärung nicht identisch sind, finden die allgemeine Vorschriften des BGB AT „analog“ auf sie Anwendung, weil es keine Regelungen für Wissenserklärungen gibt.

DerErsteSchwarzeKanzler

DerErsteSchwarzeKanzler

19.1.2021, 01:32:43

Da gebe ich nicht nur einen Daumen hoch, sondern sage ausdrücklich Danke für die Ausführung!

Agit

Agit

4.2.2021, 21:47:41

Gern geschehen! @DerErsteSchwarzeKanzler

Leo

Leo

11.12.2020, 17:47:05

Wie kann ein Geschäftsunfähiger einen Vertrag schließen?

t o m m y

t o m m y

11.12.2020, 17:58:28

indem er vertreten wird

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

11.12.2020, 20:55:10

Genau @tommy, von seinem gesetzlichen Vertreter (rechtliche Betreuung, §§ 1896ff. BGB).

juramen

juramen

18.1.2021, 02:14:27

Ein Geschäftsunfähiger kann auch so einen Vertrag schließen. Dieser ist allerdings

schwebend unwirksam

, bis der Vertreter ihn genehmigt. Tut er das nicht, ist der Vertrag unwirksam.

juramen

juramen

18.1.2021, 02:16:25

Mit "tut er das nicht" ist gemeint, dass er die Zustimmung verweigert 🙈

t o m m y

t o m m y

18.1.2021, 07:31:46

ich meine nicht! die WE eines geschäftsunfähigen ist von anfang an nicht

schwebend unwirksam

, sondern nichtig. ein nichtige WE kann dann auch nicht genehmigt werden; sondern: der vertreter muss das geschäft neu vornehmen.

t o m m y

t o m m y

18.1.2021, 07:32:32

norm vergessen: § 105 I (iVm 104 nr. 1)

Eigentum verpflichtet 🏔️

Eigentum verpflichtet 🏔️

2.3.2021, 19:53:49

So ist es tommy, an der Stelle darf Geschäftsunfähigkeit nicht mit beschränkter Geschäftsfähigkeit verwechselt werden!

juramen

juramen

2.3.2021, 20:15:09

Stimmt, bitte entschuldigt... Natürlich gilt oben gesagtes nur für beschränkt Geschäftsfähige, nicht für Geschäftsunfähige 🤦

Blackpanther

Blackpanther

31.3.2022, 19:11:18

Auch Geschäftsunfähige können in Ausnahmefällen Geschäfte schließen. Stichwort: lucidum intervallum

GEL

gelöscht

30.5.2021, 17:59:14

Warum ist der S laut Lösung durch die Mahnung automatisch im Verzug, wenn die Vorschrift sagt, dass er nur dann im Verzug ist, wenn er die Leistung nach Erhalt der Mahnung nicht erbringt? Aus dem Sachverhalt geht nicht hervor, ob der S nach Erhalt der Mahnung leistet oder nicht. §

286 BGB

"1Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug"

Marilena

Marilena

30.5.2021, 18:56:43

Hi Pbl, danke für die Frage! Bei Jurafuchs gehört die Illustration mit zum Sachverhalt und darauf ist ersichtlich, dass S „nichts hat“, was er leisten könnte. Es ist hier nirgendwo ersichtlich, dass er nach der Mahnung leistet. Liebe Grüße für das Jurafuchs-Team, Marilena

KLE

kleinerPadawan

14.3.2023, 08:00:52

Es kommt hier doch für den Eintritt des Verzugs nicht darauf an, ob der Schuldner etwas hat, oder? Sobald der Schuldner mit Eintritt der Fälligkeit nicht geleistet hat und eine Mahnung durch den Gläubiger ausgesprochen wird, tritt in der Praxis doch direkt bzw. unmittelbar Verzug ein - unabhängig davon, ob der Schuldner zur Leistung in der Lage ist oder nicht. Der Gesetzeswortlaut sagt auch er kommt MIT der Mahnung in Verzug. In zeitlicher Hinsicht ist das doch praktisch so zu verstehen, dass wenn die Mahnung ausgesprochen wird und der Schuldner nicht in der selben Sekunde noch leistet, Verzug eintritt. Oder verstehe ich da was falsch?

STE

Stella2244

3.10.2024, 16:56:49

Wäre interessant zu wissen wie lange der Zeitraum dauern darf von “leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht”

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.11.2024, 11:23:35

Hallo @[kleinerPadawan](165293), hallo @[Stella2244](227540), der Verzug erfordert nach wohl allgM den Zugang der Mahnung und darüber hinaus, dass der Schuldner nicht umgehend mit der Leistungshandlung beginnt (statt aller MüKo-BGB/Ernst, 9. Aufl 2022, § 286 Rn 117). Umgehend meint nicht "ohne schuldhaftes Zögern", sondern wirklich sofort (BeckOGK/Dornis, Stand 1.6.2024, § 286 Rn 229). Eine wie auch immer geartete "Übergangsphase" oder ähnliches müssen wir dem Schuldner grds nicht geben, denn die Leistung ist ja schon fällig. Beginnt der Schuldner aber wirklich sofort nach Wirksamkeit der Mahnung mit seiner Leistungshandlung, wird man noch keinen Verzug annehmen können (BeckOGK/Dornis, Stand 1.6.2024, § 286 Rn 230). Was genau "sofort" ist, kann man natürlich diskutieren, wird aber eher streng sein müssen (Beispiel von MüKo-BGB/Ernst, 9. Aufl 2022, § 286 Rn 117: wird vormittags telefonisch gemahnt und geht die Sache abends durch Zufall unter, soll der Schuldner schon haften). In seltenen Fällen mag man dem Schuldner einmal nach Treu und Glauben eine weitere Prüf- und Überlegungsfrist zugestehen können (näher BeckOGK/Dornis, Stand 1.6.2024, § 286 Rn 231 f). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Izapella

Izapella

20.2.2023, 15:43:46

Warum ist die Mahnungserklärung eines Minderjährigen nichtig? Sie ist doch

lediglich rechtlich vorteilhaft

oder habe ich da was falsch verstanden? Danke schon mal!

TI

Timurso

20.2.2023, 16:43:53

Das hast du richtig verstanden. Im Fall wird lediglich gesagt, dass die Mahnung eines Geschäftsunfähigen nichtig ist. Von beschränkt Geschäftsfähigen ist dort keine Rede.

Izapella

Izapella

25.2.2023, 15:37:29

Ach ja klar. Nicht richtig gelesen, danke dir!

UGE

Unerkannt Geisteskranker

2.7.2023, 11:09:16

Wieso ist S durch die Zahlungsaufforderung automatisch in Verzug geraten? Verzug setzt grds. mehr voraus als eine reine Zahlungsaufforderung und der Umstand, dass der Schuldner nichts hat, hätte ich weder als ausreichend für die Bejahung des §286 II Nr. 3 noch der Nr. 4 BGB angesehen, da sich aus dem Sachverhalt nicht ergibt, dass sich dieser Umstand nicht ändern würde/könnte.

Paul

Paul

13.7.2023, 16:13:19

Hi, also eine Mahnung iSd 286 beschreibt eine „an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete Leistung zu bewirken“ (BeckOK BGB/Lorenz BGB § 286 Rn.23; vgl. auch MüKoBGB/Ernst BGB § 286 Rn. 63). Mithin ist auch eine einfache Zahlungsaufforderung erfasst. Ich hoffe, ich konnte dir weiterhelfen.

Juratiopharm

Juratiopharm

17.7.2023, 20:21:50

Tatsächlich steht bereits in § 286 I S. 1 das durch die Mahnung der Verzug eintritt. Die Anforderungen der § 286 II braucht es nur, wenn keine Mahnung erfolgt ist.

JudgeFudge

JudgeFudge

5.9.2023, 00:48:46

Ich glaube UG meint mit Voraussetzung den fälligen und durchsetzbaren Anspruch. Dies ist wohl jedoch klar. Trotz allem sehen auch ich, dass der Fall verwirren könnte, wenn es sich nicht um höhere Semester handelt.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.11.2024, 11:41:51

Hallo @[Unerkannt Geisteskranker](49824), es ist völlig richtig, dass ein Schuldner nicht allgemein und allein durch eine Zahlungsaufforderung in Verzug gerät, weil zB diese Aufforderung nach § 286 I 1 BGB auf eine fällige Leistung hin erfolgen muss. In unserem Fall ist diese Voraussetzung allerdings erfüllt, deswegen kann man mE durchaus sagen, dass S infolge der Mahnung "automatisch in Verzug" gerät. Dass das generell und unabhängig von weiteren Voraussetzungen so ist, sagen wir nicht - und weisen in der Lösung zur Frage sogar ausdrücklich darauf hin, dass es insbesondere einer fälligen Leistung des Gläubigers bedarf, zumal das auch in § 286 I 1 BGB genau so steht. Ich würde die Aufgabe deswegen für den Moment so stehen lassen. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

13.7.2023, 00:31:02

Dieser Fall ist voll verwirrend und bringt einen nur durcheinander....lieber rausnehmen oder so umwandeln, dass es zu den Antworten passt. Danke!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.7.2023, 15:23:26

Hallo Diaa, schade, dass Dir der Fall nicht weitergeholfen hat. Hier in der Einheit zu den Grundbegriffen sollte der Fall zwei Learnings transportieren: (1) Bei geschäftsähnlichen Handlungen treten die Rechtsfolgen unabhängig vom Willen des Äußernden ein und (2) auf

geschäftsähnliche Handlungen

finden die Vorschriften für Willenserklärungen keine direkte, aber weitgehend entsprechende (analoge) Anwendung. Ich hoffe, damit wird es noch einmal klarer. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team

LAW

Law_yal_life

18.9.2023, 08:52:34

Eine Mahnung ist also eine

geschäftsähnliche Handlung

? Und die RF tritt immer unabhängig vom Willen kraft Gesetz ein? Aber trotzdem Weden wir die Willenserklärungsvorschriten analog an? Ich habe mir die anderen Kommentare durchgelesen, aber ich verstehe es immer noch nicht.. Bitte um Hilfe!

TI

Timurso

5.10.2023, 07:54:58

Hast du soweit richtig zusammengefasst, ja. Es ist keine Willenserklärung, aber de facto ja doch zumindest eine Erklärung, die die Rechtlage verändert. Insofern besteht Raum dafür, bestimmte Vorschriften analog anzuwenden.

KO

koresch

29.10.2023, 16:11:57

Bei der Innenvollmacht wird doch der Empfänger automatisch kraft Gesetzes Vertreter, sobald der Vertretene eine Vollmacht erteilt. Warum ist eine Vollmacht dann eine Willenserklärung und keine

rechtsgeschäftsähnliche Handlung

?

LELEE

Leo Lee

5.11.2023, 10:00:31

Hallo koresch, das ist eine gute Frage! Zunächst stimmt es, dass der Empfänger insofern „automatisch“ Vertreter wird, als der „Vertretene“ ihm gegenüber die Vertretungsmacht erteilt. Beachte allerdings, dass die Vollmacht nicht von Gesetzes wegen den Empfänger zum Vertreter macht (vielmehr umschreibt das Gesetz lediglich die Voraussetzungen und Reichweite einer solchen Vollmacht). Die Vollmacht ist immer noch eine empfangsbedürftige Willenserklärung, deren Rechtsfolge DURCH DEN WILLEN des Erklärenden eintritt und nicht – wie bei der Mahnung – aufgrund einer Vorschrift im BGB. Und weil der Eintritt der Rechtsfolge (Vollmacht) eben von dem Willen des Erklärenden abhängt, liegt eine „normale“ Willenserklärung vor und keine

rechtsgeschäftsähnliche Handlung

. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster Vor § 116 Rn. 18 empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

FEL

FelixR.

1.12.2023, 12:30:24

hab leider nicht ganz verstanden, warum die Mahnung kein Willenserklärung ist, ich aber trotzdem 106 ff. BGB anwenden kann also Geschäftsunfähigkeit

Paulah

Paulah

1.12.2023, 20:20:09

Lies doch mal die anderen Thread dazu. Da wird es erklärt.

LELEE

Leo Lee

2.12.2023, 16:53:25

Hallo Felix, das ist der Fall, weil Willenserklärung solche Erklärungen sind, die nach dem WILLEN des Erklärenden die Rechtsfolge eintreten lassen (d.h. bei einem Widerruf tritt die Rechtsfolge deshalb ein, weil der Erklärende den Widerruf auch will). Bei einer Mahnung treten die Rechtsfolgen jedoch schon ipso iure ein, also unabhängig davon, ob ich die Rechtsfolge will oder nicht (wenn man die Mahnung bspw. erklärt, kommt der Gegner automatisch in Verzug, auch wenn der Erklärende dies eigentlich nicht wollte); deshalb sind diese sog.

rechtsgeschäftsähnliche Handlungen

, die jedoch i.E. über die §§ 104 ff. BGB (analog) gelöst werden. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster Vor § 116 Rn. 17 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

MaxRaspody

MaxRaspody

8.2.2024, 13:50:45

Stimmt die Aussage "

geschäftsähnliche Handlungen

bewirken die Rechtsfolge unabhängig vom Willen des Handelnden" denn dann überhaupt noch? Wenn ich mahne, aber dabei geschäftsunfähig bin, so kommt der Schuldner dann doch NICHT in Verzug. Aber der Telos der §§ 106 ff ist doch gerade der Schutz "Willensgestörter". Insofern wird hier aufeinmal hinten rum doch auf den Willen abgestellt. Dogmatisch ist das überaus hässlich, wie ich finde.

rex ipso iure

rex ipso iure

23.2.2024, 21:04:51

Vermutlich geht es um die Einheit der Rechtsordnung sodass der Adressat einer Mahnung eines Geschäftsunfähigen Person nicht mit ihrer Wirksamkeit rechnen muss, da die WE auch unwirksam wäre

HO

holochaos

25.2.2024, 17:05:20

Ist das Vorhandensein einer "Willenskomponente" in geschäftsähnlichen Handlungen für die Zulässigkeit der analogen Anwendbarkeit der §§ 104-

185 BGB

ausreichend und wenn ja, ist diese analoge Anwendbarkeit für alle zivilrechtlichen Normen die eine "Willenskomponente" beinhalten, zulässig?

LELEE

Leo Lee

26.2.2024, 09:38:17

Halo holochaos, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat wird in der Literatur, die die analoge Anwendbarkeit befürwortet, nicht genau beschrieben, inwiefern sich aus einer Willenskomponente die generelle Zulässigkeit der Analogie ergibt. Allerdings wird die analoge Anwendung u.a. dadurch begründet, dass die

geschäftsähnliche Handlung

immerhin durch eine Willenserklärung passiere (jedoch die Rechtsfolge unabhängig vom Willen des Erklärenden eintrete). Somit ist in der Tat auch die Willenskomponente einer der Gründe – wenn nicht sogar DER ausschlaggebende Grund – für die Analogie der 104 ff.! Insofern liegst du mit deinem Gefühl richtig; bestätigt wird dies u.a. auch dadurch, dass die 104 ff. auf Realakte (die eben nicht durch eine Willenserklärung passieren) NICHT analog angewendet werden. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Armbrüster Vor § 116 Rn. 17 f. und 14 f. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Ala

Ala

11.7.2024, 09:21:53

„Auf

geschäftsähnliche Handlungen

sind die Vorschriften über Geschäftsfähigkeit (§§ 104ff. BGB), Willensmängel (§§ 116ff. BGB), Wirksamwerden (§§ 130ff. BGB), Auslegung (§§ 133, 157 BGB), Stellvertretung (§§ 164ff. BGB) und Einwilligung und Genehmigung (§§ 182ff. BGB) analog anwendbar, soweit dies Zweck und Eigenart der betreffenden Erklärung und die Interessenlage zulassen. Dies ist in der Regel dann anzunehmen, wenn die

geschäftsähnliche Handlung

in einer

Willensäußerung

besteht.“ Gibt es überhaupt

geschäftsähnliche Handlungen

ohne enthaltene

Willensäußerung

? Laut Definition nämlich nicht 🤔


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