Vermögensbegriff 7 - Täuschungsbedingter Verzicht auf nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften(§§134, 138 BGB)


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Klassisches Klausurproblem

Die engen Freunde T und M brauchen dringend Geld. M steht Schmiere. T entwendet währenddessen bei Oma O €2.000. Es war vereinbart, dass der Erlös geteilt wird. Gegenüber M behauptet T, dass er nur €1.000 erbeutet habe. M verlangt von T daher nur €500.

Einordnung des Falls

Vermögensbegriff 7 - Täuschungsbedingter Verzicht auf nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Rechtsgeschäften(§§134, 138 BGB)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat M getäuscht.

Genau, so ist das!

Eine Täuschung ist das Einwirken auf einen anderen mit dem Ziel der Erregung eines Irrtums. Indem T gegenüber dem M behauptet hat, dass die Beute nur €1.000 betrug, ging M davon aus, dass ihm nur €500 zustünden.

2. Indem M es unterlassen hat, die fehlenden 500 Euro einzufordern, hat er eine Vermögensverfügung getätigt.

Ja, in der Tat!

Eine Vermögensverfügung ist jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Neben einem Handeln oder Dulden ist auch in Unterlassen, das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt, eine Vermögensverfügung. Wegen des Irrtums unterließ es M, die übrigen 500 Euro einzufordern.

3. Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff (hL) liegt ein Vermögensschaden vor.

Nein!

Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff, besteht das Vermögen in der Gesamtheit aller wirtschaftlich relevanten Positionen, soweit diese nicht von der Rechtsordnung missbilligt werden. Die Forderung des M gegen T ist wegen eines Verstoßes gegen § 134 BGB nichtig, sodass sie nicht von der Rechtsordnung gebilligt wird.

4. Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff liegt ein Vermögensschaden vor.

Genau, so ist das!

Nach dem rein ökonomischen Vermögensbegriff besteht das Vermögen in allen geldwerten Gütern, über die eine Person faktisch verfügen kann. Die rechtliche Anerkennung des Guts spielt dabei keine Rolle. Nichtige Forderungen haben dann einen wirtschaftlichen Wert, wenn sie nach den konkreten Umständen aufgrund geschäftlicher, familiärer, freundschaftlicher oder sonstiger Beziehungen faktisch realisierbar erschienen. Der Forderung iHv 500 Euro kommt ein wirtschaftlicher Wert zu. Durch die enge Freundschaft, kann davon ausgegangen werden, dass M gegenüber T die Forderung geltend machen könnte, sofern er Kenntnis von dieser hätte.

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NAE3

nae3

5.7.2022, 15:04:50

Eine Frage: Wieso ist hier das Geld nicht „neutral“ und unterfällt dann doch dem juristisch-ökonomischen

Vermögensbegriff

?

Fabio_specter

Fabio_specter

7.7.2022, 13:46:20

Hier musst du auf die sittenwidrige Abrede der beiden Freunde abstellen, wobei die daraus für M bestehenden „Forderung“ aufgrund ihrer rechtlichen Nicht-Durchsetzbarkeit nicht schützenswert ist nach dem juristisch-ökonomischen

Vermögensbegriff

. Anders wäre der Fall wenn M den T bereits Geld gegeben hat damit er die Oma beklaut und T das von vorne herein nicht vorhatte. Hier kannst du dann auf das wertneutrale Geld abstellen.

BEBE

Benni Bertelmann

30.11.2022, 17:14:21

Ist hier nun § 134 BGB oder § 138 I BGB einschlägig?

Larzed

Larzed

23.1.2023, 11:48:02

Ich verstehe nicht, warum die Forderung nach dem ökonomischen

Vermögensbegriff

zum geschützten Vermögen gehört. Bei "normalen" Vereinbarungen ist es durchaus verständlich. Aber M hatte ja nie einen Anspruch auf das Geld wegen Nichtigkeit, § 138 BGB. Wenn eine Forderung nicht existiert, kann sie doch keinen wirtschaftlichen Wert haben oder liege ich damit falsch?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

25.1.2023, 13:30:25

Hallo Larzed, nach dem ökonomischen Begriff spielt die rechtliche Anerkennung des Guts dabei keine Rolle. Nichtige Forderungen haben dann einen wirtschaftlichen Wert, wenn sie nach den konkreten Umständen aufgrund geschäftlicher, familiärer, freundschaftlicher oder sonstiger Beziehungen faktisch realisierbar erschienen. Mit deinem Punkt bist du ganz bei den Kritikern dieses Begriffs, die einen solch extensiven

Vermögensbegriff

ablehnen. Diese folgen daher z.T. dem juristisch-ökonomischen

Vermögensbegriff

, um solche Widersprüche zu vermeiden. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

JC1909

jc1909

4.2.2023, 13:23:44

Warum bejaht die hL bei dem vorherigen Fall dann einen Vermögensschaden? Die Forderung des Drogenkäufers wäre ja auch wegen § 134 BGB nichtig..

Simon

Simon

17.7.2024, 23:40:48

Die Nichtigkeit der Forderung im vorigen Fall ändert nichts daran, dass die Geldscheine, welches das Opfer an den Täter gezahlt hat, in seinem Eigentum standen und daher in sein Vermögen fielen. Hier standen die Geldscheine nie im Eigentum des Opfers, sodass man allenfalls auf eine Forderung gegen den Täter abstellen könnte. Diese besteht aber wegen Nichtigkeit der vertraglichen Abrede nach § 134 BGB nicht, sodass nach dem juristisch-ökonomischen

Vermögensbegriff

ein Schaden entfällt.

MO

Momme

17.6.2023, 20:01:52

Hallo, ich verstehe nicht, warum hier im Unterlassen der Geltendmachung des „Anspruchs“ auf die restlichen 500€ nach beiden

Vermögensbegriff

en eine Vermögensverfügung liegen soll - schließlich wird eine solche ja als „… das sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt“ definiert. Nach der hL (juristisch-ökonomischer Begriff) ist ein solcher sittenwidriger Anspruch jedoch nicht Teil des strafrechtlich geschützten Vermögens… Wie kann man nun zunächst unter „Vermögensverfügung“ feststellen, dass M unmittelbar in seinem Vermögen gemindert wurde und sodann unter „Vermögensschaden“ schreiben, unterstellt man folgt dem

Vermögensbegriff

der hL, dass derartige, missbilligte Ansprüche nicht Bestandteil des Vermögens sein können und infolgedessen beim M kein Schaden eingetreten ist? Das wäre nur dann nicht widersprüchlich, wenn dem Vermögen bei der Vermögensverfügung eine andere (weitergefasste) Definition zu Grunde läge… (aber einen Begriff innerhalb einer Norm verschiedentlich auszulegen erscheint fragwürdig). M.E. nach ist die Aussage, nach der M, indem er es unterließ, die restlichen 500€ einzufordern, eine Vermögensverfügung getroffen hat, nicht ohne Weiteres mit „Stimmt“ zu beantworten. Vielmehr wäre bereits an dieser Stelle zu diskutieren, auf welchen

Vermögensbegriff

abzustellen ist und eine Vermögensverfügung dann entsprechend zu bejahen (rein wirtschaftlicher

Vermögensbegriff

) oder zu verneinen (juristisch-ökonomischer

Vermögensbegriff

). Wie seht ihr das?:)

DIAA

Diaa

29.8.2023, 23:01:57

Welchem Begriff sollte man im 1. Examen folgen?

LELEE

Leo Lee

3.9.2023, 20:19:05

Hallo Diaa, im ersten Examen sind die Korrektoren relativ gütig, weshalb du eigentlich - theoretisch zumindest - jeder Ansicht folgen kannst/darfst. Wichtig ist nur, dass du hier hinreichend klar machst, weshalb es ein Problem gibt und welche Argumente weshalb überzeugender sind als die Gegenseite. Allgemein empfehlt es sich jedoch, auch im ersten Examen lieber der praktischeren Meinung zu folgen. D.h., hier würde ich dir persönlich empfehlen, dem wirtschaftlichen Begriff zu folgen. "Totschlagargument" ist dabei, dass auch im Ganovenmilieu es keine straffreien Räume geben darf :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

Cosmonaut

Cosmonaut

11.2.2024, 19:35:38

@[Leo Lee](213375) Hey, Könntet ihr eine Übersicht der jeweiligen Positionen und streitenden Argumente ergänzen, das würde die Abstraktheit ein wenig konterkarieren! Vielen Dank!

ISAB

Isabelle.Sophie

9.11.2023, 21:00:32

Im Rep haben wir gelernt, dass die Rspr. zwar den ökonomischen

Vermögensbegriff

vertritt, diesen mittlerweile aber durch normative Kriterien ergänzt und daher die Werthaltigkeit von nichtigen Forderungen ablehnt. In de Aufgaben wird aber streng dem ökonomischen Begriff gefolgt ohne Berücksichtigung etwaiger Kriterien. Nun frage ich mich, was richtig ist.

LELEE

Leo Lee

12.11.2023, 12:07:53

Hallo Isabelle.Sophie, du hast natürlich völlig recht, dass mittlerweile es im Einzelfall Ansätze gibt, die ausgehend von dem ök. Begriff mit normativen Gesichtspunkten den Begriff einschränken wollen. Beachte allerdings, dass mit „juristisch-ökonomisch“ dieser Begriff gemeint ist – grds. wird ökonomisch gewertet, jedoch wird dann etwa wieder eingeschränkt, wenn ein Fall von §§ 134 oder 138 BGB vorliegt. I.Ü. kann ich hierzu die Lektüre von Fischer StGB 70. Auflage, § 263 Rn. 90 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

CAS

Captain Stupid

20.7.2024, 19:05:01

Gibt es einen Grund, aus dem sich die Frage nach dem

Vermögensbegriff

erst beim Vermögensschaden stellt und nicht bereits bei der Vermögensverfügung?


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