ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V hat K am 1.3. per Handschlag eine Bierzapfanlage verkauft. Am 5.3. äußert V Bedenken, ob mündliche Vereinbarungen überhaupt bindend sind. Da er nicht liefert, entgehen K Einnahmen in Höhe von €500.

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Einordnung des Falls

ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung haben (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Leistung (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) besteht, sofern (1) ein Schuldverhältnis vorliegt, (2) der Schuldner sich im Schuldnerverzug befindet (§ 286 BGB) und (3) ein Schaden des Gläubigers besteht.
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2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrages (§ 433 BGB).

Ja, in der Tat!

Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag zwischen den Beteiligten notwendig (§ 311 Abs. 1 BGB). Der Abschluss von Verträgen unterliegt grundsätzlich keiner bestimmten Form, sodass auch der mündliche Kaufvertrag zwischen K und V wirksam ist.

3. V müsste sich im Schuldnerverzug befinden.

Ja!

Schadensersatz wegen verzögerter Leistung setzt Schuldnerverzug voraus (§ 280 Abs. 2 BGB). Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht erfüllt, in dem die Forderung wirksam, durchsetzbar und fällig ist, angemahnt (sofern eine Mahnung nicht entbehrlich ist (§ 286 Abs. 2 BGB)) und noch möglich (nachholbar) ist und er die Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Bei Entgeltforderungen tritt der Verzug zudem auch ohne Mahnung spätestens 30 Tage nach Rechnungsstellung ein (§ 286 Abs. 3 BGB)

4. Ks Forderung ist wirksam, fällig und durchsetzbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ks Kaufvertrag mit V ist wirksam und begründet einen Anspruch auf Lieferung der Anlage (§ 433 Abs. 1 BGB). Da keine Leistungszeit verabredet war, ist die Forderung sofort fällig (§ 271 BGB). Erst wenn K seinerseits seine Gegenleistung anbietet (§ 320 Abs. 1 BGB), steht V keine Einrede zu und die Forderung wird durchsetzbar. Solange er das nicht getan hat, schließt das Bestehen der Einrede des § 320 Abs. 1 BGB bereits den Verzug nach § 286 BGB aus.

5. K hat V gemahnt (§ 286 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Unter einer Mahnung versteht man die an den Schuldner gerichtete eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit welcher der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung verlangt. K hat sich gegenüber V in keiner Weise geäußert.

6. Auch ohne Mahnung ist V durch die geäußerten Zweifel am 5.3. in Verzug geraten.

Nein!

Schuldnerverzug setzt zwar grundsätzlich den Ausspruch einer Mahnung voraus (§ 286 Abs. 1 BGB). Eine Mahnung ist aber bei Vorliegen bestimmter Tatbestände ausnahmsweise entbehrlich (§ 286 Abs. 2 BGB). Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Denn in diesem Fall wäre das Erfordernis der Mahnung letztlich bloße Förmelei. Die bloße Äußerung von Zweifeln stellt gerade noch keine abschließende Entscheidung des Schuldners dar, die eine Mahnung sinnlos erscheinen lassen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BENKE

BenKenobi

11.6.2023, 12:08:25

Ich verstehe nicht ganz, warum die Forderung des K einredebehaftet sein soll. Grundsärtzlich würde ich davon ausgehen, dass K mit der Geltendmachung seiner Forderung zum Ausdruck bringt, die Kaufsache Zug-um-Zug gegen Leistung des Kaufpreises erhalten zu wollen. Hingegen Wenn hegt V gerade Zweifel am Bestehen seiner Schuld, womit seine Leistungswilligkeit anzuzweifeln ist. Wenn der Gläubiger unter dieser Prämisse fordert, kann der Schuldner doch keine Einrede aus § 320 I BGB haben, oder?

MAR

Maryen

29.11.2023, 16:44:58

Das frage ich mich auch

ROAD

roadrunnert

27.12.2023, 21:46:35

@Maryen Bei

§ 320 BGB

gilt die Besonderheit, dass das Vorliegen der Voraussetzungen den Verzug ausschließt und sich der Schuldner nicht darauf berufen muss. Frag mich nicht, warum das so ist, aber so steht es in Lehrbüchern und auch hier bei Jurafuchs in einer anderen Aufgabe.

AS

as.mzkw

21.8.2024, 12:08:09

Vor allem verstehe ich nicht wieso in der Aufgabe dann überhaupt trotz angeblicher Nichtdurchsetzbarkeit weiter geprüft wird.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

17.9.2024, 12:04:10

Hallo @[BenKenobi](204235), zunächst einmal enthält die Sachverhaltsdarstellung keinerlei Anhaltspunkte dahingehend, das K seine Forderung überhaupt geltend gemacht hat. Selbst wenn er das getan hätte, dürfte das allein aber kaum ausreichen. Erforderlich ist vielmehr, dass gerade die Gegenleistung (also die Kaufpreiszahlung) explizit angeboten wird; die bloße Bereitschaft dazu genügt nicht (MüKoBGB/Ernst, 9. Aufl 2022, § 286 Rn 33; BeckOK-BGB/Lorenz, 71. Ed., Stand 1.8.24, § 286 Rn 14). Anderenfalls kommt V hier wegen § 320 I 1 BGB grds nicht in Verzug. Wer das Bestehen der eigenen Schuld anzweifelt, hat damit noch nicht die Leistung ernsthaft und endgültig (!) verweigert iSd § 286 II Nr 3 BGB, sodass eine Mahnung auch nicht entbehrlich ist. Das Angebot zum Erbringen der Gegenleistung kann man auch grds nicht in das Fordern der eigenen Leistung "hineinlesen", es muss vielmehr ausdrücklich erfolgen (das gilt zB auch in einer Klageschrift: Wer hier nicht ausdrücklich Leistung Zug-um-Zug beantragt und dadurch die Gegenleistung anbietet, kann teilweise unterliegen!). Warum wir anschließend dennoch weiterprüfen, hat vor allem didaktische Gründe: Nur so können wir in dieser Aufgabe noch einmal näher auf § 286 BGB und die Mahnung eingehen, was uns sinnvoll scheint. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

BI

Bilbo

24.7.2023, 14:56:17

Die Äußerung von V am 05.03. kann also nicht als Anfechtung angesehen werden? Sollte man das in einer Klausur wenigstens ansprechen, um den Satz zu verwerten oder welche Rolle spielt der hier?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.7.2023, 18:09:11

Hallo Bilbo, das wäre an der Stelle wohl eher fernliegend. Insbesondere wäre hier fraglich, worin genau der Anfechtungsgrund bestehen sollte. Sofern der Vertrag formunwirksam ist, bedarf es ja überhaupt keiner Anfechtung, sondern er wäre direkt nach § 125 BGB nichtig. Im Übrigen sind die Parteien grundsätzlich an einen abgeschlossenen Vertrag gebunden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BI

Bilbo

7.8.2023, 19:39:14

Alles klar, danke!

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

25.11.2023, 17:08:31

Ich habe es noch so gelernt: Einregen müssen reden; Einreden müssen also erhoben werden, um die Durchsetzbarkeit tatsächlich aufzuheben. Wie kommt es, dass dies hier anscheinend nicht der Fall ist? Es handelt sich doch um eine dilatorische Einrede, oder?

ROAD

roadrunnert

10.1.2024, 23:02:30

@[der

unerkannt geisteskrank

e E](199982) Bei § 286 BGB müssen die Einreden nur bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlungen erhoben worden sein. Deshalb darf man das in der Klausur unterstellen. Die Ausnahme ist das

Zurückbehaltungsrecht

aus

§ 273

I BGB, das noch vor der Mahnung, also vor oder gleichzeitig mit den Verzugsvoraussetzungen, geltend gemacht werden muss. Grund ist, dass der Gläubiger das ZBR durch Sicherheitsleistung abwenden kann,

§ 273

III, und dann nicht seinen Schadensersatzanspruch verliert.

QUIG

QuiGonTim

6.2.2024, 23:07:33

Wie ist mit § 320 Abs. 1 S. 1 BGB in der Klausur umzugehen? Ist die Norm stets anzusprechen, wenn sich im Sachverhalt keine Angaben zu einer bereits erfüllten Gegen

leistungspflicht

finden?

Natze

Natze

21.2.2024, 21:13:05

Das würde mich auch interessieren.

Jakob G.

Jakob G.

16.9.2024, 22:33:47

Ich würde das so formulieren, dass die Leistung Zug um Zug gegen Gegenleistung verlangt werden kann. Denn genau das ist die Rechtsfolge, die sich in § 322 I BGB ergibt. Bei Erhebung der Einrede des nichterfüllten Vertrages einer Seite wird beim Rechtsstreit die Klage der anderen Seite nicht abgewiesen, sondern es wird Zug-um-Zug verurteilt, sodass beide Parteien einen jeweils vollstreckbaren Anspruch in Händen halten und nicht eine Partei in Vorleistung gehen muss (Aufhebung der Blockade). (BeckOGK/Rüfner, 1.4.2024, BGB § 322 Rn. 2)

QUIG

QuiGonTim

6.2.2024, 23:10:03

Die folgende Frage, bezieht sich nicht speziell auf diesen Fall, sondern betrifft den

Schuldnerverzug

allgemein. Wie ist der Prüfungspunkt „Nachholbarkeit“ zu verstehen? Soll er bloß die Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB ausschließen oder steckt mehr dahinter?

QUIG

QuiGonTim

6.2.2024, 23:12:14

Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr ein Beispiel für die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB nennen?

GO

gova

7.2.2024, 15:39:18

Vorab, super hilfreiche Fälle zum

Schuldnerverzug

, danke! Es wäre super, wenn ihr noch etwas zum Schaden / zu den Rechtsfolgen (v.a. Rechtsanwaltskosten, Verzugszinsen) bringen könntet.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

23.10.2024, 17:25:45

Hallo gova, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Linne_Karlotta_, für das Jurafuchs-Team

LUKA

Lukas

28.8.2024, 12:52:56

In der Fallfrage wäre der Hinweis ganz nett, dass K nicht schon geleistet hat. Denn so fehlt das Problembewusstsein, dass zur Annahme einer Einrede nach § 320 Abs. 1 BGB führt.

G0D0FM

G0d0fMischief

19.10.2024, 12:37:16

In einer anderen Aufgabe, wurde angenommen, dass der Verkäufer vor

leistungspflicht

ig ist - unter anderem aufgrund einer ansonsten ungerechtfertigten Benachteiligung des Käufers, da dieser gem. § 270 I BGB schon für den Untergang des Geldes auf Zufall haftet. Hier wird jetzt

§ 320 BGB

doch relevant. Ich finde es vorliegend widersprüchlich, wie in einer Aufgabe eine Vor

leistungspflicht

des Verkäufers angenommen werden kann und in einer anderen dann wieder die

Leistungspflichten

von Verkäufer und Käufer „gleichrangig“ sind.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

21.10.2024, 10:23:46

Hallo @[G0d0fMischief](217996), vielen Dank für Deinen Hinweis. Ich schaue mir das gerne näher an und kläre, ob sich hier in Fehler eingeschlichen hat oder wir etwas korrigieren/präzisieren müssen. Ohne die andere Aufgabe zu kennen und die Sachverhalte entsprechend zu vergleichen, kann ich dazu aber abstrakt leider wenig sagen. Auch wir Moderatoren kennen natürlich nicht alle Aufgaben und ich kann anhand Deiner Schilderung nicht wirklich erkennen, um welche "andere Aufgabe" es Dir geht. Weiß Du zufällig noch, um welche andere Aufgabe es sich handelt? Falls ja, lass es mich gerne wissen - idealerweise, indem Du die konkrete Aufgabe nennst. Am einfachsten geht das, indem Du mir den Link zur Aufgabe in Deiner Post einfügst (Symbol mit dem Quadrat und dem nach rechts oben herausgehenden Pfeil über der Aufgabe anklicken ("Teilen"-Symbol), im sich dann öffnenden Menü ganz rechts auf die beiden überlappenden Quadrate, dann hast Du den Link in der Zwischenablage und kannst ihn hier zB mit Strg+v einfügen). Alternativ kann ich die Aufgabe evtl auch über einen markanten Suchbegriff aus der Sachverhaltsdarstellung finden. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

G0D0FM

G0d0fMischief

21.10.2024, 17:49:17

@[Sebastian Schmitt](263562) vielen Dank für die schnelle Antwort! Hier ist der Link zur Aufgabe :) https://applink.jurafuchs.de/yz7u2heySNb

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

22.10.2024, 10:48:34

Hallo @[G0d0fMischief](217996), ich habe mir das gerade mal angeschaut. Bist Du sicher, dass das die andere Aufgabe ist, die Du meinst? Im dortigen "Küchenfall" nehmen wir nämlich gar keine Vor

leistungspflicht

des Verkäufers an, sondern betonen vielmehr, dass Leistung und Gegenleistung im

Synallagma

stehen und dementsprechend niemand vor

leistungspflicht

ig ist. Und um § 270 BGB geht es dort ebenfalls nicht. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

G0D0FM

G0d0fMischief

22.10.2024, 11:18:18

Hallo @[Sebastian Schmitt](263562), in dem Threads zu dem Fall hatte ich eine Frahe bzgl. einer „ungeschriebenen“ Vor

leistungspflicht

des Verkäufers gestellt. Die Frage hat sich mir daraus ergeben, dass K meines Erachtens besser gestellt wurde als V. V durfte die Nachbesserung nicht von einer vorherigen Zahlung des Kaufpreises abhängig machen (was ja auch dem Gedanken des

§ 320 BGB

entspricht) während K jedoch seinerseits OHNE Kaufpreiszahlung anzubieten (seinerseits also die Leistung NICHT Zug-um-Zug gegen Gegenleistung angeboten hat) die Nacherfüllung verlangen durfte. Dieses Problem hat mir @[Leo Lee](213375) dann damit beantwortet, dass sich unter anderem daraus, dass der Käufer (als Geldschuldner) aufgrund von § 270 I BGB schon eine schlechtere Ausgangslage hat und daher der Verkäufer vorzuleisten verpflichtet ist. Ich hoffe ich stelle hier jetzt nichts falsch dar. Ich finde gerade diese Situationen in der Klausur sehr schwer, weil es natürlich einen groben Fehler darstellen würde ein Leistungsverweigerungsrecht anzunehmen, obwohl gar keins besteht.


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