ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V hat K am 1.3. per Handschlag eine Bierzapfanlage verkauft. Am 5.3. äußert V Bedenken, ob mündliche Vereinbarungen überhaupt bindend sind. Da er nicht liefert, entgehen K Einnahmen in Höhe von €500.

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Einordnung des Falls

ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung haben (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB).

Genau, so ist das!

Ein Schadensersatzanspruch wegen verzögerter Leistung (§§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) besteht, sofern (1) ein Schuldverhältnis vorliegt, (2) der Schuldner sich im Schuldnerverzug befindet (§ 286 BGB) und (3) ein Schaden des Gläubigers besteht.
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2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrages (§ 433 BGB).

Ja, in der Tat!

Zur Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses ist grundsätzlich ein Vertrag zwischen den Beteiligten notwendig (§ 311 Abs. 1 BGB). Der Abschluss von Verträgen unterliegt grundsätzlich keiner bestimmten Form, sodass auch der mündliche Kaufvertrag zwischen K und V wirksam ist.

3. V müsste sich im Schuldnerverzug befinden.

Ja!

Schadensersatz wegen verzögerter Leistung setzt Schuldnerverzug voraus (§ 280 Abs. 2 BGB). Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er zu einem Zeitpunkt nicht erfüllt, in dem die Forderung wirksam, durchsetzbar und fällig ist, angemahnt (sofern eine Mahnung nicht entbehrlich ist (§ 286 Abs. 2 BGB)) und noch möglich (nachholbar) ist und er die Verzögerung zu vertreten hat (§ 286 Abs. 4 BGB). Bei Entgeltforderungen tritt der Verzug zudem auch ohne Mahnung spätestens 30 Tage nach Rechnungsstellung ein (§ 286 Abs. 3 BGB)

4. Ks Forderung ist wirksam, fällig und durchsetzbar.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ks Kaufvertrag mit V ist wirksam und begründet einen Anspruch auf Lieferung der Anlage (§ 433 Abs. 1 BGB). Da keine Leistungszeit verabredet war, ist die Forderung sofort fällig (§ 271 BGB). Erst wenn K seinerseits seine Gegenleistung anbietet (§ 320 Abs. 1 BGB), steht V keine Einrede zu und die Forderung wird durchsetzbar. Solange er das nicht getan hat, schließt das Bestehen der Einrede des § 320 Abs. 1 BGB bereits den Verzug nach § 286 BGB aus.

5. K hat V gemahnt (§ 286 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Unter einer Mahnung versteht man die an den Schuldner gerichtete eindeutige und bestimmte Aufforderung, mit welcher der Gläubiger unzweideutig zum Ausdruck bringt, dass er die Leistung verlangt. K hat sich gegenüber V in keiner Weise geäußert.

6. Auch ohne Mahnung ist V durch die geäußerten Zweifel am 5.3. in Verzug geraten.

Nein!

Schuldnerverzug setzt zwar grundsätzlich den Ausspruch einer Mahnung voraus (§ 286 Abs. 1 BGB). Eine Mahnung ist aber bei Vorliegen bestimmter Tatbestände ausnahmsweise entbehrlich (§ 286 Abs. 2 BGB). Einer Mahnung bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Denn in diesem Fall wäre das Erfordernis der Mahnung letztlich bloße Förmelei. Die bloße Äußerung von Zweifeln stellt gerade noch keine abschließende Entscheidung des Schuldners dar, die eine Mahnung sinnlos erscheinen lassen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

BENKE

BenKenobi

11.6.2023, 12:08:25

Ich verstehe nicht ganz, warum die Forderung des K einredebehaftet sein soll. Grundsärtzlich würde ich davon ausgehen, dass K mit der Geltendmachung seiner Forderung zum Ausdruck bringt, die

Kaufsache

Zug-um-Zug gegen Leistung des Kaufpreises erhalten zu wollen. Hingegen Wenn hegt V gerade Zweifel am Bestehen seiner Schuld, womit seine Leistungswilligkeit anzuzweifeln ist. Wenn der Gläubiger unter dieser Prämisse fordert, kann der Schuldner doch keine Einrede aus § 320 I BGB haben, oder?

MAR

Maryen

29.11.2023, 16:44:58

Das frage ich mich auch

ROAD

roadrunnert

27.12.2023, 21:46:35

@Maryen Bei § 320 BGB gilt die Besonderheit, dass das Vorliegen der Voraussetzungen den Verzug ausschließt und sich der Schuldner nicht darauf berufen muss. Frag mich nicht, warum das so ist, aber so steht es in Lehrbüchern und auch hier bei Jurafuchs in einer anderen Aufgabe.

AS

as.mzkw

21.8.2024, 12:08:09

Vor allem verstehe ich nicht wieso in der Aufgabe dann überhaupt trotz angeblicher Nichtdurchsetzbarkeit weiter geprüft wird.

BI

Bilbo

24.7.2023, 14:56:17

Die Äußerung von V am 05.03. kann also nicht als Anfechtung angesehen werden? Sollte man das in einer Klausur wenigstens ansprechen, um den Satz zu verwerten oder welche Rolle spielt der hier?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.7.2023, 18:09:11

Hallo Bilbo, das wäre an der Stelle wohl eher fernliegend. Insbesondere wäre hier fraglich, worin genau der Anfechtungsgrund bestehen sollte. Sofern der Vertrag formunwirksam ist, bedarf es ja überhaupt keiner Anfechtung, sondern er wäre direkt nach § 125 BGB nichtig. Im Übrigen sind die Parteien grundsätzlich an einen abgeschlossenen Vertrag gebunden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BI

Bilbo

7.8.2023, 19:39:14

Alles klar, danke!

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

25.11.2023, 17:08:31

Ich habe es noch so gelernt: Einregen müssen reden; Einreden müssen also erhoben werden, um die Durchsetzbarkeit tatsächlich aufzuheben. Wie kommt es, dass dies hier anscheinend nicht der Fall ist? Es handelt sich doch um eine dilatorische Einrede, oder?

ROAD

roadrunnert

10.1.2024, 23:02:30

@[der

unerkannt geisteskrank

e E](199982) Bei § 286 BGB müssen die Einreden nur bis zum Abschluss der mündlichen Verhandlungen erhoben worden sein. Deshalb darf man das in der Klausur unterstellen. Die Ausnahme ist das Zurückbehaltungsrecht aus § 273 I BGB, das noch vor der Mahnung, also vor oder gleichzeitig mit den Verzugsvoraussetzungen, geltend gemacht werden muss. Grund ist, dass der Gläubiger das ZBR durch Sicherheitsleistung abwenden kann, § 273 III, und dann nicht seinen Schadensersatzanspruch verliert.

QUIG

QuiGonTim

6.2.2024, 23:07:33

Wie ist mit § 320 Abs. 1 S. 1 BGB in der Klausur umzugehen? Ist die Norm stets anzusprechen, wenn sich im Sachverhalt keine Angaben zu einer bereits erfüllten Gegen

leistungspflicht

finden?

Natze

Natze

21.2.2024, 21:13:05

Das würde mich auch interessieren.

QUIG

QuiGonTim

6.2.2024, 23:10:03

Die folgende Frage, bezieht sich nicht speziell auf diesen Fall, sondern betrifft den Schuldnerverzug allgemein. Wie ist der Prüfungspunkt „Nachholbarkeit“ zu verstehen? Soll er bloß die Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB ausschließen oder steckt mehr dahinter?

QUIG

QuiGonTim

6.2.2024, 23:12:14

Liebes Jurafuchs-Team, könntet ihr ein Beispiel für die Entbehrlichkeit der Mahnung nach § 286 Abs. 2 Nr. 4 BGB nennen?

GO

gova

7.2.2024, 15:39:18

Vorab, super hilfreiche Fälle zum Schuldnerverzug, danke! Es wäre super, wenn ihr noch etwas zum Schaden / zu den Rechtsfolgen (v.a. Rechtsanwaltskosten, Verzugszinsen) bringen könntet.

LUKA

Lukas

28.8.2024, 12:52:56

In der Fallfrage wäre der Hinweis ganz nett, dass K nicht schon geleistet hat. Denn so fehlt das Problembewusstsein, dass zur Annahme einer Einrede nach § 320 Abs. 1 BGB führt.


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