+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A arbeitet als Aushilfe bei einer Tankstelle. Er führt nur Inventur durch und räumt Regale ein. An jeder Zapfsäule befindet sich ein gut sichtbares Schild „Zahlung nur an der Kasse“. K hat es nach dem Tanken eilig. Sie sieht A beim Einräumen und drückt ihm das Geld für die Tankladung mit großzügigem Trinkgeld in die Hand.

Einordnung des Falls

Ladenangestellte § 56 HGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Tankstelle ist ein Laden (§ 56 HGB).

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Ja!

Der Ort, auf die sich die „Anstellung“ bezieht, muss ein Laden oder Warenlager sein (§ 56 HGB). Der Begriff wird funktionell verstanden: Die Örtlichkeit muss jedenfalls dem Verkauf dienen und dabei dem Publikum frei zugänglich sein. Die Tankstelle steht dem freien Zutritt durch das Publikum offen. Sie dient dem Verkauf von Kraftstoff und Gegenständen des täglichen Bedarfs.

2. A ist Angestellter der Tankstelle (§ 56 HGB).

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Genau, so ist das!

Der Vertreter muss in einem Laden oder offenen Warenlager vom Inhaber angestellt sein (§ 56 HGB). Das bedeutet mit Wissen und Wollen des Inhabers in die Verkaufstätigkeit eingeschaltet. Beschäftigung ohne jeden Bezug zur Verkaufstätigkeit reicht nicht aus. Auf Entgeltlichkeit oder Dauer der Beschäftigung kommt es nicht an. Der Vertreter muss zumindest beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165 BGB). A ist als Aushilfe bei der Tankstelle beschäftigt. Er steht Kunden für Fragen bezüglich der Verkaufsgegenstände zur Verfügung und ist somit in die Verkaufstätigkeit zumindest involviert.

3. Die Veräußerung des Kraftstoffs und die Entgegennahme des Kaufpreises sind gewöhnliche Geschäfte einer Tankstelle (§ 56 HGB).

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Ja, in der Tat!

Die Vertretungsmacht des Ladenangestellten erstreckt sich auf Verkäufe und Empfangnahmen, die in einem derartigen Laden oder Warenlager gewöhnlich geschehen (§ 56 HGB). Damit sind insbesondere Kaufverträge (§ 433 BGB) und mit ihnen zusammenhängende Rechtshandlungen erfasst. Empfangnahmen sind umfasst, wenn sie im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Ladens oder offenen Warenlagers stehen und Gegenstände betreffen, die gewöhnlich dort abgeliefert werden. Dazu gehört die Entgegennahme des Kaufpreises durch Zahlung an den Angestellten. Die Veräußerung des Kraftstoffs umfasst den Abschluss eines Kaufvertrags, die Übereignung an K und die Entgegennahme des Kaufpreises.

4. K hat durch die Übergabe des Kaufpreises an A schuldbefreiend geleistet (§ 362 Abs. 1 BGB).

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Nein!

§ 56 HGB stellt (1) eine widerlegliche Vermutung hinsichtlich des Umfangs einer bestehenden rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung auf und normiert (2) eine Rechtsscheinvollmacht, falls gar keine Vollmacht erteilt wurde. Der Dritte darf die fehlende oder beschränkte Vertretungsmacht jedoch weder kennen noch kennen müssen (analog § 54 Abs. 3 HGB). An der Zapfsäule befindet sich auf einem gut sichtbaren Schild der Hinweis, dass Zahlung nur an der Kasse möglich ist. K hätte demnach erkennen können, dass A nicht zur Entgegennahme des Kaufpreises bevollmächtigt ist. Der Rechtsschein, A sei bevollmächtigt, wurde durch den klaren Hinweis zerstört (§ 56 HGB).

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