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Entscheidungen von 2021

Versuch einer erfolgsqualifizierten Straftat auch ohne schwere Folge strafbar - Jurafuchs

Versuch einer erfolgsqualifizierten Straftat auch ohne schwere Folge strafbar - Jurafuchs

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: A wirft einen Molotowcocktail durch das offene Fenster in das Zimmer, in dem B gerade schläft. Ein Feuer entzündet sich aber nicht.
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Klassisches Klausurproblem

A will B töten. B schläft im Schlafzimmer seines Hauses, das er mit seiner Familie bewohnt. A nimmt eine mit Benzin befüllte Flasche, zündet eine darin steckende Lunte an und wirft die Flasche durch das offene Schlafzimmerfenster. A weiß und billigt, dass B schlafend im Bett liegt und dass er die Wirkung des Brandsatzes von nun an nicht mehr beherrschen zu können. Ein Feuer entzündet sich nicht.

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Einordnung des Falls

Der BGH hat ein Urteil über den Versuch von erfolgsqualifizierten Straftaten erlassen. Das Gericht klärte, dass ein Versuch einer erfolgsqualifizierten Straftat, wie Brandstiftung mit tödlichen Folgen, auch dann vorliegen kann, wenn die Grundtat im Versuchsstadium bleibt und die beabsichtigte schwere Folge nicht eintritt. Das Urteil hebt die verschiedenen Formen von Versuchen bei erfolgsqualifizierten Straftaten hervor, einschließlich des erfolgsqualifizierten Versuchs und des Versuchs der Erfolgsqualifikation.

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Bayern 2023
Examenstreffer Berlin/Brandenburg 2023

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 11 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat A sich durch den Benzinflaschenwurf wegen versuchten Totschlags strafbar gemacht (§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

Der Versuch (§ 22 StGB) einer Straftat setzt tatbestandlich (1) Tatentschluss und (2) unmittelbares Ansetzen voraus. Tatentschluss erfordert Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale sowie das Vorliegen sonstiger subjektiver Unrechtselemente. Unmittelbares Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschreiten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung ansetzt, sodass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergeht. A hatte Tötungsvorsatz hinsichtlich B. Der Benzinflaschenwurf sollte nach seiner Vorstellung unmittelbar zum Brand des Wohnhauses und zum Tod des B führen.
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2. Hat A sich auch wegen versuchten Mordes (Heimtücke, gemeingefährliche Mittel) zulasten des B strafbar gemacht (§§ 211 Abs. 1, 2 Var. 5, 7, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Ja!

Heimtückisch tötet, wer die Arglosigkeit und die infolge der Arglosigkeit bestehende Wehrlosigkeit des Angegriffenen bewusst zur Begehung der Tat ausnutzt. Das Mordmerkmal der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln greift ein, wenn der Täter ein Mittel zur Tötung einsetzt, das in der konkreten Tatsituation eine unbestimmte Mehrzahl von Menschen an Leib oder Leben gefährden kann, weil er die Gefahr nicht beherrscht. B rechnete mit keinem Angriff (Arglosigkeit) und lag daher schlafend in seinem Bett (Wehrlosigkeit). Durch den beabsichtigten Brand drohte das ganze Haus zu brennen und weitere Menschen zu gefährden.Der Aufbau orientiert sich hier an der Auffassung der h.L. die den Mord als Qualifikation des Totschlags versteht.

3. Hat A sich zudem wegen versuchter schwerer Brandstiftung strafbar gemacht (§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Genau, so ist das!

Wegen schwerer Brandstiftung macht sich strafbar, wer ein Gebäude, dass der Wohnung von Menschen dient, in Brand setzt (§ 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB). Ein Tatobjekt ist in Brand gesetzt, wenn ein wesentlicher Teil derart vom Feuer erfasst ist, dass er aus eigener Kraft (dh ohne Fortwirken des Zündstoffes) weiter brennt.A beabsichtigte, jedenfalls wesentliche Teile von Bs Wohnhaus in Brand zu setzen und setzte durch den Flaschenwurf unmittelbar hierzu an.

4. Hat A sich schließlich auch wegen vollendeter Brandstiftung mit Todesfolge strafbar gemacht (§ 306c StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die vollendete Brandstiftung mit Todesfolge setzt voraus, dass der Täter durch eine Brandstiftung nach den §§ 306 bis 306b StGB wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht.Hier hat A nicht den Tod eines anderen Menschen verursacht. Weil die schwere Folge nicht eingetreten ist, kommt auch eine Vollendungsstrafbarkeit nicht in Betracht.

5. Scheidet eine Versuchsstrafbarkeit bei Erfolgsqualifikationen grundsätzlich aus?

Nein!

Erfolgsqualifikationen sind als Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen (Vorsatz bzgl. Grunddelikt, wenigstens Fahrlässigkeit bzgl. der schweren Folge (§ 18 StGB)) insgesamt als Vorsatzdelikte zu behandeln (§ 11 Abs. 2 StGB). Vorsatzdelikte sind nach den allgemeinen Regeln sowohl teilnahme- als auch versuchsfähig. Auch der Versuch eines erfolgsqualifizierten Delikts ist daher unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 StGB grundsätzlich möglich.

6. Gibt es fünf verschiedene Formen der Versuchsstrafbarkeit bei Erfolgsqualifikationen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Es kommen regelmäßig drei Konstellationen in Betracht: (1) Das Grunddelikt ist nur versucht, die schwere Folge jedoch eingetreten (sog. erfolgsqualifizierter Versuch); Beispiel zu § 227 StGB: versuchte Körperverletzung und das Opfer stirbt bei seinem Ausweichmanöver). (2) Das Grunddelikt ist vollendet, der qualifizierte Erfolg nur versucht (sog. versuchte Erfolgsqualifikation). (3) Sowohl Grunddelikt als auch qualifizierter Erfolg sind nur versucht.

7. Wird eine Strafbarkeit in der dritten Konstellation – Grunddelikt und qualifizierter Erfolg sind nur versucht – aus der versuchten Erfolgsqualifikation vom BGH abgelehnt?

Nein, das trifft nicht zu!

BGH: Der Versuch des erfolgsqualifizierten Delikts sei möglich durch bloßes unmittelbares Ansetzen zum Grunddelikt mit dem Vorsatz der Herbeiführung der schweren Folge. Bleibe die Folge aus, handele es sich dennoch um einen - strafbaren - Unterfall der versuchten Erfolgsqualifikation (RdNr. 10). Deshalb sei etwa § 251 StGB (Raub mit Todesfolge) versucht, wenn das Opfer die Gewaltanwendung entgegen dem Tatplan überlebe und auch die Wegnahme fehlschlage. Auch für den Versuch einer schweren Körperverletzung sei es unerheblich, ob der Schütze, der dem Opfer die Zeugungsfähigkeit nehmen will, es in den Unterleib treffe oder danebenschieße (§ 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB) (RdNr. 14).

8. Sprechen für eine Versuchsstrafbarkeit in Fällen Wortlaut und Systematik?

Ja!

Für eine Versuchsstrafbarkeit spreche (1) der Wortlaut des § 22 StGB. Denn wer beim Versuch des Grunddelikts auch Vorsatz in Bezug auf die schwere Folge hat, setzt nach seiner Vorstellung von der Tat sowohl unmittelbar zum Grunddelikt als auch zur Verursachung der schweren Folge an. (2) Systematisch sei nach § 11 Abs. 2 StGB das „Zwittergebilde“ erfolgsqualifiziertes Delikt insgesamt als vorsätzliche Tat anzusehen, weshalb die allgemeinen Versuchsbestimmungen gelten. Diese verlangen aber nur unmittelbares Ansetzen und keine Tatbestandsverwirklichung.

9. Sprechen Sinn und Zweck der Versuchsregeln gegen eine Versuchsstrafbarkeit?

Nein, das ist nicht der Fall!

Auch Sinn und Zweck der Versuchsregeln sprechen für eine Versuchsstrafbarkeit. BGH: Grund für die Versuchsstrafbarkeit sei ausschließlich die in den Vorstellungen des Täters liegende Gefährlichkeit seines Tuns (Handlungsunwert). Auf den herbeigeführten Erfolg komme es nicht an. Die erfolgsqualifizierten Delikte sollten vielmehr den besonderen (Todes-)Gefahren entgegenwirken, die von ihren Grundtatbeständen ausgehen. Es entspreche daher der ratio legis, auch denjenigen Täter zu ahnden, der Grunddelikt und Qualifikation intendiert und an beiden Zielen scheitere. (RdNr. 13).

10. Hat sich A wegen versuchter Brandstiftung mit Todesfolge strafbar gemacht (§§ 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

A hatte Tatentschluss hinsichtlich des Grunddelikts (§ 306a Abs. 1 Nr. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) und des Todes des B, also der schweren Folge im Sinne des § 306c StGB. Nach seiner Vorstellung sollte der Tod auch gerade durch die dem Grunddelikt innewohnende Gefährlichkeit (Inbrandsetzen eines Wohngebäudes) herbeigeführt werden (spezifischer Gefahrzusammenhang). A hat sowohl zum Grunddelikt als auch zur Verwirklichung der schweren Folge unmittelbar angesetzt, als er die Benzinflasche durch das Fenster warf. Hierbei handelte er auch rechtswidrig und schuldhaft.

11. Wird die versuchte Brandstiftung mit Todesfolge (§§ 306c, 22, 23 Abs. 1 StGB) vom versuchten Mord auf Konkurrenzebene verdrängt?

Nein!

Zwischen §§ 211, 212 StGB und § 306c StGB besteht nach hM aus Klarstellungsgründen Tateinheit (§ 52 StGB).Deshalb musst Du in der Klausur, obwohl der Mordversuch schon bejaht ist, noch umfassend § 306c StGB prüfen. Anders wäre das im Verhältnis von Mord zur Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB): Diese tritt zurück und ist neben dem Mord nicht erwähnenswert.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Rick-energie🦦

Rick-energie🦦

28.3.2023, 08:05:35

Klarstellungsbedürfnis wg der ebenfalls versuchten Sachbeschädigung und konkreten Gefährdung?

CAN

cann1311

28.3.2023, 08:53:44

Denke einfach weil sich ein ganz anderes Unrecht realisiert hat.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.7.2023, 10:05:08

Hallo Rick-dich, und danke cann1311 für deine Antwort. Genauso ist es - mit dem Brandanschlag hat sich ein ganz anderes Unrecht realisiert, als "nur" durch Totschlag. Die Gefährlichkeit einer (auch nur versuchten) Brandstiftung ist wegen der Unkontrollierbarkeit von Feuer um ein vielfaches höher, als der Tötungsversuch einer Person mit anderen Mitteln. Dies zeigt auch die hohe Strafandrohung der Brandstiftungsdelikte. Aus diesem Grund tritt er nicht zurück, sondern bleibt zur Klarstellung daneben stehen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DAV

David

10.1.2024, 08:46:42

Ich weiß, der Kommentar ist bereits etwa älter. Mir stellt sich jetzt aber die Frage, wieso sich den „ein ganz anderes Unrecht verwirklicht“. Zwar kommt im versuchten Totschlag nicht die besondere Gefährlichkeit des Mittels zum Ausdruck. Bejaht wurde allerdings auch der versuchte Mord wegen Heimtücke und einem gemeingefährlichen Mittel. Mit Ausnahme von § 306 I StGB drücken alle Brandstiftungsdelikte die besondere Gemeingefährlichkeit aus, wofür sogar die Überschrift des 28. Abschnitts spricht. Deshalb leuchtet mir das zusätzliche Klarstellungsbedürfnis nicht wirklich ein.

kaan00

kaan00

29.1.2024, 09:52:15

Stimmt, gute Frage

Hendrik

Hendrik

6.4.2023, 07:55:26

Hey, bei einer Frage, ich glaube der fünften, scheint die Formulierung unvollständig ("ist in Fällen anwendbar").

DO

Doli

8.7.2023, 16:06:35

Es ist die achte, aber ja…

AN

An

3.4.2024, 20:21:59

Liebes Team, könnt ihr hier bitte nochmals nachschärfen?

LEEO

leeoon

18.4.2023, 14:09:39

Examenstreffer Berlin 2023/I

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.4.2023, 15:57:34

Vielen Dank für die Meldung, leeon!

INDUB

InDubioProsecco

13.6.2023, 16:45:03

Wie ist hier das Verhältnis zu § 306b Abs. 1 StGB? Ist nicht auch dieser Tatbestand versucht? Oder ist der Tod als schwere Folge spezieller?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

4.7.2023, 10:08:33

Hallo InDubioProsecco, das Verhältnis zu § 306b Abs. 1 StGB ist derart, dass der § 306c spezieller ist. Er verweist sogar auf den § 306b StGB als "Grundtatbestand". Daher tritt letzterer zurück, wenn § 306c StGB einschlägig ist. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

DO

Dominic

15.8.2023, 14:49:35

Hinsichtlich der Heimtücke und des darauf bezogenen Vorsatzes sollte der Sachverhalt präzisiert werden. Der Täter muss zwar nicht notwendigerweise davon ausgehen, dass das Opfer schläft, aber zumindest muss er Vorsatz dahingehend haben, dass das Opfer wehrlos ist. Das er dies für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, geht aber aus dem Sachverhalt nicht hervor

LELEE

Leo Lee

18.8.2023, 11:16:59

Hallo Dominic, vielen Dank für den Hinweis! Wir haben nun den Aufgabentext entsprechend angepasst. Beachte noch, dass der A in der Illustration ebenfalls sieht, dass der B schläft :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

JURA

juralette

12.9.2023, 14:52:42

Examenstreffer 2023/II Bayern

Nora Mommsen

Nora Mommsen

14.9.2023, 14:59:39

Danke dir juralette! Das haben wir getagt. Weiterhin viel Erfolg - Nora, für das Jurafuchs-Team

REFO

Reformatorin

12.10.2023, 16:34:48

Die erste Frage ist für Referendare irreführend, da der versuchte Totschlag wegen der Mordmerkmale nicht mehr anzusprechen wäre

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.10.2023, 11:08:09

Hallo Tey Sa, in der Tat unterscheiden sich die Bearbeitungsstile zwischen dem ersten und zweiten Examen erheblich. Im materiellen Recht sind alle Aufgaben im Gutachtenstil gelöst, sodass diese nicht dem Stil im zweiten Examen entsprechen. Des Weiteren ist die Frage auch für einen Referendar inhaltlich richtig, denn der versuchte Totschlag ist materiell-rechtlich gegeben. Er wäre nur im Urteil nicht anzusprechen. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

REFO

Reformatorin

13.10.2023, 11:50:47

Mir ging es darum, dass der Hinweis dass die Bearbeitung aus der Literatursicht folgt, zur ersten Frage geschoben wird, da nach meiner Lösung nach BGH 212 gerade nicht in Betracht kommt, denn dieser in einem Exklusivitätsverhältnis zu 211 steht ;)

SE.

se.si.sc

13.10.2023, 12:52:19

Evtl missverstehst du den Begriff der "Exklusivität", den du hier für die Rspr nennst. Damit ist nicht gemeint, dass Mord und Totschlag sich gegenseitig ausschließen und nie gleichzeitig vorliegen können, sondern nur, dass es sich um getrennt voneinander zu betrachtende Tatbestände handelt, die nicht in einem Qualifikations-Grundtatbestand-Verhältnis stehen (so aber die hL). Konsequenterweise kann die Rspr zB ohne Weiteres Tateinheit zwischen versuchtem Mord und vollendetem Totschlag an demselben Opfer annehmen, wenn der Täter das Opfer tötet und dabei irrig von einem Mordmerkmal ausgeht. Die Frage hier fragt allein danach, ob A sich wegen Totschlags strafbar gemacht hat. Die Antwort darauf ist eindeutig ja, ob jetzt vor oder nach dem 1. Examen, weil alle Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und A auch rechtswidrig und schuldhaft handelte. Dass der Totschlag auf Konkurrenzebene hinter dem Mord zurücktritt, mag ja sein, ändert aber nichts an der grds gegebenen Strafbarkeit wegen Totschlags. Insoweit scheinen sich mE Rspr und die Ansicht der Literatur nicht zu unterscheiden.

REFO

Reformatorin

13.10.2023, 13:15:44

Vielen Dank für deine ausführliche und prägende Antwort. Ne, das ist mir bewusst, und mir ging es wirklich nur darum, dass ich in einer Assessorklausur in so einer Konstellation nicht mit 212 anfange und dann noch 211 bejahe, sondern direkt auf 211 eingehe, da die Mordmerkmale wie vorliegend offensichtlich in Betracht kommen um damit die Systematik der 212 und 211 zu zeigen - Fischer, 211 Rn 89 - "allerdings ist die vorsätzliche Tötung gem 212 notwendig in 211 enthalten". Würdest du im Assessor- Examen anders mit der Lösung umgehen und doch 212 ansprechen?

SE.

se.si.sc

13.10.2023, 14:55:11

Für eine Assessorexamensklausur fängst du hier natürlich mit § 211 StGB an, wobei man das mE auch in einer Referendarexamensklausur nicht zwingend anders machen müsste. In der Assessorexamensklausur würde ich zu § 212 StGB höchstens (!) einen Satz zur Klarstellung schreiben, nachdem ich § 211 StGB bejaht habe. Der Aufbau der Fragen hier erhebt ja nicht den Anspruch, zwingend die Prüfungsreihenfolge in einer Klausur abzubilden, sondern kann auch mal aus didaktischen Gründen so gewählt sein. Nur, weil die erste Frage die nach der Strafbarkeit wegen Totschlags ist, impliziert das mE nicht, dass das auch unbedingt die Prüfungsreihenfolge in einer Klausur sein muss.

CAT

cattyha

12.4.2024, 08:37:44

Nur zum Verständnis: Kommt die grausame Tötung nicht in Betracht? Ich bin bislang immer davon ausgegangen, dass der Tod durch Feuer als grausam einzuordnen ist.

Merle_Breckwoldt

Merle_Breckwoldt

12.4.2024, 11:04:05

Hallo cattyha, danke für die gute Frage! In der Tat hat der BGH spätestens mit Urteil vom 06.12.2023 (5 StR 281/23, BeckRS 2023, 36771) festgestellt, dass eine Tötung durch Verbrennen "im Regelfall" grausam ist. Im hier zugrundeliegenden Fall hat die Vorinstanz zwar nur Var. 5 und 7 geprüft. Wenn Du darüber hinaus § 211 Abs. 1 Var. 6 StGB (Grausamkeit) (an-)prüfst, beachte bloß die nach h.M. subjektiv erforderliche gefühllose und unbarmherzige Gesinnung sowie ggf., dass B im Zeitpunkt der Tathandlung schläft. Im Übrigen halte ich Deinen Gedanken für sehr gut und die Annahme von Grausamkeit in jedem Fall vertretbar. Beste Grüße, Merle für das Jurafuchs-Team


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