Öffentliches Recht

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Entscheidungen von 2022

Isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2022 – 4 C 4.20)

Isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2022 – 4 C 4.20)

21. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A beantragt eine Baugenehmigung für eine mobile Gastankstelle. Behörde B erteilt die Genehmigung mit einer Befristung von zwei Jahren. Als A gerichtlich gegen die Befristung vorgeht, stellt sich heraus, dass die Genehmigung auch mit Befristung rechtswidrig ist.

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Einordnung des Falls

Isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen (BVerwG, Beschl. v. 29.03.2022 – 4 C 4.20)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nebenbestimmungen zu einem Hauptverwaltungsakt sind nach herrschender Lehre und BVerwG grundsätzlich isoliert anfechtbar.

Ja, in der Tat!

Bei der isolierten Anfechtbarkeit geht es um die Frage, ob eine Nebenbestimmung unabhängig vom Hauptverwaltungsakt angefochten werden kann. Nach Auffassung des BVerwG und h.L. sollen Nebenbestimmungen grundsätzlich isoliert anfechtbar sein. Für diese Ansicht spricht neben dem effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) vor allem der Wortlaut von § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO („soweit“). Die isolierte Anfechtbarkeit ist ein absoluter Klassiker des Verwaltungsrechts und ein „Dauerbrenner“ in verwaltungsgerichtlichen Klausuren im 1. und 2. Staatsexamen!
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2. Ist die isolierte Anfechtbarkeit einer Nebenbestimmung nach der Rechtsprechung des BVerwG immer möglich?

Nein!

Nach der Rechtsprechung des BVerwG ist die isolierte Anfechtung von Nebenbestimmungen nur dann begründet, wenn Hauptverwaltungsakt und Nebenbestimmung materiell teilbar sind (materielle Teilbarkeit). Dies setzt voraus, dass der (nicht angefochtene) Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann.Achtung: Bevor Du zur – hier maßgeblichen – Frage kommst, ob Du die Nebenbestimmung isoliert anfechten kannst, musst Du in Prüfungsarbeiten oft zunächst die Frage beantworten, ob es sich überhaupt um eine Nebenbestimmung handelt. Dafür musst Du die Nebenbestimmung von der sog. Inhaltsbestimmung abgrenzen. Wie die Abgrenzung erfolgt, erfährst Du in unserem Kurs zum Verwaltungsrecht AT.

3. Es bestand zwischen zwei Senaten des BVerwG Uneinigkeit darüber, ob die isolierte Anfechtbarkeit der Nebenbestimmung auch dann ausgeschlossen sein soll, wenn der verbleibende Hauptverwaltungsakt aus anderen Gründen rechtswidrig ist.

Genau, so ist das!

Die materielle Teilbarkeit von Hauptverwaltungsakt und Nebenbestimmung setzt nach st. Rspr. des BVerwG voraus, dass der Hauptverwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung rechtmäßig bestehen bleibt. Es kommt also gerade auf die Frage an: Führt der Wegfall der Nebenbestimmung zur Rechtswidrigkeit des Hauptverwaltungsakts? Ob der Hauptverwaltungsakt für sich genommen rechtswidrig ist, ist nicht von Bedeutung. Anders entschied der 8. Senat des BVerwG im Jahre 2019: Die isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung solle auch dann unbegründet sein, wenn die Rechtswidrigkeit des Hauptverwaltungsakts nicht erst durch den Wegfall der Nebenbestimmung ausgelöst wird, sondern der Hauptverwaltungsakt aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Denn auch in diesen Fällen habe der Adressat kein Recht auf die isolierte Anfechtung, „die mit der Konsequenz verbunden wäre, dass der materiell rechtswidrige und dem Adressaten zustehende Verwaltungsakt weiterhin Geltung“ beanspruche.

4. Der 4. Senat des BVerwG hat weiterhin den Standpunkt vertreten, dass es für die isolierte Anfechtbarkeit von Nebenbestimmungen nicht darauf ankommt, ob der Hauptverwaltungsakt selbst rechtswidrig ist.

Ja, in der Tat!

Der 8. Senat des BVerwG ließ mit Urteil vom 06.11.2019 (BVerwG 8 C 14.18) - entgegen der bisherigen Rechtsprechung des 4. Senats - eine isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung daran scheitern, dass der zurück bleibende Hauptverwaltungsakt für sich genommen aus anderen Gründen als dem Wegfall der Nebenbestimmung rechtswidrig war. Dem setzte sich der 4. Senat des BVerwG entgegen: Durch den wirksam erlassenen Hauptverwaltungsakt würde immer eine schutzwürdige Rechtsposition vermittelt. Eine rechtswidrige Nebenbestimmung beeinträchtige dieses subjektive Recht, unabhängig davon, ob der Hauptverwaltungsakt im Übrigen rechtmäßig oder rechtswidrig sei. Zudem werde der Hauptverwaltungsakt bei isolierter Anfechtung der Nebenbestimmung bestandskräftig und sei somit der inzidenten gerichtlichen Kontrolle entzogen. Im Anfechtungsprozess gegen die belastende Nebenbestimmung könne dem Kläger die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts daher nicht entgegengehalten werden. (Beschl. v. 29.03.2022, Az. BVerwG 4 C 4.20).

5. Besonders der effektive Rechtsschutz spricht dafür, zur ursprünglichen Rechtsprechung (vor der Entscheidung aus 2019) zurückzukehren.

Ja!

Wenn die isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung nur dann begründet und somit – prozessual – erfolgreich wäre, wenn der damit verbundene Hauptverwaltungsakt unter allen Gesichtspunkten rechtmäßig wäre, würden damit die Rechtsschutzmöglichkeiten des Adressaten eingeschränkt werden. Denn der Adressat könnte in diesem Fall entweder auf die Anfechtung der Nebenbestimmungen verzichten und einen rechtswidrigen Verwaltungsakt mit einer rechtswidrigen Nebenbestimmung in Bestandskraft erwachsen lassen. Oder er könnte den gesamten Verwaltungsakt samt Nebenbestimmungen anfechten. Der Adressat darf aber auf die Bestandskraft des erlassenen Hauptverwaltungsakt vertrauen. Es ist Aufgabe der Behörde, rechtswidrige Verwaltungsakte aufzuheben (§§ 48, 49 VwVfG). Nach dem 4. Senat des BVerwG sei es daher „weder geboten noch angemessen, dem Anfechtungsprozess gegen die Nebenbestimmung die Sanktionslast für sonstige Mängel des Verwaltungsakts aufzubürden, zumal der rechtswidrige Verwaltungsakt in diesem Prozess nicht beseitigt werden kann“ (RdNr. 15).

6. Für eine inzidente Rechtmäßigkeitsprüfung des Hauptverwaltungsakt spricht jedoch die präjudizielle Wirkung des Urteils.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach § 121 VwGO ist ein vorangegangenes Urteil für einen Folgeprozess dann bindend, wenn die rechtskräftige Zu- oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch vorgreiflich ist, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist. Ob das der Fall ist, richtet sich nach dem Umfang der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess. Diese umfasst den Streitgegenstand des Vorprozesses. Würde im Rahmen der isolierten Anfechtung einer Nebenbestimmung die inzidente Feststellung der Rechtswidrigkeit des Hauptverwaltungsakts in Rechtskraft erwachsen, liefe der Zweck der isolierten Anfechtung ins Leere. Denn die Rechtskraft würde eben nicht nur „isoliert” die Nebenbestimmungen, sondern – zumindest teilweise – auch den Hauptverwaltungsakt betreffen. Die juristische Argumentation in diesem Fall ist ausgesprochen anspruchsvoll. Du musst sie nicht bis ins letzte Detail darstellen können. Du solltest aber versuchen, sie nachzuvollziehen. In Deiner Klausur dürften die Argumente im Sachverhalt angesprochen werden – Du musst dann in der Lage sein, Dich dazu zu verhalten. Zentrales Argument: Es kann aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes nicht darauf ankommen, ob der begünstigende Verwaltungsakt rechtmäßig ist, wenn der Kläger nur die belastende Nebenbestimmung anficht.

7. As Baugenehmigung ist unabhängig vom möglichen Wegfall der Befristung rechtswidrig. Ist die isolierte Anfechtung der Befristung bereits aus diesem Grund unbegründet?

Nein, das trifft nicht zu!

Die materielle Teilbarkeit setzt nach der Rechtsprechung des BVerwG voraus, dass der Hauptverwaltungsakt nicht dadurch rechtswidrig wird, dass die Nebenbestimmung entfällt. Ist der Hauptverwaltungsakt aus anderen Gründen rechtswidrig, kann jedoch materielle Teilbarkeit gegeben und die Anfechtung begründet sein. Danach scheitert As Anfechtungsklage gegen die Nebenbestimmung (Befristung) nicht bereits an der Rechtswidrigkeit des Hauptverwaltungsakts (Baugenehmigung). Denn der Grund für die Rechtswidrigkeit der Baugenehmigung liegt nicht im Wegfall der Nebenbestimmung. Diese Entscheidung ist keine echte Änderung der Rechtsprechung. Der 4. Senat hat den 8. Senat lediglich „aufgefordert“, seine „neue“ Ansicht wieder aufzugeben. Dies ist auch passiert: Auf Anfrage des 4. Senats hat sich der 8. Senat der Auffassung des 4. Senats angeschlossen (BVerwG, Beschl. v. 12.10.2022, Az. 8 AV 1.22).

8. Auf der Grundlage der Entscheidung des 8. Senats aus 2019 wäre As Anfechtung der Befristung unbegründet.

Ja, in der Tat!

Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerwG war es für die isolierte Anfechtbarkeit einer Nebenbestimmung immer unerheblich, ob der „übrig bleibende“ Hauptverwaltungsakt aus Gründen rechtswidrig ist, die nichts mit dem Wegfall der Nebenbestimmung zu tun haben. Davon ist der 8. Senat des BVerwG im Jahr 2019 abgewichen: Es sei nicht von Bedeutung, aus welchen Gründen der Kläger keinen Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat. Der an A adressierte Hauptverwaltungsakt ist – unabhängig von der Befristung – rechtswidrig. Nach der vom 8. Senat im Jahr 2019 vertretenen Ansicht wäre As Anfechtung der Befristung (= Nebenbestimmung) allein aus diesem Grund unbegründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

HI

Hille93

20.2.2024, 09:35:31

Ich verstehe nicht so ganz, was A davon hat, die Befristung isoliert anzufechten; wenn doch die Baugenehmigung für sich schon rechtswidrig ist. Im Fall hat sich die Rechtswidrigkeit des VA anscheinend erst im Prozess rausgestellt... mein Ansatz wäre dann doch aber, was will A (Gedanke des § 88 VwGO): A will vermutlich im Ergebnis eine rechtmäßige Genehmigung? ...🤔

SUE0412

Sue0412

20.2.2024, 10:27:38

Ich verstehe das so, dass A nur die

Nebenbestimmung

als solche (die Befristung des VAs) anficht (das ist sein Klagebeg

ehre

n). Dass der VA rechtswidrig ist, ändert erstmal nichts an seiner Wirksamkeit. Zunächst ist As Vertrauen in den (wenn auch rw) VA geschützt (Stichwort: Bestandskraft). Dieser wird ja durch die isolierte Anfechtung der NB nicht berührt, solange seine Rechtswidrigkeit nicht aus dem Wegfall der

Nebenbestimmung

resultiert. Aber die

Behörde

könnte natürlich den rechtswidrigen VA nach 48 VwVfG zurücknehmen, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Und A müsste dann erneut gegen die Rücknahme des VA klagen.

EN

Entenpulli

5.3.2024, 09:40:05

@[Hille93](195144) Das hat viel mit den Kosten zu tun. Nach der neuen Rspr. gewinnt A seine Klage und die Beklagte muss die Kosten tragen. Außerdem besagt § 48 III 1 VwVfG "Wird ein

rechtswidriger Verwaltungsakt

, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die

Behörde

dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist." Da der VA noch immer Bestand hat und nur die NB wegfällt, muss der VA nach § 48 VwVfG zurückgenommen werden, was As Situation somit verbessert. (so habe ich das zumindest verstanden)

AY

aylin.

20.2.2024, 23:23:37

Vielen Dank für den Fall! Wäre super, wenn ihr kurz meinen Aufbau beurteilen könntet, da ich mir diesbezüglich unsicher bin..🙃 A. Zulässigkeit -

Statthafte Klageart

: § 42 I Alt. 1 VwGO gerichtet auf Aufhebung der

Nebenbestimmung

-> Abgrenzung: Inhalts-/Schrankbestimmung, um festzustellen, dass die

Nebenbestimmung

anfechtbar ist -

Klagebefugnis

, § 42 II VwGO:

Nebenbestimmung

= Belastender Zusatz des VA ->

Adressatentheorie

B.

Begründetheit

I. Rechtmässigkeit der

Nebenbestimmung

1. Rechtsgrundlage 2. Formelle RMK 3. Materielle RMK -> Inzidente Prüfung der Baugenehmigung? -> Feststellung, dass die

Nebenbestimmung

grundsätzlich rechtmässig ist, aber der VA rechtswidrig? Könnte das Gericht in solch einer Konstellation die Baugenehmigung aufheben? Wenn ja, würde dies nicht gegen Art. 19 IV GG widersprechen? Vielen Dank :))

LEAAA2

leaaa2000

21.2.2024, 18:42:25

Hey, also in der

Begründetheit

prüfst du zuerst die RMK der

Nebenbestimmung

. Ist sie rechtmäßig, hat der Kläger keinen Anspruch auf Aufhebung (dann ist es auch egal, ob der Haupt-VA rechtswidrig ist, das ist ja gar nicht das Beg

ehre

n des Klägers, ihm geht es ja nur um die

Nebenbestimmung

). Ist die NB hingegen rechtswidrig, muss weiter geprüft werden, ob

materielle Teilbarkeit

gegeben ist. Dazu prüfst du, ob der Rest-VA (die Baugenehmigung) rechtmäßig ist. Nach alter Rechtsprechung ist die

materielle Teilbarkeit

nicht gegeben, wenn der Rest-VA rechtswidrig ist, egal, ob wegen des Fehlens der NB oder aus anderen Gründen. Nach neuer Rechtsprechung ist die

materielle Teilbarkeit

aber gegeben, wenn der Rest-VA aus anderen Gründen rechtswidrig ist! Du musst also zusätzlich nach der RMK-Prüfung noch feststellen (wenn die Baugenehmigung rechtswidrig ist) woraus diese RWK jetzt herrührt. Liegt der Grund für die RWK nicht an dem Wegfall der

Nebenbestimmung

, ist

materielle Teilbarkeit

gegeben, das Gericht wird die NB aufheben. Warum ist das so? Durch den ja wirksam erlassenen Haupt-Va entsteht eine schutzwürdige Position, eine rechtswidrige NB beeinträchtigt diese, egal, ob der Haupt-Va rechtmäßig oder rechtswidrig ist. Außerdem hat der Kläger nunmal nicht den Haupt-Va, sondern die NB angefochten. Das führt auch dazu, dass der Haupt-VA bestandskräftig wird, daher soll dem Kläger die RWK dessen auch nicht entgegengehalten werden können. Im Gegenteil soll er auf dessen Bestandskraft vertrauen können. Zu deiner Frage, nein das Gericht wird den rechtswidrigen VA (und kann auch gar nicht) nicht aufheben. Du brauchst also nach Feststellung der

Rechtmäßigkeit

der NB, nicht mehr zu prüfen, ob der Rest-VA rechtswidrig ist. Vielleicht kann man sich merken, dass du zu diesem Problem bzw. zur neuen Rechtsprechung nur kommst, wenn die NB rechtswidrig ist, der Rest-VA auch rechtswidrig ist, aber aus anderen Gründen als wegen des Wegfalls der NB. Liebe Grüße :)

leftdepression_reached18p

leftdepression_reached18p

21.2.2024, 19:59:11

Firma dankt!

BE

Bioshock Energy

11.9.2024, 13:55:45

Also muss man die materielle RMK des Haupt VA durch die neue Rspr. zweimal Prüfen: (1) Einmal ob der Haupt VA generell rechtmäßig ist, ohne die NB. Wenn Nein (2) ob der Rechtswidrige Rest VA mit der angefochtenen NB rechtmäßig wäre?

CR7

CR7

23.2.2024, 10:35:46

Liebes Team, danke für die wichtige Aufarbeitung. Ich habe aber eine kleine Anmerkung, da mich ein Punkt wirklich verwirrt hat. Ihr sprecht von der "alten Rechtsprechung" des BVerwG. Das ist aber so nicht ganz richtig. In dem hier vorliegenden Urteil sagt das BVerwG in Rn. 8 selbst, dass die Zweifel des 4. Senats an der Entscheidung des 8. Senats vom 06.11.2019 der gefestigten Rechtsprechung des BVerwG entsprechen. Denn der 8. Senat habe nur eine Konkretisierung des in der Rechtsprechung anerkannten Maßstabs vorgenommen (Rn. 10). Da in den meisten Lehrbüchern und Skripten trotz des Urteils von 2019 immer noch der alten Rechtsprechung gefolgt wurde, würde ich an dieser Stelle nicht von der "alten Rechtsprechung des BVerwG" sprechen, da es sich nicht um eine echte Rechtsprechungsänderung durch den 4. Senat handelt, sondern um eine Korrektur des 8. Senats. Man kann quasi sagen: Der 4. Senat hat dem 8. Senat ein schlechtes Gewissen gemacht und der 8. Senat hat dies erkannt und der Anfrage nach § 11 III S. 1, S. 3 VwGO einfach zugestimmt. Es bleibt also bei der alten Rechtslage: Die NB ist isoliert anfechtbar, wenn die NB rechtswidrig ist und der VA ohne die NB sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann; auf eine etwaige

Rechtmäßigkeit

des VA in jeder Hinsicht kommt es nicht an, sofern er nicht offenkundig rechtswidrig ist. Dies wird hier auch nochmal gut dargestellt und erläutert: https://youtu.be/TCcHC3rylqk?si=8uL9mNYEQwoDv_VD

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

23.5.2024, 09:16:31

Hallo CR7, vielen Dank für Deinen wichtigen Hinweis! Die Darstellung der Rechtsprechung war in der Aufgabe in der Tat etwas ungenau und irreführend. Wir haben das entsprechend korrigiert. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team

ALE

Aleks_is_Y

27.5.2024, 15:47:12

Super vielen Dank für die Aktualisierung der Aufgabe! Im Ref wurden wir auch auf die Rechtssprechung"änderung" hingewiesen, sie wurde dort aber auch als tatsächliche Änderung dargestellt...

DOD

Dodo

28.2.2024, 23:09:29

Nachdem eine Rechtswidrigkeit der

Nebenbestimmung

festgestellt wäre müsste das Gericht doch dann trotzdem die Rechtmäßig des verbleibenden VA überprüfen? Müsste sie dann konsequenter Weise die Gründe die bereits vor Anfechtung für die Rechtswidrigkeit gesprochen haben ignorieren und nur auf die verbleibende

Rechtmäßigkeit

ohne

Nebenbestimmung

prüfen? Sich quasi vor jeder nicht begehrten Prüfung der Rechtswidrigkeit, ohne Zusammenhang zur weggefallenen

Nebenbestimmung

, verschließen?

Daniel (blabab45)

Daniel (blabab45)

8.3.2024, 08:28:25

Ich würde mich deinen Überlegungen anschließen. Die Überprüfung des VA wird wohl nur auf solche

Rechtmäßigkeit

smängel hin stattfinden, die gerade durch das Entfallen der

Nebenbestimmung

entstanden sind. In der Regel wird man das wohl schon aus der Begründung der Anordnung der

Nebenbestimmung

entnehmen können. Wenn die NB zur Herstellung der RMK angeordnet wurde, ist die Problematik schon naheliegender, als wenn es sich um eine „reine Ermessensanordnung“ handelt.

Daniel (blabab45)

Daniel (blabab45)

8.3.2024, 08:32:34

Ich finde den Fall sehr gelungen dargestellt. Allerdings hat mir auf der Folie, die das Gegenargument der potentiellen präjudiz Wirkung darstellt der „Abschluss“ gefehlt. Das Argument wird nicht richtig geschlossen in dem Sinne, dass nicht erwähnt wird, dass die Rechtskraftswirkung die Feststellungen zur

Rechtmäßigkeit

des VA gerade nicht umfassen. (Ich vermute mal aus denselben Gründen wie in der ZPO, weiß es aber eben gerade nach den Informationen auf der Folie nicht) Insofern wäre eine Ergänzung noch schön.

THEL

TheLama

25.4.2024, 18:53:19

jede menge tippos angefangen im Sachverhalt und in der antworten. weiter wundere ich mich über die Fragestellung. Der 4. Senat bla bla, ich habe weder in der Klausur das urteil noch andere Literatur, evtl kann man die Fragen weniger auf die Urteile und mehr auf die Falllösung beziehen?

LELEE

Leo Lee

26.4.2024, 18:39:52

Hallo TheLama, vielen Dank für dein Feedback! Zu den Tippfehlern im Sachverhalt etc.: Magst du uns vielleicht kurz mitteilen, wo du konkret Unzulänglichkeiten gesehen hast :)? Zu der zweiten Anmerkungen: Es ist gut nachvollziehbar, dass die Erklärungen mit dem 4. Senat so nicht in der Klausur geschrieben wird. Beachte allerdings, dass diese Information insofern unerlässlich war, als der vorliegend behandelte Streit (i.Ü. Klassiker bei VerwR AT i.R.d.

Nebenbestimmung

en) gerade ein Steit zw. den Senaten war, was jedoch beigelegt wurde. Deshalb war es bei dieser Aufgabe in der Tat wichtig, die konkreten Senate zu benennen, um den Kontext zu verdeutlichen. Deshalb haben wir uns absichtlich für diesen etwas „unorthodoxeren“ Weg entschieden :). In der Klausur – falls du den Streit behandeln musst – würdest du im Grunde die Meinungen des „4. Senats“ darstellen, jedoch ohne den 4. Senat wörtlich zu benennen; stattdessen würdest du „eine Ansicht“ bzw. „andere Ansicht“ sagen. Insofern bitten wir um Nachsicht :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

PET

Petrus

26.5.2024, 14:04:22

Hab ich das richtig verstanden, dass grds gegen

Nebenbestimmung

en eine Anfechtungsklage statthaft ist. Diese ist aber nur begründet, wenn

materielle Teilbarkeit

vorliegt, also der Haupt-VA nicht durch das Wegfallen der

Nebenbestimmung

rechtswidrig wird. Dabei ist aber egal, wenn der Haupt-VA auch sonst rechtswidrig ist. Das heißt, die AK wäre begründet, wenn der VA generell rechtswidrig ist, sie wäre aber unbegründet, wenn der Haupt-VA nur deswegen rechtswidrig wird, weil die

Nebenbestimmung

wegfällt, korrekt?

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

27.5.2024, 10:20:21

Hallo Petrus, Genauso ist es richtig nach der aktuellsten Rechtsprechung des BVerwG.  Anbei ein Link, der die Rechtsprechung nochmal zusammenfasst: https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverwg-senat-isolierte-anfechtung-

nebenbestimmung

en-verwaltungsakt-rechtswidrig-streit/ Beste Grüße  Max - für das Jurafuchs-Team

JAN

Jan

1.6.2024, 10:33:40

unter welchem Prüfungspunkt ist das dann genau zu prüfen? Die aussage fehlt mir leider manchmal

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

11.6.2024, 17:49:42

Hallo Jan, danke für Deine Nachfrage. Die Frage, ob

Nebenbestimmung

en isoliert anfechtbar sind, stellt sich im Rahmen der statthaften Klageart. Denn wenn

Nebenbestimmung

en nicht isoliert mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könnten, käme nur die Verpflichtungsklage, gerichtet auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakt ohne die

Nebenbestimmung

en, als

statthafte Klageart

in Betracht. Die Frage der materiellen Teilbarkeit ist nach der Rspr. des BVerwG ein Prüfungspunkt im Rahmen der

Begründetheit

der Anfechtung der

Nebenbestimmung

. In dieser Aufgabe kam es uns vor allem darauf an, den „Streit“ der Senate darzustellen. Wie Du mit dem Thema in der Klausur umgehst, kannst Du Dir am besten in unserem Kurs zur VwGO anschauen: https://applink.jurafuchs.de/iLQzK7NslKb (

Statthaftigkeit

der Anfechtungsklage) und https://applink.jurafuchs.de/TQjg3tWslKb (

Begründetheit

der Anfechtungsklage). Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team.

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

11.6.2024, 17:50:52

Hallo Jan, danke für Deine Nachfrage. Die Frage, ob

Nebenbestimmung

en isoliert anfechtbar sind, stellt sich im Rahmen der statthaften Klageart. Denn, wenn

Nebenbestimmung

en nicht isoliert mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könnten, käme nur die Verpflichtungsklage - gerichtet auf den Erlass des begehrten Verwaltungsakt ohne die

Nebenbestimmung

en - als

statthafte Klageart

in Betracht. Die Frage der materiellen Teilbarkeit ist nach der Rspr. des BVerwG ein Prüfungspunkt im Rahmen der

Begründetheit

der Anfechtung der

Nebenbestimmung

. In dieser Aufgabe kam es uns vor allem darauf an, den „Streit“ der Senate darzustellen. Wie Du mit dem Thema in der Klausur umgehst, kannst Du Dir am besten in unserem Kurs zur VwGO anschauen: https://applink.jurafuchs.de/iLQzK7NslKb (

Statthaftigkeit

der Anfechtungsklage) und https://applink.jurafuchs.de/TQjg3tWslKb (

Begründetheit

der Anfechtungsklage). Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team.

FTE

Findet Nemo Tenetur

3.8.2024, 19:26:03

Im Fall steht “dass die Baugenehmigung auch MIT der

Nebenbestimmung

rechtswidrig wäre” oder so ähnlich. Aber so wie ich die Fallproblematik verstanden habe, geht es doch gerade darum, dass die Baugenehmigung auch ohne

Nebenbestimmung

rechtswidrig wäre. Oder habe ich alles falsch verstanden?

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

9.8.2024, 16:14:34

Hallo Karolin, ich habe mir den Fall gerade noch einmal angeschaut und m.E. sind alle Formulierungen richtig. Falls ich etwas übersehen habe, lass mich doch gerne Wissen, in welchem Hinweis der Fehler ist. Um Deine Frage zu beantworten: Die

materielle Teilbarkeit

von Hauptverwaltungsakt und

Nebenbestimmung

setzt nach st. Rspr. des BVerwG voraus, dass der Hauptverwaltungsakt ohne die

Nebenbestimmung

rechtmäßig bestehen bleibt. Bei dem hier dargestellten Streit ging es um die Frage, ob

materielle Teilbarkeit

auch dann verneint werden sollte, wenn der Hauptverwaltungsakt aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Wenn der Verwaltungsakt unabhängig vom Wegfall der

Nebenbestimmung

rechtswidrig ist, könnte man also auch sagen: Der Verwaltungsakt ist auch mit der

Nebenbestimmung

rechtswidrig. Ich hoffe, ich konnte Deine Frage beantworten. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team


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