Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Die Rechtsverordnung
Fall 6: Erlass eines Verwaltungsakts aufgrund einer (rechtswidrigen) Verordnung
Fall 6: Erlass eines Verwaltungsakts aufgrund einer (rechtswidrigen) Verordnung
4. Juli 2025
6 Kommentare
4,7 ★ (12.153 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Nach der durch die bayrische Landesregierung erlassenen Verordnung zum Infektionsschutz dürfen sich im Sommer 2020 nur zwei Haushalte treffen. Die Rechtsverordnung ist materiell rechtswidrig. Polizistin P erteilt L aufgrund der Verordnung einen Platzverweis.
Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Fall 6: Erlass eines Verwaltungsakts aufgrund einer (rechtswidrigen) Verordnung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Rechtmäßigkeit des Platzverweises setzt zunächst voraus, dass er aufgrund einer rechtmäßigen Ermächtigungsgrundlage und formell rechtmäßig ergangen ist.
Ja, in der Tat!
2. Ein Verstoß gegen eine rechtmäßige Verordnung begründet eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit.
Ja!
3. Zur Beantwortung der Frage, ob Ls Verhalten gegen die objektive Rechtsordnung verstößt, müsste die Rechtsverordnung zunächst rechtmäßig sein.
Genau, so ist das!
4. Begründet Ls Verhalten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, mit der Folge, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des Platzverweises erfüllt sind?
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Hannah17
3.5.2024, 14:12:25
Verstehe ich es also richtig, dass ich die
Ermächtigungsgrundlagein der
Begründetheitals ersten Prüfungspunkt anspreche und hierunter dann die
formelle und materielle Rechtmäßigkeitim gebotenen Umfang prüfe, sofern der Sachverhalt hierzu Anlass bietet?

Maximilian Puschmann
7.5.2024, 13:58:20
Hallo Hannah 17, Wenn Anhaltspunkte bestehen, dass die in Frage kommende
Ermächtigungsgrundlageselbst formell oder materiell
rechtswidrigsein könnte, prüfst du dies inzident unter dem Punkt
Ermächtigungsgrundlage. Die
formelle und materielle Rechtmäßigkeitdes Verwaltungsaktes selbst prüfst du im Anschluss. Ob eine taugliche
Ermächtigungsgrundlagegegeben ist, prüfst du in der
Begründetheitimmer zuerst. Beste Grüße Max – für das Jurafuchs-Team

CR7
11.8.2024, 17:17:39
@[Hannah17](150261) B.
Begründetheitdes Rechtsbehelfs I. Rechtmäßigkeit des
Platzverweises 1.
Ermächtigungsgrundlagea) Erforderlichkeit einer
Ermächtigungsgrundlage(+), da
Vorbehalt des Gesetzesb) Konkrete
Ermächtigungsgrundlage, Art. 16 Abs. 1 PAG
Formelle Rechtmäßigkeita) Zuständigkeit der handelnden Behörde → Zuständigkeit der Polizei zur
Gefahrenabwehr (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 PAG) b) Verfahren c) Form 2.
Materielle Rechtmäßigkeita) Tatbestandsvoraussetzungen von Art. 16 I PAG aa)
Gefahr für die öffentliche Sicherheit(1)
Öffentliche Sicherheitumfasst die objektive Rechtsordnung, darunter auch RVO (2) Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung, hier also RVO? - Problem: Rechtmäßigkeit der zugrunde liegenden Verordnung → inzident RVO prüfen, also (aa)
Ermächtigungsgrundlagefür RVO (i) Formelle Vfm der EGL (ii) Materielle Vfm der EGL (bb) Rechtmäßigkeit der RVO (i) Formelle RMK (ii) Materielle RMK (cc) Zwischenergebnis (3) Zwischenergebnis bb) Zwischenergebnis b) Rechtsfolge:
Ermessender Behörde aa)
Ermessensfehlerbb) Verhältnismäßigkeit II. Ergebnis Der
Platzverweisist aufgrund der materiellen
Rechtswidrigkeit der zugrunde liegenden Verordnung
rechtswidrig.
okalinkk
18.4.2025, 16:52:54
wie ist dieses Ergebnis damit zu vereinbaren, dass es im Verwaltungsrecht grds. keinen
Rechtswidrigkeitszusammenhang gibt?

Simon
2.6.2025, 17:43:35
Vorsicht, die Faustregel, dass es keinen
Rechtswidrigkeitszusammenhang (sog.
Konnexität) gibt, gilt nur im
Verwaltungsvollstreckungsrecht. Art. 70 I BayPAG fordert für die Vollstreckung
polizeirechtlicher Verfügungen nur das Vorliegen eines vollstreckbaren VA. Im Umkehrschluss zu Art. 70 II BayPAG ("innerhalb ihrer Befugnisse") und angesichts des Grundsatzes der effektiven
Gefahrenabwehr, sowie der Tatbestandswirkung von VA muss dieser Grund-VA nur wirksam, nicht hingegen rechtmäßig sein (str.). Überprüfst Du aber die Rechtmäßigkeit des Grund-VA, z.B. im Rahmen einer
Fortsetzungsfeststellungsklage analog§ 113 I 4 VwGO gegen den
Platzverweis, so musst Du sehr wohl die Rechtmäßigkeit der RVO prüfen, da eine
rechtswidrige RVO nichtig ist und ein Verstoß gegen diese damit keine
Gefahr für die öffentliche Sicherheiti.S.d. Art. 16 I 1 Nr. 1 BayPAG begründen kann. Bei Rechtsnormen gibt es keinen Wirksamkeitsgrundsatz wie ihn Art. 43 II BayVwVfG anordnet, sondern es gilt das sog. Nichtigkeitsdogma.
okalinkk
3.6.2025, 08:58:35
Danke :) @[Simon](131793)