Weiterfressermangel („Schwimmerschalter-Fall“)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Hersteller H verkauft eine Reinigungsanlage an U, die bei Flüssigkeitsmangel automatisch abschalten soll. Der hierfür zuständige Schwimmerschalter in der Maschine ist jedoch ab Werk defekt. Dadurch überhitzt die Reinigungsanlage und explodiert.
Einordnung des Falls
In der Schwimmerschalter Entscheidung befasst sich der BGH mit der Frage, ob eine Eigentumsverletzung vorliegt, wenn ein mangelhaftes Bauteil die Beschädigung der restlichen Anlage verursacht. Dies bejaht der BGH wenn der Mangel nur einen „funktionell begrenzten“ Teil der im Übrigen einwandfreien Anlage betrifft.
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. U hat Mängelgewährleistungsansprüche gegen H aus dem Kaufvertrag (§ 437 BGB).
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Ja!
2. Indem H dem U einen defekten Schwimmerschalter geliefert und übereignet hat, hat er das Eigentum des U verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).
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Nein, das ist nicht der Fall!
3. Deliktische Ansprüche sind subsidiär zu den Gewährleistungsrechten aus dem Kaufrecht.
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Nein, das trifft nicht zu!
4. Indem H dem U eine Reinigungsanlage geliefert und übereignet hat, in der ein defekter Schwimmerschalter verbaut war, der die Zerstörung der Reinigungsanlage des U verursacht hat, hat er das Eigentum des U verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB).
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Ja!
Fundstellen
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Johannes Nebe
24.5.2023, 22:50:50
Die Erklärung des Weiterfresserschadens ist nicht gut gelungen. In der vorletzten Frage muss man die Eigentumsverletzung des U mit Ja beantworten, wenn man schon an die ganze explodierte Maschine denkt. Der Clou des Weiterfresserschadens ist doch, dass an dem mangelhaften oder defekten Teil selbst keine Eigentumsverletzung entsteht. Dazu hätte die Frage sich aber auf das Eigentum am Schwimmerschalter beziehen müssen.

Nora Mommsen
27.10.2023, 14:27:13
Hallo Johannes Nebe, danke für deine Rückmeldung. Tatsächlich lautet die vorletzte Frage, ob H durch die Lieferung und Übereignung eines defekten Schwimmschalters das Eigentum verletzt hat. Diese Frage ist eindeutig mit nein zu beantworten. Genau das ist eben auch der Punkt. Man muss im Kopf ganz klar trennen zwischen den einzelnen Elementen der Sache. Der Schwimmschalter alleine ist noch keine Eigentumsverletzung. Aber eine Maschine mit eingebautem defektem Kleinteil ist es eben, wenn durch das Kleinteil auch der Rest beschädigt wird. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
evanici
11.9.2023, 10:46:14
Ist die Verletzungshandlung wirklich die Lieferung und Übereignung und müsste man hier nicht eher auf die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht abstellen?

CR7
21.10.2023, 17:04:36
Am Ende ist m.E. die Subsumtion nicht gut gelungen. Ich hätte hier erwähnt, dass (1) die Reinigungsmaschine ohne den Schwimmschalter wertlos ist, da die Reinigungsmaschine ohne diesen Schalter nicht betriebssicher bedient werden kann, (2) der Schwimmschalter ein abgrenzbares funktionales Teil innerhalb der Gesamtsache ist und keine Gesamteinheit mit dem Reinigungsgerät bildet, so dass leicht ein neuer Schwimmschalter hätte eingebaut werden können und (3) dies wirtschaftlich im Vergleich zum später eingetretenen Schaden nur ein geringfügiger Aufwand gewesen wäre. Insgesamt liegt damit eine Rechtsgutsverletzung vor, da der ursprünglich auf den Schwimmschalter beschränkte Mangel einen Schaden an der gesamten Reinigungsmaschine hervorgerufen hat, insofern also der Mangel im Erwerbszeitpunkt und der später eingetretene Schaden nicht stoffgleich sind.