Weiterfresserschaden
19. Mai 2025
32 Kommentare
4,7 ★ (26.895 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Anwältin A kauft bei Autohändler H einen neuen BMW. In dessen Motor ist schon bei Gefahrübergang eine mangelhafte Zündkerze eingebaut. Nach 3 Monaten schmilzt die Zündkerze während der Fahrt und brennt ein Loch durch den gesamten Motor.
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Einordnung des Falls
Weiterfresserschaden
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer unter weiteren Voraussetzungen Schadensersatz verlangen (§§ 437 Nr. 3 BGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der BMW war bei Gefahrübergang mangelhaft (§ 434 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BGB).
Genau, so ist das!
3. Für die Zündkerze ist § 281 BGB die richtige Anspruchsgrundlage, weil eine Nacherfüllung möglich ist.
Ja, in der Tat!
4. Für den nun defekten Motor als solchen ist § 280 Abs. 1 BGB die richtige Anspruchsgrundlage, weil dieser Schaden endgültig eingetreten ist.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell
23.3.2022, 10:04:18
Vorweg: auf der tatsächlichen Ebene bin ich absolut planlos 😅 deswegen meine Frage. Sind nicht Zündkerzen Bestandteil eines neuen Motors? Würden mit dem Einbau des neuen Motors nicht automatisch auch neue Zündkerzen eingebaut werden? Oder sind das doch zwei unabhängige Schritte?

Lukas_Mengestu
23.3.2022, 18:22:55
Hallo Isabell, in der Tat sind die im neuen Motor bereits drin. Die Frage entscheidende Frage ist aber hier: Kann A direkt
Schadensersatz verlangen (und den Motor zB von jemand anderem einbauen lassen) und beschränkt sich das Recht zur zweiten Andienung auf die Zündkerze? Oder muss sie H auch bezüglich des restlichen Motors (inkl. Zündkerze) eine
Frist zur Nacherfüllungsetzen. Hier entspricht es der ganz herrschenden Meinung, dass auch
Weiterfresserschädender Nach
erfüllungunterliegen (vgl. Faust, in: BeckOK-BGB, 61.Ed. 1.11.2021, § 439 RdNr. 37 mwN). Um H also das Recht zur zweiten Andienung zu gewähren, muss A ihn zunächst zur Nach
erfüllungauffordern. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Isabell
23.3.2022, 18:24:02
Ich danke dir!

CR7
30.10.2023, 10:43:40
Um nicht alles wieder zu vergessen, wiederhole ich solche Aufgaben regelmäßig. Mittlerweile fällt mir auf, dass in vielen Lehrbüchern aber auch hier leider nicht definiert wird, was der letztmögliche Zeitpunkt ist. Und so habe ich in AGs immer wieder Studis, die mich fragen, was denn der letztmögliche Zeitpunkt ist. Wäre gut, wenn man das mal mit aufgenommen wird. Letztmöglicher Zeitpunkt idR:
Unmöglichkeitder Nach
erfüllung, SE-Verlangen,
Rücktrittsverlangen, a.A. Ablauf der Nachfrist.

Lukas_Mengestu
18.12.2023, 16:17:55
Vielen Dank für den Hinweis, CR7! Das haben wir hier in einem Vertiefungshinweis noch ergänzt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Bioshock Energy
29.9.2024, 14:17:24
Puuh, ich tu mich so schwer mit diesem Thema. Leider verstehe ich trotz CR7 seinen Ausführungen diese Zauberformel nicht. Wenn der letztmögliche Zeitpunkt der Nach
erfüllungderjenige ist, in welchem A
Schadensersatz verlangt wieso liegt dann vorliegend ein
Schadensersatz statt der Leistung vor? In dem Moment wo A hier
Schadensersatz verlangt ist es doch schon zu spät und der
Schadenwar eingetreten. Hätte der Verkäufer hier eine Sekunde vor dem
Schadensersatzverlangen oder genau in der Sekunde des Verlangens nachgeliefert wäre der
Schadenimmer noch da, also nicht entfallen. Ebenfalls ist die Nach
erfüllunghier nicht unmöglich, da der Verkäufer einfach einen intakten neuen BMW mit intakter Zündkerze nachliefern kann. Seit Jahren mache ich Fehler bei der Frage
Schadensersatz statt oder neben der Leistung. Was ist an meinem Gedankengang falsch? Vieleicht kann mir das noch jemand erklären, ich wäre sehr dankbar!

Füchsin
26.1.2024, 12:12:37
ich habe nun endlich die grundsätzlichen Problemstellungen in der Behandlung des
weiterfressermangels verstanden. jedoch bin ich immer wieder verwirrt, wie ich so einen Sachverhalt lösen soll. würde ich also den Anspruch auf nach
erfüllungprüfen und einen
Schadensersatz neben der Leistungannehmen, und dennoch 280 I, III, 281 prüfen (Ersatz mangelunwert und
Schaden)? und dann 823 bejahen, da stoffungleichheit vorliegt? danke schon mal :)
Leo Lee
27.1.2024, 19:22:16
Hallo Füchsin, vielen Dank für diese sehr gute Frage! Vorab: Uns freut es RIESIG, dass unsere Aufgaben dir dabei weiterhelfen, Probleme – wie das vorliegende des
Weiterfresserschadens – zu verstehen! In einer „klassischen“ Weiterfresser-Klausur wird die Verjährungsfrist von 2 Jahren gem. § 438 I Nr. 3 (sowohl für eine Nach
erfüllungals auch für den
SE neben der Leistunggem. 437, 280 I) abgelaufen sein, weshalb dann i.R.d. 823 I die Anwendbarkeit auf diese Art von Schäden zu diskutieren sein wird. D.h., dass du erstmal die vertraglichen Ansprüche prüfst und dann Deliktsrecht nach dem klassischen Aufbau. Summa summarum heißt es also: 1. 437, 280 I (i.d.R. verfristet wegen § 438 I Nr. 3) --> 2. 437, 281 (ungeachtet Abgrenzung statt-neben i.d.R. verjährt; allerdings auch meistens nicht statt sondern neben der Leistung, weil der
Schadenan einem anderen Gegenstand eintritt) --> 3. 823 I (und hier dann das „große Problem“ bei „
Verfristung“ dieses Anspruchs. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Wagner § 823 Rn. 323 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Vanilla Latte
4.11.2024, 18:04:11
Dh wenn die GLR verjährt sind, prüfe ich 823 und frage, ob Weiterfresserscjäden erfasst sind bei ETV. Aber der 823 gilt dann nicht hins. des mangelhaften Teils sondern nur hinsichtlich des
Weiterfresserschadens oder?
Flohm
8.3.2024, 09:22:25
Wieso kann ich hier direkt zum
Schadensersatz gehen und muss nicht erst die Nach
erfüllung/
Fristsetzungprüfen?

Linne_Karlotta_
7.1.2025, 16:11:30
Hey @[Flohm](210957), schau Dir dazu gerne mal die Antwort von Leo in einem anderen Thread an: https://applink.jurafuchs.de/EMVOW80XXPb Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
TonksBlack
21.4.2024, 13:02:47
Hallo, mir wird leider nicht so ganz klar, warum hier nicht der §§ 280 Abs. 1., 241 Abs. 2 gilt. Irgendwie wird mir nicht so klar, wann ich den beim weiterfressenden
Schadenbenutze und wann nicht. Könnte mir das bitte jemand erklären?
LNA
24.10.2024, 15:53:15
Mir hat folgende Quelle ganz gut geholfen: Jura 44, Heft 5 Felix J. Janousek Der gordische Knoten des allgemeinen
Schuldrechts:
Schadensersatz statt, neben oder wegen Verzögerung der Leistung … oder doch
einfacher Schadensersatz? Eine abgrenzende Darstellung der §§ 280 ff., 311 a II BGB anhand von Fallbeispielen

Tobias Krapp
11.11.2024, 13:00:01
Hallo @[TonksBlack](207763), danke für deine wichtige Verständnisfrage! Bei §§ 280 I, 241 II BGB geht es um
Schadensersatz aufgrund Verletzung einer Nebenpflicht. Beim
Weiterfresserschadenist dagegen die Sache mangelhaft und dieser Mangel dehnt sich dann in der Kaufsache aus, frisst sich also weiter. Ohne Sachmangel also kein
Weiterfresserschaden. Ein Sachmangel ist keine Nebenpflichtverletzung, sondern eine
Leistungspflichtverletzung. Daher kann §§ 280 I, 241 II BGB hier nicht die richtige Anspruchsgrundlage sein. Da ein Mangel vorliegt und der Gefahrübergang stattfand, ist vielmehr § 437 BGB mit im Boot, und man muss nur nach §§ 437 Nr. 3, 280 I oder §§ 437 Nr. 3, 280, I, III, 281 abgrenzen. Zur Abgrenzung der Anspruchsgrundlagen im
Kaufrechtkann ich ergänzend zu unseren Aufgaben hier auf Jurafuchs auch sehr dieses Video von Prof. Fervers empfehlen: https://youtu.be/8teoiGs98ew?si=K2Kdw3ucObFjIXAZ. Das lässt keine Fragen offen und die Probleme sind super aufbereitet! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias

Rüsselrecht 🐘
26.11.2024, 22:07:44
Ich habe eine kleine Ergänzung In dem tollen Video von Prof. Fervers wird im Fall 9 (Käufer erwirbt mangelhaftes Motoröl, füllt dies in den Motor ein und dieser wird schwer beschädigt) der
Mangelfolgeschadenvom
Weiterfresserschadenabgegrenzt. Man muss echt aufpassen 🥹 Und danke für den Link 🥰
simonr
12.2.2025, 13:34:30
Ganz richtig. Um bei der Abgrenzung von
Mangelfolgeschadenund
Weiterfresserschadennicht in eine Falle zu tappen, sollte man sich immer zunächst fragen an welcher Sache der konkrete
Schadenentstanden ist: 1. Besteht ein Mangel wie im Beispiel an der Kaufsache (Motoröl) der sich dann auf eine andere Sache (Auto) ausbreitet, sind die §§ 434ff. BGB nicht anwendbar, sondern der
Schadenan der anderen Sache ist vielmehr über das allg.
Schuldrecht (und in freier
Anspruchskonkurrenzwohl auch über das Deliktsrecht) ersetzbar. (=
Mangelfolgeschaden) 2. Besteht ein Mangel an der Kaufsache (Zündkerze) der dann aber nur innerhalb der Kaufsache zu einem weiteren
Schadenführt (zerstörter Motor), sind die §§ 434ff. BGB anwendbar. (=
Weiterfresserschaden) Die Fälle liegen sehr ähnlich, es ist aber sehr wichtig richtig abzugrenzen, damit man die jeweiligen Anspruchsgrundlagen findet (GewährleistungsR vs. allg.
SchuldR).
Findet Nemo Tenetur
28.2.2025, 21:41:16
Also wenn der in unserem Fall nur die Zündkerze gekauft hätte, dann wäre der Motor
schadenein
Mangelfolgeschaden. Und der wäre dann über… § 281 I 1 Alt. 2 ersetzbar? Eine
Fristsetzungergibt keinen Sinn und die Verjährung ist anders als wenn ich über das Mängelgewährleistungsrecht käme? Oder wie ist genau der Unterschied. Bzw ich verstehe nicht, weswegen es Auswirkung auf die AGLs (@[simonr](197213)) und nicht vielmehr nur auf die Rechtsfolgen hat. Oder wäre der Motor
schadenals
Mangelfolgeschadenüber §§ 280 I, 241 II ersetzbar, weil der
Schuldner mit der mangelhaften Zündkerze seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des Käufers verletzt hat? Und im Falle des
Weiterfresserschadens wäre es eben gerade nicht §§ 280 I, 241 II sondern §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I 1 ?

Rüsselrecht 🐘
28.2.2025, 23:44:30
Ahoi 🥳 Hätte Anwältin A (abweichend zum obigen Fall) lediglich die Zündkerze im Baumarkt gekauft und diese später im Motor selbst verbaut, der aber im Zeitablauf geschädigt wird, so wäre der
Schadenneben der Leistung nach § 280 I zu liquidieren. Es ist ein „
Mangelfolgeschaden“. Diese umfasst alle Einbußen, die an „anderen“ Rechtsgütern des Käufers als der Kaufsache selbst auftreten und die daraus resultieren, dass der Käufer die Sache im Vertrauen auf die Mangelfreiheit benutzt oder in Betrieb genommen hat. Aber diese Begriffe „Mangel
schaden,
Mangelfolgeschaden,
Weiterfresserschaden“ werden nicht einheitlich verwendet und sind im alten
Schuldrecht geprägt worden. Also eher verwirrend. Besser finde ich folgendes: Die einschlägige Anspruchsgrundlage für den Ausgleich von Schäden bestimmt sich ausschließlich nach der Frage, ob die erlittene Vermögenseinbuße im Wege einer gedachten Nach
erfüllungprinzipiell kompensiert werden kann. Ist der eingetretene
Schadenjedenfalls prinzipiell im Wege der Nach
erfüllungzu beheben, so handelt es sich um einen
Schadensersatzanspruch statt der Leistung, §§ 280 I, III,
281 BGB. Wenn der
Schadendurch eine ordnungsgemäße Nach
erfüllungnicht behoben werden kann, muss er danach unmittelbar über §
280 BGBabgewickelt werden. Hierbei ist die Reichweite der Nach
erfüllungzu bedenken: Gegenstand des
Nacherfüllungsanspruchs ist der Ausgleich nicht nur des Mangel
schadens einschließlich seiner nachträglichen Ausdehnung („Weiterfresser“), also Zündkerze als Mangel
schadenund Motor als nachträgliche Ausdehnung des
Schadens. Im dem oben abgewandelten Fall (Kauf im Baumarkt, Selbsteinbau) wäre der Motor
schadendurch Nach
erfüllungnicht zu beheben und muss daher muss er danach unmittelbar über §
280 BGBabgewickelt werden. Ich hoffe, das war jetzt nicht allzu verwirrend. 😬

Wesensgleiches Minus
19.3.2025, 22:34:18
@[simonr](197213) laut Matthias Fervers (Videolink siehe oben) sind im Motorölfall durchaus die §§ 434 ff. anwendbar. Allerdings ist ein
Schadenneben der Leistung nach § 280 I BGB zu ersetzen. Die korrekte Anspruchsgrundlage ist demnach §§ 437 Nr. 3, 434, 280 I BGB. Bei deinem Punkt Nr. 2 (
Weiterfresserschaden) ist die richtige Anspruchsgrundlage §§ 437 Nr. 3, 434, 280 I, III,
281 BGB. LG :)
Caroline Hannemann
16.4.2025, 20:41:46

Rüsselrecht 🐘
16.4.2025, 22:04:33
Ahoi, sofern unter der Annahme, dass die verursachende Sache in Ordnung (mangelfrei) ist und den
Mangelfolgeschadenals
Schadenan eben „anderen“ Sachen begreift, fehlt es am Sachmangel der verursachenden Sache. Deshalb der direkte Weg über § 280.

Rüsselrecht 🐘
1.5.2025, 20:20:31
Das ist hier gerade die Frage.
Mangelfolgeschadenoder
Weiterfresserschadensind verschiedene Dinge. Da muss Du streng trennen.

Rüsselrecht 🐘
1.5.2025, 21:22:47
Vielleicht hilft der Aufsatz von Jura Individuell 😬 https://www.juraindividuell.de/artikel/
mangelfolgeschaden-pruefungsaufbau/

Rüsselrecht 🐘
3.8.2024, 13:07:16
A muss Nach
erfüllungverlangen, eine Frist setzen, die Nach
erfüllungendgültig ausbleiben und erst dann kann A ihren
Schadenals SE statt der Leistung liquidieren. Richtig? Falls A keine Frist gesetzt hat und die Nach
erfüllungschlicht nicht stattfindet, kann A wegen § 281 II Alt. 1 dennoch den
Schadenliquidieren?
Leo Lee
4.8.2024, 08:13:51
Hallo Rüsselrecht, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Du hast völlig Recht: Soweit 281 betroffen ist, ist nach dem Wortlaut „erfolglos eine
angemessene Frist…“ zunächst eine Frist zu setzen (bei den 434 ff. aufgrund des Vorrangs der Nach
erfüllungNach
erfüllungsfrist). Auch hast du völlig Recht damit, dass 281 II dann greift, wenn der
Schuldner (etwa Verkäufer) die Nach
erfüllungendgültig verweigert. Hierzu kann ich i.Ü die Lektüre vom MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 281 Rn. 24 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
Kristupas
27.1.2025, 23:09:27
nondum conceptus
19.3.2025, 16:16:05
Soweit ich es verstanden habe, muss er erstmal eine Frist setzen