Entfernung von fremdem Grundstück eingedrungenen Wurzelwerks
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Vom Grundstück des A wachsen zwei Starkwurzeln eines Baumes in das Nachbargrundstück des B hinein. Sie beschädigen mehrere Betonplatten bei B. B bittet A, den Baum zu beseitigen. A weigert sich. B beauftragt daraufhin den Gärtner G mit der Fällung.
Einordnung des Falls
Entfernung von fremdem Grundstück eingedrungenen Wurzelwerks
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B kann von A Ersatz der Beseitigungskosten verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz hat (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB).
Genau, so ist das!
2. Indem B den Baum beseitigen ließ, hat er "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Indem B den Baum beseitigen ließ, hat er ein objektiv fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.
Nein!
4. Indem B den Baum beseitigen ließ, hat er ein auch- fremdes Geschäft besorgt. Der Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet.
Genau, so ist das!
5. Die Geschäftsführung des B war berechtigt (§ 683 S. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
6. B kann von A die Gärtnerkosten ersetzt verlangen (§§ 677, 684 S. 1, 818 ff. BGB).
Genau, so ist das!
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iustus
30.8.2020, 13:32:06
Warum ist es kein objektiv fremdes Geschäft, wenn der B den Baum des A auf dem GS des A entfernen lässt? Objektiv fremd (-) weil 1004?
Fahrradfischlein
12.9.2020, 16:20:15
Ich würde sagen es ist kein objektiv fremdes Geschäft weil auch (und auf den ersten Blick auch ausschließlich) B etwas davon hat wenn der Baum entfernt wird. Durch den § 1004 Anspruch gegen A wird es aber als auch-fremdes Geschäft behandelt, da dadurch auch der A etwas vom Entfernen des Baumes hat.
0815jurafuchs
23.5.2024, 17:17:52
Was ist denn Maßstab bei der Beurteilung ob ein objektiv fremdes oder ein auch-fremdes Geschäft vorliegt? Der Eindruck den das Geschäft nach außen macht oder in wessen objektiven Interesse das Geschäft ist? Stellt man auf den äußeren Eindruck ab läge hier m.E. ein objektiv fremdes Geschäft vor. Stelle ich auf das Interesse ab kann ich das auch-fremde Geschäft nachvollziehen, kann dann aber u. U. in bestimmten Konstellationen eine Einordnung eines Geschäfts als
subjektiv fremdes Geschäftnicht mehr nachvollziehen bspw. wenn ein GF ausschließlich ein Geschäft im Interesse des GH besorgt, es nach außen aber nicht als solches erkennbar ist (z.B. Reparatur einer Sache des GH). Kann mir hier jemand Klarheit schaffen?
Mona32145
25.11.2020, 21:10:45
Wenn A gem. §1004I S. 1 verpflichtet ist, könnte man dann nicht auch die Berechtigung des B bejahen? Er wird ja dann im Interesse des A tätig?
Tr(u)mpeltier junior
6.12.2020, 11:50:09
Das Problem ist, dass die berechtigte GoA neben dem Interesse auch noch einen entsprechenden Willen des Geachäftsherrn voraussetzt. Dieser fehlt hier aufgrund der Weigerung des A.
Kafkathustra
31.12.2020, 13:37:49
Wie wirken sich öffentlich-rechtliche Vorgaben auf das angenommene Interesse hier aus? Ich meine, dass die Baumschutzverordnung in Hamburg das fällen von Bäumen ohne gebührenpflichtige Sondergenehmigung jedenfalls verbietet. Und wenn die Baumschutzverordnung das Interesse des A nicht entfallen liesse: wer hätte für die Genehmigungsgebühren aufzukommen..?
Lukas_Mengestu
28.7.2021, 14:37:42
Hallo Kafkathustra, richtig ist, dass öffentlich-rechtliche Vorgaben auch von dem beeinträchtigten Nachbarn grundsätzlich zu beachten sind. Das heißt, sofern öffentlich-rechtliche Regelungen einer Beseitigung entgegenstehen (zB Naturschutzrecht), dann besteht grds. kein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB mehr. Allenfalls kommt dann ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog in Betracht (vgl. BGH NZM 2005, 318). Sofern indes die Beantragung einer Ausnahmegenehmigung möglich ist, bleibt der Störer grds. nach § 1004 I BGB verpflichtet, die Störung zu beseitigen und insoweit auch die entsprechende Sondergenehmigung einzuholen (vgl. BGH NZM 2005, 318; NJW-RR 2019, 1356). Der Störer trägt hierfür dann auch die Kosten. In diesem Fall liegt die Beseitigung des Baumes weiterhin im Interesse des Störers und ein Erstattungsanspruch aus § 677, 684 S. 1, 818 ff. BGB besteht (zu den Erstattungskosten gehören dann auch die Kosten für die Ausnahmegenehmigung). Beste Grüße Lukas - für das Jurafuchs-Team
Vojtech
7.12.2021, 02:21:33
Tipp für einen Vertiefungshinweis: Der Fall ist bzgl. der beschädigten Betonplatten ein Paradebeispiel für den Streit zwischen der Kausalitäts- und Usurpationslehre. Da ihr die Ansicht der Rspr. hinsichtlichtlich der Rechtsfolge des § 1004 BGB bei der Erklärung bzgl. des “auch fremden Geschäfts” erwähnt und der Streit nicht nur bei GoA-Ansprüchen von Bedeutung ist, könnte es für viele vllt ganz hilfreich sein :)
Lukas_Mengestu
8.12.2021, 10:06:17
Vielen Dank für den Hinweis, Vojtech. Wir haben nun einen entsprechenden Vertiefungshinweis ergänzt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Edward Hopper
17.6.2022, 21:58:51
Dass § 684 ein RF Verweis ist, ist aber auch "nur" BGH, h.L. sieht es (soweit ich weiß) als RG Verweis. Das hat hier im Ergebnis keine Auswirkung, kann aber in anderen Fällen durchaus sein.
Lukas_Mengestu
21.6.2022, 11:17:03
Vielen Dank für den Hinweis, besserwisser. Wir haben das nun entsprechend präzisiert. In der Tat nimmt ein großer Teil der Literatur an, dass es sich bei § 684 BGB um eine Rechtsgrundverweisung handelt, sodass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Bereicherungsrechts erfüllt sein müssen (insb. §§ 814, 815, 817 S. 2 BGB sind anwendbar). Große praktische Bedeutung hat der Streit indes nicht (so BeckOGK/Thole, 15.2.2022, BGB § 684 Rn. 5). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
InDubioProsecco
8.6.2023, 13:37:09
Man könnte hier ggf. noch erwähnen, dass es sich bei der Erlangten um eine aufgedrängte Bereicherung handelt, die A aber trotzdem ersetzen muss.
LaulauAC
11.4.2024, 00:12:25
Warum war A zur Entfernung des Baumes verpflichtet? Die Entfernung der Wurzeln sowie die Wiederherstellung der Betonplatten hätte doch vollkommen ausgereicht.
Falsus Prokuristor
6.6.2024, 13:18:37
Liebes Team, in einem der Texte wird es als herrschende Meinung bezeichnet, dass der Anspruchsgegner des § 1004 die Beseitigung der Störungsquelle schulde. Dies ist die Ansicht der actus-contrarius-Theorie. Herrschende Meinung, einschließlich der Rechtsprechung, ist allerdings die noch weitergehende Wiederherstellungs- bzw Wiedernutzbarkeitstheorie. Da in diesem Fall lediglich die Gärtnerkosten verlangt werden, macht es für das Ergebnis keinen Unterschied. Ein Anspruch hinsichtlich der Betonplatten (und eventuell das Auffüllen mit Erde und Ansäen von Gras) wäre allerdings nur nach der herrschenden Meinung von § 1004 umfasst und damit nur nach dieser Auffassung als Aufwendungen ersetzbar.
Tooqzi
29.6.2024, 11:10:11
Liebes Team, ich glaube in der Subsumtion des Anspruchs iVm 818 BGB hat sich ein Formulierungsfehler eingeschlichen. Das Wort "war" taucht dort im ersten Satz zwei mal auf obwohl es vermutlich nur ein mal dort stehen sollte.