+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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P fordert von E eine Sicherheit aufgrund einer offenen Forderung. E bietet P die Sicherungsübereignung seiner Rolex an. P möchte aber die Rolex in seinem Laden verwahren. E übergibt sie P, so dass P sie verwerten darf, sollte E die Forderung nicht begleichen. In einem unbeobachteten Moment nimmt E die Rolex wieder an sich. Er veräußert sie sodann an G.

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Einordnung des Falls

Abhandenkommen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. E hat P wirksam Sicherungseigentum an der Rolex übertragen (§§ 929, 930 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

E wollte P eine Sicherheit geben. P wollte sich aber nicht auf Sicherungseigentum einlassen. Dadurch hätte er keinen unmittelbaren Besitz erlangt. Die Interessenlage von P und E deutet auf die Vereinbarung eines vertraglichen Pfandrechts hin. Ein Pfandrecht dient der Sicherung einer bestehenden, offenen Forderung. Es kann (1) vertraglich vereinbart werden, (2) kraft Gesetzes entstehen (z.B. Vermieterpfandrecht, §§ 562ff. BGB) oder (3) durch Pfändung, also eine Zwangsvollstreckung begründet werden (Pfändungspfandrecht). Als Sicherungsmittel ist das Vertragspfandrecht in der Praxis bei beweglichen Sachen durch das Sicherungseigentum (§§ 929, 930 BGB) und bei Rechten durch die Sicherungsabtretung weitestgehend verdrängt.
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2. E hat P wirksam ein vertragliches Pfandrecht bestellt (§ 1204 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Ersterwerb eines vertraglichen Pfandrechts setzt voraus: (1) Einigung über die Pfandrechtsbestellung an beweglicher Sache ( 1205 Abs. 1 BGB), (2) Bestehen der zu sichernden Forderung, (3) Übergabe der Pfandsache (§ 1205 ff. BGB), (4) Einigsein, (5) Verfügungsberechtigung des Verpfänders. E und P haben vereinbart, dass P die Rolex verwerten darf, sollte E nicht zahlen. Dies stellt eine Einigung über die Bestellung eines Pfandrechts dar. E hat die Rolex an P übergeben. Zu diesem Zeitpunkt waren E und P auch über die Bestellung des Pfandrechts einig. E war auch verfügungsbefugt. Da es sich um ein Pfandrecht mit Besitz handelt, spricht man auch von einem Faustpfandrecht.

3. G hat Eigentum nach § 929 S. 1 BGB erlangt.

Ja!

Die Übereignung nach § 929 S. 1 BGB setzt voraus: (1) Einigung, (2) Übergabe, (3) Einigsein bei Übergabe, (4) Berechtigung des Veräußerers. E und G haben sich über den Eigentumsübergang geeinigt. E hat G die Rolex übergeben. E und G waren zum Zeitpunkt der Übergabe einig, dass das Eigentum an G übergehen solle. E war auch verfügungsbefugt. Die Belastung der Rolex mit dem Pfandrecht zugunsten des P steht dem nicht entgegen. Das Pfandrecht ist ein beschränktes dingliches Recht, ein Splitter aus dem Vollrecht Eigentum. Die Belastung des Eigentums mit einem beschränkten dinglichen Recht hat jedoch keinen Verlust der Verfügungsbefugnis zur Folge.

4. G hat gutgläubig lastenfrei (§ 936 BGB), d.h. die Rolex ohne Belastung mit dem Pfandrecht erworben.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der gutgläubige lastenfreie Erwerb (§ 936 BGB) setzt voraus: (1) Rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb an beweglicher Sache, (2) Belastung der Sache mit einem dinglichen Recht eines Dritten, (3) Besitzerwerb des Erwerbers entsprechend den Voraussetzungen der §§ 932 ff., § 936 Abs. 1 S. 2, 3 BGB, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers hinsichtlich der Lastenfreiheit, § 936 Abs. 2 BGB, (5) Kein Ausnahmefall gem. § 936 Abs. 3, (6) Kein Abhandenkommen der Sache vom Rechtsinhaber, § 935 analog. Die Voraussetzungen (1) bis (5) liegen vor. Allerdings ist die Rolex dem Pfandgläubiger P abhandengekommen: Zwar findet sich in § 936 BGB kein Verweis auf § 935 BGB. Die herrschende Meinung wendet jedoch § 935 BGB analog an, da der Pfandgläubiger genauso wie der Eigentümer schutzwürdig sei.

5. P kann von G Herausgabe der Rolex verlangen (§§ 1227, 985 BGB).

Ja, in der Tat!

Der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB setzt voraus: (1) Eigentum des Anspruchsstellers, (2) Besitz des Anspruchsgegners, (3) Fehlendes Recht zum Besitz des Anspruchsgegners (§ 986 BGB). P ist nicht Eigentümer der Rolex. Aufgrund der Verweisungsnorm des § 1227 BGB kann sich jedoch auch der Pfandgläubiger auf § 985 BGB berufen. Dessen weitere Voraussetzungen liegen vor: P ist Pfandrechtsinhaber, G ist Besitzer. Insbesondere hat G gegenüber dem Pfandgläubiger P kein Recht zum Besitz (§ 986 BGB).
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