Beispiel für fehlende Gewalt 2

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T will Os wertvolle Uhren wegnehmen, fürchtet aber, dass dieser der Tat Widerstand entgegensetzen werde. Daher misshandelt T die Katze des O vor dessen Augen so lange, bis dieser die Wegnahme widerstandslos geschehen lässt.

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Einordnung des Falls

Beispiel für fehlende Gewalt 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Wenn T mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, verwirklicht er den Straftatbestand des Raubes (§ 249 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Raub verknüpft als eigenständiges mehr¬aktiges Delikt den Diebstahl (§ 242 StGB) mit gegenüber § 240 StGB qualifizierten Nötigungselementen. Hinsichtlich der Wegnahme gelten die gleichen Grundsätze wie zu § 242 StGB. Nach h.M. muss der Einsatz des Nötigungsmittels nach der Vorstellung des Täters gerade die Wegnahme bezwecken (subj. Finalzusammenhang). In objektiver Hinsicht ist ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang erforderlich. Der subjektive Tatbestand setzt neben dem Vorsatz die Absicht rechtswidriger Selbst- oder Drittzueignung voraus (auch hier sind die Grundsätze zu § 242 StGB auf § 249 StGB übertragbar).
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2. T hat „fremde bewegliche Sachen weggenommen“.

Ja!

Tathandlung ist zunächst die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache. Diese wird identisch zur Wegnahme in § 242 Abs. 1 StGB definiert und geprüft. Wegnahme ist der Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise tätereigenen Gewahrsams. T hat die wertvollen Uhren des O an sich genommen, dadurch neuen Gewahrsam begründet, fremden Gewahrsam gebrochen und mithin fremde bewegliche Sachen weggenommen.

3. T hat zur Wegnahme der Uhren „Gewalt gegen eine Person“ eingesetzt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gewalt gegen eine Person bedeutet, dass die Gewaltanwendung unmittelbar oder mittelbar auf den Körper des Opfers bezogen sein muss. Hier hat T Os Katze misshandelt. Rein psychische Einwirkungen und Gewalt gegen Sachen sind für die Bejahung des Gewaltbegriffes jedoch nicht ausreichend. Mithin auch nicht das Quälen von (Lieblings-)Tieren. T hat sich nicht gemäß § 249 StGB strafbar gemacht; vielmehr verwirklicht er §§ 242, 240 StGB. Die Misshandlung der Katze ist keine „Gefahr für Leib oder Leben“, sondern „nur“ ein sonstiges „empfindliches Übel“.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

lexfoxi🦊

lexfoxi🦊

5.6.2021, 14:53:15

Gewalt gegen Katzen geht ja auch gar nicht! 🐈😾

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

4.3.2022, 20:42:02

Wäre aufgrund der mittelbar auf O wirkenden Drohung mit einem empfindlichen Übel auch eine Erpressung nach § 253 StGB denkbar? Es liegt hier doch letztlich nichts anderes als die vom Bereicherungsstreben getragene Nötigung des O zur Preisgabe der Uhren vor.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.3.2022, 18:34:58

Hallo Rüsselrecht, die hL verlangt für die Annahme einer (räuberischen) Erpressung stets eine Vermögensverfügung. Dies setzt indes voraus, dass das Opfer der Ansicht sein muss, dass die Vermögensverschiebung von seiner Mitwirkung abhängt. Daran fehlt es hier. Soweit man nach der Rechtsprechung auf das objektive Erscheinungsbild abstellt, liegt ebenfalls keine Erpressung vor. Aus diesem Grund kommt hier nur der Diebstahl in Tateinheit mit einer Nötigung in Betracht (§§ 242 Abs. 1, 240 Abs. 1, 52 StGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Rüsselrecht 🐘

Rüsselrecht 🐘

15.3.2022, 19:37:59

Danke Lukas 😎 Ich hatte über das willenlose Dulden im Zusammenhang mit der Vermögensverschiebung gegrübelt. Um aber ein Selbstschädigungsdelikt sein zu können muss O ein Werkzeug gegen sich selbst sein.

juramen

juramen

21.12.2022, 15:23:07

Könnte man nicht auch sagen, dass die Katze ein Leben hat, dass bedroht wird? Auch wenn es natürlich eigentlich darauf ankommt, ob O selbst betroffen wäre…

BL

Blotgrim

7.1.2023, 10:44:37

Ich glaube, dass bei der zweiten Alternative Leib oder Leben einer Person betroffen sein muss und eine Katze ist ja keine Person (bei der ersten Alternative muss es ja eindeutig eine Person sein). Man muss bei der Argumentation ein bisschen das Strafmaß im Auge behalten, du kommst immerhin mindestens 1 Jahr ins Gefängnis, da kann für Ziel der Gewalt/Drohung nicht weit ausgelegt

Diana Maria

Diana Maria

8.3.2023, 19:15:51

Hatte ich auch überlegt, frage mich aber ob das dann nicht eine unzulässige Analogie zu Lasten des Täters wäre… höchstens evtl psychische folter als Gewalt gegen O, aber nimmt man ja auch nicht an

HUG

Hugo

4.4.2023, 20:08:53

Eine Katze als Tier gilt im StGB als „Sache“; Leib und Leben kann sich nicht also nicht auf eine „Sache“ beziehen. :-)

SophiemachtJura

SophiemachtJura

23.11.2023, 13:39:44

Für den §249 reicht ja durchaus eine Drohung mit Gewalt gegen Leib und Leben. Könnte in der Misshandlung der Katze nicht durchaus eine Drohung mit Gewalt gegen den O liegen? Es liegt ja nicht entfernt für den O zu denken, wenn T nicht bekommt was er will, ist O nach der Katze dran.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

24.11.2023, 14:05:04

Hallo Sophia's world of Wonder! Danke für deine Frage. Grundsätzlich ist das durchaus naheliegend. Ohne irgendeinen Hinweis darauf im Sachverhalt, dass T derartige Andeutungen oder Äußerungen tätigt, stellt es jedoch Sachverhaltsquetsche dar. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

GO

gova

29.4.2024, 21:17:49

In der Erklärung steht, dass

Gewalt gegen Sachen

nicht vom Gewaltbegriff umfasst ist. Ich dachte, es ist u.U. umfasst. Voraussetzung ist aber, dass dadurch ein körperlich wirkender Zwang ausgelöst wird (wäre in dem Fall m.E. zu verneinen).

Maximilian Puschmann

Maximilian Puschmann

2.5.2024, 14:21:04

Hallo Gova,  grundsätzlich ist

Gewalt gegen Sachen

nicht vom Gewaltbegriff des § 249 StGB aufgrund des Wortlautes umfasst. Jedoch kann Gewalt gegen eine Sache mittelbar gegen eine Person in Form eines körpelich wirkendem Zwanges richten. Beispielsweise wenn eine Tür zugehalten wird, um eine Person einzusperren. Hier bedarf es aber immer einer Personenbezogenheit, da ansonsten kein körperlicher Zwang wirkt. Dies war hier eher fernliegend. Beste Grüße, Max – für das Jurafuchs-Team

Charliefux

Charliefux

23.7.2024, 16:15:10

@[gova](211395) vielleicht verwechselt du hier den Tatbestand des § 249 mit dem des § 240. Im § 249 (bitte aufschlagen) wird Gewalt gegen eine PERSON oder eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gefordert. Dies schließt die

Gewalt gegen Sachen

nach dem Wortlaut schon aus. Früher wurde vertreten, dass auch ein körperlich wirkender Zwang iSv Stress, Herzrasen o.ä. verursacht durch die Psyche unter den Gewaltbegriff gefasst wird. Diese Auffassung wird allerdings seit Jahrzehnten nicht mehr vertreten. Dahingegen ist der § 240 StGB schon bei Drohung mit einem empfindlichen Übel erfüllt, und diese Drohung kann sich sowohl gegen Menschen, als auch gegen Sachen -wie hier die Katze- richten.

ECI15

Eci15

12.7.2024, 19:10:08

Aus welchem Grund wäre hier der Diebstahl nach § 242 und die Nötigung nach § 240 einschlägig gewesen? Ich hätte die Erpressung nach § 253 geprüft und verstehe nicht, wieso sie hier nicht angenommen wurde

LELEE

Leo Lee

14.7.2024, 11:36:16

Hallo Eci15, vielen Dank für die sehr gute Frage! Vorab: Dein Gefühl ist sehr gut nachvollziehbar, zumal hier auch damit gedroht wird, der Katze weiterhin schlimme Sachen anzutun. Beachten allerdings, dass hier T die Uhren selbst nimmt – also wegnimmt und sich nicht etwa durch O geben lässt. Liegt eine solche – sogar äußerliche – Wegnahme vor, scheidet 253 aus, da 253 – nach beiden Ansichten – eine WegGABE voraussetzt (bei der Rspr. kommt es nur darauf an, wie es nach außen hin aussieht, für die Literatur hingegen darauf, ob das Opfer wirklich weggeben wollte oder eine Alternative gesehen hat). Liegt hingegen schon eine äußerliche WegNAHME vor, so scheidet nach beiden Ansichten eine Erpressung raus, womit nur noch 242 und 240 verbleiben. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Sander § 253 Rn. 14 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Jakob

Jakob

17.7.2024, 22:22:18

Ich stimme Eci15 zu. Nach Auffassung des BGH ist die räuberische Erpressung sowohl ein Selbst- als auch ein Fremdschädigungsdelikt. Eine Vermögensverfügung ist bei §§ 255,253 StGB nicht erforderlich. Der BGH sieht hierin eine Ähnlichkeit zur Nötigung (§ 240 StGB), da auch der Raub (§ 249 StGB) Nötigungselemente enthält. Daher befindet sich die räuberische Erpressung nicht in einem Alternativverhältnis zum Raub, sondern der Raub ist lex specialis zur räuberischen Erpressung. Folglich reicht dem BGH die Duldung der Wegnahme aus bei einer räuberischen Erpressung aus. Hier würde jedoch lediglich eine einfache Erpressung nach § 253 StGB vorliegt, da die Qualifikation der räuberischen Erpressung Gewalt gegen Menschen erfordert, was im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.

snake4711

snake4711

18.9.2024, 14:52:54

Woran scheitert hier das tatbestandsausschließende Einverständnis im Rahmen der Wegnahme?


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