Klassiker im Strafrecht: 14 Fälle & Rechtsprechungen mit Lösung

Auf Jurafuchs Wissen findet Ihr 14 Fälle & Rechtsprechungen mit Lösung zum Thema Klassiker im Strafrecht für die Klausuren- und Examensvorbereitung im Jurastudium und Referendariat.
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Strafrecht > Examensrelevante Rechtsprechung SR

Klassiker: Gubener Hetzjagdfall

Bei der Gubener Hetzjagd-Fall setzt der BGH seine Rechtsprechung zu der Erfolgsqualifikation des § 227 StGB (Körperverletzung mit Todesfolge) fort, die er bereits durch den Pistolenschlag-Fall (BGHSt 14, 110) und den Rötzel-Fall (NJW 1971, 152) begründet hat. Dabei stellt er einerseits klar, dass ein erfolgsqualifizierter Versuch auch dann angenommen werden kann, wenn das Grunddelikt (hier die Körperverletzung nach § 223 StGB) lediglich versucht wurde. Andererseits präzisiert er seine Rechtsprechung zur Frage des Unmittelbarkeitszusammenhangs. Im Rötzel-Fall hatte er noch ausgeführt, dass der für die Erfolgsqualifikation notwendige Unmittelbarkeitszusammenhang fehle, wenn der Tod des Opfers durch sein eigenes (Flucht-) Verhalten herbeigeführt wird. Nunmehr stellte er klar, dass der Unmittelbarkeitszusammenhang aber jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sei, wenn die Panikreaktion des Opfers, die zu seiner Selbstverletzung führt, geradezu deliktstypisch sei.

Jurafuchs Illustration: T bringt an einem Auto Sprengstoff an.

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Strafrechtsklassiker: Die Sprengfalle - Jurafuchs

In diesem Klassiker ist zwischen einer aberratio ictus und einem error in persona abzugrenzen. Bei der aberratio ictus lenkt der Täter seinen Angriff auf ein bestimmtes, von ihm individualisiertes Tatobjekt. Dieser Angriff geht jedoch fehl und trifft ein anderes Objekt, das der Täter gar nicht anvisiert und in sein Bewusstsein aufgenommen hatte. Währenddessen irrt der Täter bei dem error in person über die Identität des konkret individualisierten Opfers. Bei sog. Sprengfallen platziert der Täter Sprengstoff, der eine andere Person treffen sollte als das tatsächliche Opfer. Bei Sprengstofffallen an einem Auto individualisiert der Täter das Opfers nur insoweit, als dass die Person getroffen wird, die als nächstes das Auto nutzt. Ist der Benutzer ein anderer als angedacht, stellt dies einen unbeachtlichen error in persona dar.

Jurafuchs Illustration: L sieht, wie die Müllabfuhr unberechtigt zu viel Gebühren von den Bürgen verlangt und unternimmt nichts.

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Compliance Officer trifft Pflicht zum Einschreiten - Jurafuchs

Ein Compliance Officer überprüft die Rechtskonformität aller Prozesse und Abläufe innerhalb eines Unternehmens. Der BGH hat in dieser Entscheidung von 2009 entschieden, dass hierdurch eine Garantenpflicht übernommen wird. Erkennt der Betroffene rechtswidrige Abläufe, ist er verpflichtet einzuschreiten und darf nicht nichts tun. Dies ist natürlich nur der Fall, wenn auch der konkrete Pflichtenkreis eines Compliance Officers übernommen wird und geht nicht schon mit der bloßen Jobbezeichnung einher.

Jurafuchs Illustration zum Brett des Karneades Fall: Damit sie nicht ertrinken, klettern zwei Schiffbrüchige auf eine Holzplanke. Diese kann aber nur eine Person tragen. Daher stößt eine Person die andere von der Planke, um sich zu retten.

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Das Brett des Karneades Fall: examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

Bei dem „Brett des Karneades“ handelt es sich um einen fiktiven „Fall“, der dem griechischen Philosophen Karneades zugeschrieben wird. Der Fall handelt von zwei Schiffbrüchigen und behandelt die (rechts-)philosophische Frage, inwieweit es zulässig ist, einen anderen Menschen zu töten, um selbst zu überleben. Nach deutschem Strafrecht ist in einer solchen Lage das Handeln des Täters zwar nicht gerechtfertigt. Allerdings handelt der Täter aufgrund des bestehenden entschuldigenden Notstandes zumindest entschuldigt (§ 35 StGB), sodass er im Ergebnis straffrei bleibt.

Jurafuchs Illustration zum Rose-Rosahl-Fall (Preußisches Obertribunal, 05.05.1859):  Ein Mann legt sich auf die Lauer. Als er eine Person sieht, erschießt er diese, weil er diese im Dunkeln für eine andere hält

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Rose-Rosahl-Fall (Preußisches Obertribunal, 05.05.1859): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

Obwohl er schon vor über 150 Jahren entschieden wurde, hat der vom Preußischen Obertribunal entschiedene Rose-Rosahl-Fall nichts von seiner Relevanz für das Studium verloren. Er gehört zu den absoluten Lieblingen der Prüfungsämter, da in dem Fall gleich drei Fragen behandelt werden, die den Prüflingen Schweißperlen auf die Stirn treiben. Wie wirkt sich ein Irrtum des Täters im Hinblick auf Identität seines Opfers (=error in persona) auf den Vorsatz des Täters aus? Inwiefern spielt dieser Irrtum für den Anstifter des Täters eine Rolle? Und auch für die Behandlung der bis heute zwischen Literatur und Rechtsprechung streitigen Frage nach dem systematischen Verhältnis von Totschlag und Mord bietet der Fall eine gute Grundlage.

Jurafuchs Illustration zum Passauer Giftfallenfall (BGH 12.08.1997): Ein Apotheker stellt eine Flasche Bier mit einer tödlichen Menge Gift auf, davon ausgehend, dass die Einbrecher davon trinken.

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Passauer Giftfallenfall (BGH 12.08.1997): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

In dieser Entscheidung befasst sich der BGH mit dem Merkmal des „unmittelbaren Ansetzens“ zum Versuch (§ 22 StGB), also dem Übergang von der straffreien Vorbereitungsphase zur strafbaren Versuchsphase. Konkret ging es um die Frage, wann der Täter zur Tat „unmittelbar ansetzt“, wenn es für die Vollendung der Tat zwingend auf die Mitwirkung des Opfers ankommt (z.B. Austrinken der präparierten Giftfalle), aber ungewiss ist, ob das Opfer überhaupt erscheint. Der BGH zieht hier eine Parallele zu den Fällen der mittelbaren Täterschaft und bejaht erst dann ein unmittelbares Ansetzen, wenn das Opfer erscheint und Anstalten trifft, die selbstschädigende Handlung vorzunehmen.

Jurafuchs Illustration zum Katzenkönig-Fall (BGH, 15.09.1988): Eine Frau bringt einen Mann dazu, an den Katzenkönig zu glauben. Der Mann soll dem Katzenkönig ein Menschenopfer darbringen, um die Menschheit zu retten.

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Katzenkönig-Fall (BGH, 15.09.1988): examensrelevante Rechtsprechung | Jurafuchs

Der Katzenkönig-Fall ist eigentlich unvorstellbar - und doch entschied der BGH bereits im Jahr 1988 über ihn. Bis heute ist er ein absoluter Klassiker. Eine Frau redet einem leichtgläubigen Polizisten ein, er müsse dem sogenannten „Katzenkönig“ ein Menschenopfer bringen, sonst würden Millionen von Menschen sterben. Der leichtgläubige Polizist glaubt ihr das – und versucht daraufhin, eine Blumenhändlerin zu erstechen, jedoch ohne Erfolg. Im „Katzenkönig-Fall“ trifft der BGH ein Leiturteil zur Abgrenzung der mittelbaren Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB) zur Anstiftung (§ 26 StGB) in Fällen, in denen der Vordermann – hier unser Polizist – einem vermeidbaren Verbotsirrtum (§ 17 S. 2 StGB) unterliegt. Der Fall behandelt häufige Probleme aus dem Strafrecht AT rund um Täterschaft und Teilnahme sowie Irrtümer. Im Mittelpunkt steht die Rechtsfigur des „Täters hinter dem Täter“.